Digitalisierung & Transformation

Kolumne: Chief Digital Community

KMU und der Zugang zur echten Digitalisierung

In der Schweiz gibt es eine Digitalisierungslücke. Für Schweizer KMU bestehen grosse Schwierigkeiten mit dem Zugang zu echter Digitalisierung, einschliesslich kognitiver Prozesse.
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Algorithmen spielen eine immer grössere Rolle in der geschäftlichen Effizienzfindung. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen besteht deshalb ein klares Bedürfnis nach integrierten Di­gitalisierungslösungen. Denn, wie auch eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern zeigt, scheinen inzwischen die meisten Unternehmen realisiert zu haben, dass sie ihre Strategie entsprechend ausrichten müssen (ERM Report 2018, Hochschule Luzern). Um solche Digitalisierungs­stra­tegien dann auch wirklich in die Tat umsetzen zu können, benötigt man im Kern sogenannte Workflow-­Management-Systeme, welche die Arbeitsabläufe zwischen Applikationen (wo sich diese auch physisch befinden) automatisieren und integrieren und dabei auch menschliche Interaktionen ermöglichen. Die sogenannte Pro­zess­automatisierung soll wiederholte Abläufe in- und ausserhalb (Kunden, Lieferanten) des Unternehmens effizient koordinieren und, wenn möglich, Medienbrüche auflösen. 

Das Workflow-System stellt somit den roten Faden in den Arbeitsabläufen dar. So weit, so gut, nur waren diese Systeme bis vor Kurzem für KMU unerschwinglich. Dies fängt an bei den Lizenzkosten, Projektumsetzung, fehlenden IT-Ressourcen und geht bis zum Betrieb der Workflow-­Manage­ment-Systeme. Software as a Service ist hier die Lösung für die KMU. Heute gibt es viele kostengünstige Digi­ta­lisierungslösungen, welche als Service aus der Cloud bezogen werden können und die heutigen Herausforderungen für die Digitalisierung der KMU abdecken. Nur gilt es dabei einige Regeln zu beachten.

Die Herausforderungen für die KMU

Systemübergreifende Abläufe innerhalb des Unternehmens, aber auch mit Kunden und Lieferanten, werden noch heute vielfach mit Papierformularen, Excel oder per E-Mail ausgeführt und sind so nicht digital integriert und dadurch intrans­parent und letztendlich auch teuer, unübersichtlich und ineffizient. Unterschiedliche Prozesse und Geschäftsprozessanforderungen werden mit individuellen Schnittstellen und isolierten Lösungen abgebildet und machen dadurch die Systeme noch komplizierter und die Datenqualität leidet enorm. Teure und zeitaufwendige Medienbrüche bleiben bestehen und am Ende des Tages ist der Sachbearbeiter mit den Systemen statt mit den Kunden beschäftigt, und die Mitarbeiterzu­friedenheit kann dadurch sinken.

Eine andere Beobachtung ist, dass Anpassungen am Geschäftsprozess direkt im Kernsystem vor­genommen werden. So werden standardisierte Module verändert und führen beim nächsten Upgrade des Systems zu teils massiven Mehrkosten und Abweichung vom Standardprozess des Softwarelieferanten, sprich der eigentliche Geschäftsprozess ist End-to-End nicht mehr erkennbar. Neue Innovationen und Geschäftsmodelle können so nicht oder nur ungenügend am Markt platziert werden.

Regeln für die Automatisierung der Geschäftsprozesse

Für die Automatisierung der Geschäftsprozesse stehen für KMU eine Vielzahl von kostengünstigen Cloud-Lösungen zur Verfügung (auch aus Schweizer Rechenzentren), aber einige elementare Regeln gilt es dabei zu beachten. Eine davon ist die Lizenzierung, welche möglichst einfach sein sollte und entsprechend auf die Unternehmensanforderungen passt wie zum Beispiel eine monatliche Pauschale oder Business Linked Pricing, welches sich am Geschäftsgang des Unternehmens orientiert. Weiter ist darauf zu achten, dass die Tools und Software die Notation «BPMN 2.0» vollständig und durchgängig, von der Modellierung bis zum Workflow-Management-Server, unterstützt. Dies ergibt eine minimale Unabhängigkeit von den Prozessen des Unternehmens zu den Workflow-Cloud-Lösungen. Das heisst, diese Prozesse, modelliert in «BPMN 2.0», können auf Software von unterschiedlichsten Anbietern ausgeführt werden. Business Process Model and Notation (kurz BPMN) ist eine grafische Spezifikationssprache im Prozessmanagement. Sie stellt Symbole zur Verfügung, mit denen Geschäftsprozesse und Arbeitsabläufe modelliert und dokumentiert werden, ähnlich wie das allseits bekannte Visuali­sierungsprogramm von Microsoft «Visio». So-wohl die Modellierung wie auch die Ausführung der Prozesse in einem Workflow-Management-System werden als Cloud-Service bezogen. Die Benutzerführung erfolgt webbasiert und auch geräteunabhängig. Weitere Prozesse können nun einfach zur Ausführung gebracht werden. Die Benutzeroberfläche bleibt dieselbe, und der Prozess ist End-to-end sichtbar. Die unterschiedlichsten Prozesse, von Produktions- bis zu administrativen Prozessen, können nun nach und nach digitalisiert werden, das heisst, die digitale Unternehmensstrategie wird auf diese Weise umgesetzt.

Die Prozesse sind nun transparent dargestellt und mittels KPI (Key Performance Indicator) wird der Prozess via Dashboards analysiert und alle Arbeitsschritte können bei Bedarf entsprechend optimiert werden. Ist er aber auch echt digitalisiert und vor allem integriert? Nein, denn die meisten Cloud-Lösungen bieten keine (oder fast keine) Integration in die Applikationen und somit in die Daten des Unternehmens an. Der Prozess ist zwar digitalisiert, analog einer Strichliste, und End-to-End sichtbar, aber nicht integriert. In einem ersten Schritt macht es sicher Sinn, zuerst einmal den Prozess transparent darzustellen und die Integration der Daten in einem zweiten Schritt vorzunehmen. Eine Datenintegration aus den Workflow-Systemen in die Kern- und Umsysteme des Unternehmens oder die des Partners oder Kunden ist der echte Mehrwert und stellt daher eine echte Digitalisierung dar. Nur wenige Cloud-Lösungen bieten dies heute an. Sind die Daten der diversen Applikationen zusätzlich im Prozess integriert, haben wir nun eine perfekte Verlinkung der Daten und die gewünschten Informationen werden im Kontext für den Mitarbeiter oder Kunden angezeigt. Genau dies ist in der echten Digitalisierung anzustreben. Viele sich wiederholende und mühsame Arbeiten werden dadurch minimiert oder gänzlich abgelöst. Mehrfach im Unternehmen vorhandene Stammdaten, Verträge und Dokumente werden aus den verschiedensten Systemen im Kontext des Kunden im Portal angezeigt und nach Bearbeitung in die Kern- und Umsysteme zurückgeschrieben. Der Status des Auftrages ist für das Unternehmen wie auch für die Partner auf einen Blick sichtbar und muss nicht über verschiedene Systeme abgefragt werden, und am Ende des Tages wird auch die Datenqualität erhöht.

Praxisbeispiele der Digitalisierung

Einige wenige klassische Beispiele, welchen wir im Alltag immer wieder begegnen, gehen von Spesenabrechnung, Freigabeprozess, Ferienantrag, Adressänderungen, Meldesystem, komplette Auftragsabwicklung, Kreditoren-Workflow, Innovationsantrag, Beschaffung, Ein- und Austritt, Produkte- und Kundeneröffnung bis zum Stamm­datenabgleich. Gerade der Stammdatenabgleich über diverse Systeme stellt teilweise eine Herausforderung dar, da zusätzlich zur Datenintegration auch noch eine Transformation der Daten (als Beispiel die Artikelnummer) stattfinden muss. Wenige Digitalisierungsangebote aus der Cloud können diese Anforderungen heute abdecken. Bei der Digitalisierung geht es schlussendlich nicht nur um Technologien. Es geht auch darum, Raum für Kreativität zu schaffen und Experimente zuzulassen, denn Digitalisierung kann nur durch Innovation gelingen. Die Chief Digital Community bietet den KMU, branchenunabhängig, eine Plattform um Informationen, Erfahrungen und Wissen im Umgang mit der Umsetzung der Digitalisierung an.

Roland Imoberdorf ist Leiter Solutions der UMB AG in Volketswil und Vorstandsmitglied von der Chief Digital Community CDC (www.chiefdigital.ch).