Marketing & Vertrieb

Studie: Vertrieb und Verkauf

Leistung differenzieren, Marge optimieren

«Verschenken wir Marge?» Diese Frage sollte sich die Unternehmensführung regelmässig stellen – und ehrlich beantworten. PwC Schweiz hat sie rund 120 Familienunternehmen und KMU sowie sechs erfolgreichen Entrepreneuren gestellt und deren Einschätzung in einer Studie verdichtet.
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Die Schweiz zeichnet sich durch fortschrittliche, agile Familienunternehmen und KMU aus. Diese bringen unentwegt innovative Produkte und herausragende Dienstleistungen hervor. Einige haben sich zu sogenannten «Hidden Champions» entwickelt und beherrschen mit ihrer Fachkompetenz Nischenmärkte auf Weltklasseniveau. 

Aber: Nicht alle Unternehmen vermarkten ihre Kompetenzen so gewinnbringend, wie es tatsächlich möglich wäre. Obwohl ihre Produkte unschlagbar sind und sich ihre Dienstleistungsqualität von den Mitbewerbern abhebt, geben sie allzu oft beim Preis nach. Damit vergeben sie wertvolle Marge und verkaufen sich und ihre Marktleistung unter Wert – manchmal sogar mit exis­tenziellen Folgen. 

Um langfristig erfolgreich zu wirtschaften, sind deswegen Vertrieb und Verkauf von zentraler Bedeutung. Dies zeigt die aktuelle Studie «Zwischen Spitzenleistung, Anspruch und Marge» von PwC Schweiz. Dazu haben die Autoren 120 Unternehmen verschiedenster Grössen und Branchen aus allen Regionen der Schweiz befragt.

Auf vielen Ebenen gefordert

Das aktuelle Umfeld für Familienunternehmen und KMU ist anspruchsvoller denn je. Die Studienunternehmen sehen sich in Vertrieb und Verkauf wachsenden Kundenanforderungen bei gleichzeitig steigendem Preis- und Kostendruck gegenüber. Der anhaltende Talente- und Fachkräftemangel verschärft die Lage ­zusätzlich. Interessanterweise zeigen sich Unternehmen mit hohen Marktanteilen hinsichtlich ihrer Profitabilität für die kommenden drei Jahre zurückhaltender als kleinere Unternehmen.

Den Aussendienstmitarbeitenden, den hauseigenen Verkaufsstellen oder Auslandsgesellschaften und dem Handel/Zwischenhandel messen die Studienunternehmen heute die grösste Bedeutung als Absatzkanäle bei (vgl. Abbildung 1). Für die mittelfristige Zukunft verschiebt sich diese Einschätzung zu selbst steuerbaren Absatzkanälen.

Die Bewertung der Absatzkanäle deutet darauf hin, dass die Unternehmen den Herausforderungen von Preiskampf und Kundenanforderung verstärkt die Stirn bieten. Dazu prüfen sie einerseits neue technische Möglichkeiten für eigene ­Vertriebsstrukturen und versuchen, den Margenverlust beim Verkauf über Dritte zu verhindern. Andererseits rücken sie näher zu ihren Kunden und nehmen die Kundenbeziehung über steuerbare Verkaufskontakte selbst an die Hand. Diese Transformation müssen die Un­ternehmen mit entsprechenden Mitarbeitenden untermauern und weniger Wertschöpfungselemente auslagern. Mit anderen Worten: Fachwissen rund um ­E-Commerce-Plattformen und Sozialkompetenzen im direkten Kundenkontakt aufbauen.

Die strategische Decke

Je mehr Kunden von einem Produkt oder einer Dienstleistung erwarten, desto zahlungsbereiter sind sie. Damit rückt der Nutzen in den Mittelpunkt und die Kosten verlieren an Bedeutung. Dieser Pa­radigmenwechsel bedingt strategische und betriebliche Optimierungen (vgl. ­Abbildung 2). Wem das gelingt, der verkauft über Kundennutzen, nicht über den Preis. Das Resultat: bessere Margen.

Die erforderliche Transformationsarbeit beginnt wie so oft bei der Strategie, sprich bei den strategischen Erfolgspositionen (SEP). Diese beschreiben jene Stärken des Unternehmens, die es ihm erlauben, überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Um die Abwärtsspirale von Preissenkungen und schrumpfenden Margen zu durchbrechen, müssen die Verantwortlichen ihre Kosten kennen und in eine weitsichtige Preiskalkulation übersetzen. Nur so können sie die erforder­lichen Preise am Markt durchsetzen. Dazu brauchen sie gegenüber ihrer Kundschaft mehr als Preisargumente. Solche finden sie in ihren SEP.

Erfolgreich nahe am Kunden

Um sich den Markterfolg zu sichern und diesen auszubauen, orientieren sich zwei Drittel der Studienunternehmen an ihren Kunden. Für eine Produktführerschaft haben sich 29 Prozent und für eine Kostenführerschaft fünf Prozent entschieden. Unternehmen mit überdurchschnittlichem Marktanteil stimmen ihre Verkaufsprozesse besonders gut auf ihre Kundengruppen ab (vgl. Abbildung 3). Wo diese Ausrichtung weniger konsequent umgesetzt wird, fehlt möglicherweise das Bewusstsein oder das Wissen um die Eigenheiten und Heterogenität der Anspruchsgruppen. Daher empfehlen wir eine kritische Selbstreflexion der eigenen Kundenorientierung. Auch diese führt zurück zur Strategie: Ein Unter­nehmen muss die relevanten Kundensegmente schlüssig in seiner Unternehmensstrategie verankern. Erst dann kann es eine zielgerichtete Vertriebsstrategie daraus ableiten.

Gute Leute, bessere Leistung

Der Mangel an Fachkräften ist omnipräsent. Es erstaunt daher nicht, dass ihn die Studienteilnehmenden als Haupttreiber für einen Wandel im Vertrieb ansehen. ­Interessantes Resultat unserer Studie: Unternehmen mit einem hohen Anteil an weitergebildeten Verkaufsprofis sind deutlich profitabler (vgl. Abbildung 5). Die Kunst des Verkaufens macht sich also in Franken und Rappen bezahlt. 

Umso wichtiger ist es gerade für Schweizer KMU, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Dabei müssen die Verantwortlichen indi­viduelle Entwicklungswege definieren. Nur so können sie talentierte Fachkräfte aus den eigenen Reihen hervorbringen oder auf dem freien Markt anwerben – und langfristig halten. Das wiederum ist entscheidend, denn der Aufbau und die Vertiefung von Kundenbeziehungen brauchen Zeit.

44 Prozent der Studienunternehmen schätzen den Handlungsbedarf zur Op­timierung ihres Vertriebs als gross ein. 38 Prozent erachten ihn als mittel und 19 Prozent als klein (vgl. Abbildung 4). Aus unserer Praxiserfahrung wissen wir, dass sich gerade mittelgrosse Unter­nehmen mit Prozessoptimierungen oft schwertun. Sie scheinen zwischen gross und klein festzustecken. Wie Grossunternehmen verfügen sie über eine gewisse operative Komplexität. Doch die Entschlackung und Professionalisierung der Prozesse ist häufig wenig wirtschaftlich, da sie nicht die gewünschten Skaleneffekte erzielen können. 

Kleine Unternehmen sind noch stärker betroffen. Sie kompensieren diesen Nachteil durch ihre Kleinheit: Ihre betriebliche Komplexität bleibt überschaubar, da sie auch im Freestyle effizient und flexibel ­arbeiten können.

Interne Hürden überwinden

Über die Hälfte der Unternehmen mit ­einem Mono-Absatzkanalmodell stufen ihren Handlungsbedarf im Vertrieb als gross ein. Bei den Unternehmen mit Multi­channeling erachten 86 Prozent der ­Befragten den Handlungsbedarf als gross bis mittelgross. Die meisten Studienunternehmen haben erkannt, dass sie ihre Vertriebsstruktur an den steigenden und sich ändernden Kundenbedürfnissen orientieren müssen, um konkurrenzfähig und langfristig erfolgreich zu bleiben. Auch hier bietet sich der Vertrieb als Stellschraube an.

Bei der Umsetzung einer gezielten Kundenorientierung kann es zu internen Konflikten kommen. Als grösste Hürden nennen die Studienteilnehmenden fehlenden Informationsaustausch, schlechtes Teamwork und mangelhafte Anreizsysteme. Sind Prozesse, Daten oder Anreize nicht entsprechend ausgestaltet, so steht sich ein Unternehmen schnell selbst im Weg. Denn Menschen spielen im kundenorientierten Vertrieb eine Schlüsselrolle. Gut geschulte und motivierte Mitarbeitende können mit ihrem Wissen und Verhalten dazu beitragen, Spannungen zu vermeiden und die Interaktion mit der Kundschaft wesentlich zu ver­bessern. Sie sind Teil des Kundenerleb­nisses und damit Teil der SEP.

Grundlagenentwicklung

Trotz des anerkannten Handlungsbedarfs bei der Strategie entwickeln die Befragten als Erstes ihre technischen und betrieblichen Grundlagen weiter. Sie investieren in Tools für Verkauf und After-Sales oder in die Integration der Absatzkanäle über eine gemeinsame Datengrundlage (vgl. Abbildung 5). Erst dann denken sie an eine strategische Neuordnung ihres Vertriebs. Damit verbunden sind eine An­passung der Verkaufsstrukturen, die Optimierung der Verkaufsunterstützung und die Überarbeitung der Verkaufsstrategie. Die Preispolitik als weitere Strategiesäule fassen die Unternehmen ebenfalls mit weniger Dringlichkeit an.

Schlussbemerkung

Erfolgreiche Unternehmen richten ihren Vertrieb und Verkauf konsequent am Markt aus. Eine weitsichtige Vertriebsstrategie, konsequente Kundenorientierung über alle Absatzkanäle hinweg und das Gewinnen und Halten von qualifi­zierten Fachkräften im Verkauf gehören zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Wer hinter diese Themen einen Haken machen kann, darf mit ruhigem Gewissen und stolz behaupten: «Wir verschenken keine Marge!»

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