Digitalisierung & Transformation

Digitale Transformation in KMU (Teil 6 von 7)

Interne Erneuerung: Digitalisierung wollen und können

Die Serie «Digitale Transformation in KMU» zeigt, welche Bausteine zur Digitalisierung gehören, wie sich der Managementprozess daraus gestaltet und wie ein Unternehmen den notwendigen Wandel in der Praxis umsetzen kann. Der sechste Teil skizziert die interne Transformation, die vor allem die Motivation und die Befähigung der Beteiligten zum Ziel hat.
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Dieser Beitrag greift eines der wichtigsten Themen für den Erfolg unseres Digitalisierungsprozesses auf: die Mitarbeitenden – deren Bereitschaft und deren Befähigung für die Digitalisierung. Warum ist dieses Thema so wichtig? Digitalisierung ist nicht allein durch die Entwicklung neuer Technologien erfolgreich, sondern erst durch deren Anwendung durch die Mitarbeitenden, erst durch deren Umsetzung wird sie «lebendig».

Mitarbeitende stark gefordert

Viele Unternehmer meinen immer noch, digitale Transformation bedeute die Umstellung auf neue IT oder gar nur die Einführung von Social Media im Unternehmen. Jedoch ist digitale Transformation viel weitreichender: Was in den 1970er-Jahren mit Computer und E-Mails begann, umfasst heute selbstfahrende Autos, intelligente Kühlschränke und 3-D-Drucker, die sogar Autos ausdrucken – die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft schreitet im Schnellspurt voran.

Die rasant, weil exponentiell fortschreitende Digitalisierung verändert Unternehmen aller Branchen und Grössen tief greifend und nachhaltig: Völlig neue Geschäftsmodelle entstehen, neue Produkte und Leistungen, neue Kundenbeziehungen. Das Ziel: neue, bessere und einzigartige Kundenerlebnisse. Somit ist die Digitalisierung die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen durch Technologien, um die Kundenerlebnisse an jedem Berührungspunkt (Touchpoint) mit dem Unternehmen zu verbessern.

Viele Unternehmen wollen und müssen diese Entwicklungen für ihren künftigen Geschäftserfolg nutzen. Dies erfordert grosse Anstrengungen, denn die Konsequenzen sind weitreichend: Digitalisierung bringt immer neue Technologien, neue Geschäftsmodelle. 52 Prozent der CEOs weltweit sagen, dass die Digitalisierung die eigene Industrie komplett oder signifikant transformieren wird, so das Ergebnis der weltweiten Studie Accenture 2014. Branchen und Unternehmen sind unterschiedlich stark betroffe n, aber letztlich sind alle betroffen, weiss die Boston Consulting Group.

Alle Arbeitsplätze betroffen

Im Unternehmen sind alle Funktionen von Digitalisierung betroffen: von der Forschung und Entwicklung über die Produktion und das Marketing, die Personalab­teilung und Verwaltung. Beispiele sind heute schon die elektronische Rechnungs­legung und die interne Kommunikation über das Intranet. Auswirkungen ergeben sich damit für das Gesamtunternehmen, Funktionen / Projekte sowie auf jede und jeden einzelnen Mitarbeitenden.

Immer mehr KMU etablieren neue Strukturen und Prozesse, neue Rollen und Verantwortlichkeiten, neue Formen der Zusammenarbeit, neue Führungs- und Motivationssysteme. Neue Qualifikationen sind erforderlich, ein lebenslanges
Lernen wird die Regel sein. Der Wandel beginnt schon im Management, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Ein konsequentes Ausrichten am Kunden als Haltung: Manager müs-sen ihre Kunden noch besser verstehen und auf ihre Wünsche und Bedürfnis­se noch schneller reagieren als die Wettbewerber.
  • Ein radikales Denken: Völlig neue Geschäftsmodelle, wie die Beispiele von Airbnb und Uber zeigen. Erfolgreiche Manager müssen daher radikal und am besten drei oder fünf Schritte voraus denken. Sie zerstören bestehende Geschäftsmodelle und ersetzen sie durch völlig neue wie etwa Plattformbetreiber Amazon.
  • Die Führung junger Mitarbeiter: Wichtig ist auch das Wissen, wie junge Mitarbeitende ticken, welche mit dem Internet und Start-ups aufgewachsen sind, was sie mo­tiviert und wie sie im Unternehmen gehalten werden können; starre Arbeitsmodelle, Anwesenheitspflicht in Büro und Hierarchiedenken werden diese wertvollen Mitarbeiter dagegen wahrscheinlich schnell wieder aus dem Unternehmen treiben.
  • Das digitale Wissen in eigene Produkte umwandeln: Wer seine Mitarbeiter nicht in einer anregenden, kreativen Innovationskultur motivieren kann, neuartige Produkte zu entwickeln, kommt nicht weit.
  • Neue Führungskonzepte: Das klassische Kommando-und-Kontrolle-Modell verschiebt sich hin zu stärkerer Einbeziehung und Beteiligung der Mitarbeitenden. Kontrolle erfolgt, ob die Ziele erreicht sind und ob es Abweichungen gibt.
  • Neue Kommunikationskompetenz: Durch Social Media brauchen alle Beteiligten neue Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit digitaler Kommunikation.

Die interne Erneuerung

Digitalisierung erfordert für alle Manager und alle Mitarbeitenden die Bereitschaft, dass sie die Digitalisierung wollen, sowie das Können, also die Befähigung durch neue Fachkompetenzen, neue Methoden- sowie Sozialkompetenzen. Wollen Sie dies? Können Sie dies?

Die interne Erneuerung ist der Prozess, die Bereitschaft (Motivation) und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden für die Digitalisierung herzustellen und dauerhaft zu stabilisieren.

Wollen: die Bereitschaft

Die Bereitschaft zur Veränderung zählt zu den Erfolgsfaktoren der Digitalisierung: In einem KMU, welches seinen Mitarbeitern Ängste und Unsicherheiten nicht nehmen kann, ist ein digitaler Wandel zum Scheitern verurteilt. Wie schwierig dies ist, zeigt die weltweite Studie der Beratungsgesellschaft Capgemini, nach der 62 Prozent der Befragten die Unternehmenskultur als eines der grössten Hindernisse auf dem Weg zu einer digitalen Organisation sehen. Obwohl neue Programme und Initiativen zur Digitalisierung vernünftig und notwendig erscheinen, stösst ihre Umsetzung in den Unternehmensalltag oft auf erheblichen Widerstand bei Managern und Mitarbeitern: Schon heute beklagen 52 Prozent der deutschen Industrieunternehmen fehlende digitale Kultur – Kultur und fehlendes Engagement des Top-Managements seien Hauptgründe, wenn Digitalisierung nicht klappt. Welche wichtigen Voraussetzungen sind zu schaffen?

Wie Motivation entsteht

Die richtige Haltung ist dabei entscheidend: Herkömmliches Management setzt vor allem auf Ergebnis- und Handlungsziele wie «fünf Prozent Umsatz steigern» oder «drei Innovationen pro Jahr entwickeln» und die dafür erforderlichen Handlungsziele (z. B. konkrete Gewinnziele durch realisierte Innovationen). Kaum ein Mitarbeitergespräch ohne «SMART»-Zielvereinbarung, also nach der Regel spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch, mit Termin.

«Smarte» Ziele sind sinnvoll, wenn Motivation schon vorhanden ist und es sich um ganz einfache, klar strukturierte Aufgaben handelt, wie zum Beispiel «mache täglich fünf Neukundenanrufe». Wenn aber das Ziel im Verkauf lautet: «Begrüsse jeden Kunden mit einem Lächeln!», dann zeigt sich, dass Kundenorientierung nicht auf der Verhaltensebene funktioniert, weil dies oft aufgesetzt wirkt. Stattdessen sind Haltungs- oder Einstellungsziele erforderlich, die sich ganzheitlich auf Denken, Fühlen und Handeln der Mitarbeitenden auswirken. Haltungsziele für die Digitalisierung sind z. B. «Alles ist möglich», weil es kaum noch feste Pläne oder gar ein klares Zielbild gibt, auf welches das KMU zusteuert.

Studien zeigen, dass die Leistung unter Haltungszielen ebenso gut ist wie unter «SMART»-Zielen; jedoch erfolgt die Leistung mit mehr Motivation. Haltungsziele lassen sich mit Methoden wie dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) entwickeln (www.zrm.ch). Im 2018 erscheint im Hogrefe-Verlag das Buch zur Haltungsänderung in der Digitalisierung (von Georg Adlmaier-Herbst, Maja Storch, Johannes Storch und Anke Breiter).

An die Ziele von Menschen anknüpfen: Wer Menschen für Veränderungen gewinnen will, sollte die grundsätzlichen Beweggründe (Motive bzw. Ziele) von Menschen kennen: Warum tun sie etwas? Warum meiden sie etwas? Die Motivationspsychologie kennt drei Beweggründe (Motive), die gut erforscht sind:

  • Leistungsmotiv: Herausforderungen meistern,
  • Bindungsmotiv: Soziale Kontakte knüpfen und pflegen,
  • Machtmotiv: Andere Menschen beeinflussen und beindrucken.

Leistungsmotiv: Leistungsmotivierte stellen sich Herausforderungen, bei denen sie sich bewähren oder aber versagen können. Anreize sind selbstständiges Lösen schwieriger Aufgaben. Dies löst Stolz und Zufriedenheit aus. Der Leistungstyp meidet Beschämung und Niedergeschlagenheit durch Misserfolg. Leistungsmotivierte sind für die Digitalisierung zu begeistern, indem sie Aufgaben meistern und etwas besonders gut machen können, sich selbst übertreffen und im Wettbewerb mit anderen beweisen. Leistungsmotivierte steigen in der Hierarchie nur selten weit auf, denn sie interessieren sich mehr für Inhalte als für Macht.

Bindungsmotiv: Das Bindungsmotiv steht für das fundamentale Bedürfnis nach sozialen Kontakten, nach neuen Bekanntschaften, Freundschaften am Arbeitsplatz. Der Bindungstyp sucht Nähe und Beziehungen am Arbeitsplatz, er bewertet andere Menschen stark durch die Kategorien Sympathie und Antipathie. Bindungstypen lassen sich für die Digitalisierung motivieren durch den Aufbau, die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Bezogenheit, Nähe, persönlicher Begegnung und freundschaftlichen Beziehungen zu den Teammitgliedern.

Machtmotiv: Der Machttyp liebt es, etwas zu bewegen. Einfluss und die Durchsetzung eigener Ideen und Werte sind für ihn wichtig. Er sucht aktiv nach der Übernahme von Führungsverantwortung, möchte andere verändern und die Richtung in Gruppen vorgeben. Der Machttyp lässt sich für die Digitalisierung motivieren durch Tätigkeiten, an die er mit viel Energie herangehen kann, Durchsetzungskraft, Beharrlichkeit auch bei Widrigkeiten.

Können: Die Befähigung

Siemens-Chef Joe Kaeser investiert kräftig in digitale Weiterbildung. Der «Wirtschaftswoche» (21. April 2017) sagte er: «Ein Punkt beschäftigt mich in der Tat: Wenn wir es nicht hinbekommen sollten, dass das digitale Zeitalter inklusive ist, dann wird die vierte industrielle Revolution stecken bleiben.» Folgende Aspekte sollten Sie beim Ermitteln der Befähigung (Können) beachten:

Beteiligte: Wer ist direkt und indirekt in die Digitalisierung einbezogen? Welche (digitale) Ausbildung haben diese Menschen? Welche Ausbildung brauchen künftige Mitarbeitende? Welche Weiterbildung bieten Sie an, um die Mitarbeitenden für die Digitalisierung zu befähigen?

Rollen und Verantwortlichkeiten: Welche Rollen und Verantwortlichkeiten erfordert die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie? Weniger Hierarchie? Wer ist Initiator von Prozessen? Wer Treiber? Wer sind die Unterstützer?

Prozesse: Welche Prozesse erfordert die Digitalisierung? Prozesse für interdisziplinäres Zusammenarbeiten?

Strukturen: In welchen Strukturen arbeiten Manager und Mitarbeitende künftig zusammen? Netzwerke lösen hier starre Hierarchien und Abteilung ab, die wie Festungen abgekanzelt arbeiten. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Hierarchiestufen arbeiten im Team und geben sich gegenseitiges Feedback. Idealerweise gibt es nicht einen führenden Funktionsbereich, sondern alle Bereiche arbeiten gemeinsam an abgestimmten Konzeptions- und Umsetzungsprojekten.

IT: Kann Ihre IT die Digitalisierung optimal unterstützen, etwa durch Enterprise 2.0, neue Tools der Zusammenarbeit wie synchrone, zeitgleiche Kommunikation, Tools zur Weiterbildung des Unternehmens?

Kultur: Welche Kultur ist erforderlich, um die Potenziale der Digitalisierung optimal zu nutzen? Wichtig werden hier die Zusammenarbeit, das kreative Denken und die Fehlertoleranz.

Fazit und Ausblick

Die Umsetzung der Digitalisierung im kleinen und mittelgrossen Unternehmen ist wesentlich an die Bereitschaft und die Fähigkeit der Mitarbeitenden gebunden – sie entscheiden über den Erfolg der Digitalisierungsstrategie.

Das Herstellen der Bereitschaft dient dem Frei­setzen von Handlungsenergie (Wollen), die Befähigung schafft Qualifikation der Mitarbeitenden sowie angemessene Rollen und Verantwortlichkeiten, Prozesse, Strukturen und IT. Hierbei gibt es eine klare Reihenfolge des Vorgehens: Erst müssen die Mitarbeitenden bereit sein für die Digitalisierung, dann werden sie auch ihrer Befähigung zustimmen.

In der nächsten Folge dieser Serie werden wir die Umsetzung der Massnahmen erläutern und die Erfolgskontrolle skizzieren.

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