Digitalisierung & Transformation

Kolumne: Chief Digital Community

Führung im Roboterzeitalter

Im Roboterzeitalter läuft die menschliche Evolution Gefahr, der digitalen Entwicklung und Transformation hinterherzuhinken. Die Auswirkungen sind unklar, auch für die Unternehmen. Deshalb ist die Auseinandersetzung damit so wichtig.
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Digitale Anwendungen werden überall eingesetzt. Die Geschwindigkeit sowie die Breitenwirkung der digitalen Entwicklungen verlaufen exponentiell. Damit einhergehend findet im Hintergrund eine grundlegende Veränderung der Datenmodelle und Systemarchitekturen statt. Zunehmend entwickeln sich die Informationen aus sogenannten «Datenseen» (Datalakes) und werden zu neu strukturierten Produkten aufbereitet: 

Stille Seen gründen tief:

«Datenseen» liegen unsichtbar im Hintergrund. Sie nehmen alle denkbaren Formen von Daten auf. Das eingeflossene Datenmaterial wird mittels artifizieller Intelligenz entflochten, dann zu Informationen und schliesslich zu neuen Produkten verarbeitet. Informationen sind Rohstoffe. Vernetzt und angereichert sind und werden sie zu Goldgruben von Firmen, welche zunehmend Einfluss nehmen auf unser Leben.

Verbindungen über den «Datensee»:

Die komplexen, schwerfälligen Schnittstellen der Systeme untereinander werden minimiert. Smarte Systemstandards definieren die Schnittstellen für das (möglichst einfache) Einfüllen aller denkbaren Daten und Datenformen aus etwelchen Systemen, beziehungsweise für das Extrahieren der Daten aus den «Datenseen». 

Selbstlernende Roboter fischen im «Datensee»:

Die Roboter-Entwicklung mittels artifizieller Intelligenz geht ihre eigenen Wege. Diese unterstehen nicht den Gesetzmässigkeiten der menschlichen Evolution. Der Mensch wird zunehmend ersetzbar – nicht nur in Produktionsprozessen, sondern bei gestalterischen Entwicklungen, die bis anhin dem Menschen vorbehalten waren. Der «Datensee» dient mit seinen Informationen als «Lebensgrundlage».

Drift zwischen menschlicher und digitaler Entwicklung

Zweifelsfrei wird die Entwicklung von «Datenseen» und selbstlernenden Robotern weiterhin exponentiell verlaufen. Neu ist das erwähnte Auseinanderdriften zwischen menschlicher Evolution und verselbstständigter, digitaler Entwicklung. Wie sich dies auf Firmen und deren Führung auswirkt, ist unklar. Ich denke, wir sollten Führung im klassischen Sinne von «Managen» hinterfragen, indem wir davon ausgehen, dass die Zukunft so nicht mehr führbar sein wird – «expect the unmanageable», wie es auf Neudeutsch heisst. Das mag ein wenig provokativ tönen, aber auch wenn wir die Veränderungen bereits heute als anspruchsvoll empfinden, so sind wir gewissermassen erst am Warmlaufen. Die artifizielle Intelligenz im Zusammenspiel mit «Datenseen» erzeugt einen Turboeffekt bei der digitalen Entwicklung. Verstärkt wird diese Wirkung zusätzlich mit dem Wegfall der globalen Sprachbarrieren. Diese werden mit artifiziellen Echtzeitübersetzungen abgebaut, und dies wird die Marktverhältnisse verändern beziehungsweise die Globalisierung verstärken.

Punkte, die weniger thematisiert werden 

Das Leben und das Arbeiten in der Roboter-Zukunft werden sich verändern. Dazu gibt es Literatur über Führungskultur, Hierarchie und Prozessmanagement. Ich möchte hier fünf weniger oft erwähnte Punkte herauspicken, die aus meiner Sicht das Roboterzeitalter mitprägen werden: 

Organisationseinheiten weichen dem Zellenverbund:

Um schnell agieren und reagieren zu können, werden sich Firmen vermehrt aufs Kerngeschäft konzentrieren. Die anderen Tätigkeiten erbringt ein Netzwerk von Firmen und 
Zellorganisationen. Netzwerke werden die klassischen Organisations-Einheiten ergänzen und/oder verdrängen. Und Netzwerkstrukturen adaptieren sich nach Bedarf und von Fall zu Fall.

Mitarbeiter werden zu Einzel-Unternehmern:

Der oben erwähnte Zellenverbund fördert neue Arbeitsformen. Die Arbeitsplätze verlagern sich ins «Off-Office», wo auch immer das sein wird. Die klassischen Angestelltenverhältnisse werden über die Zeit rückläufig sein. 

Paradigmen-Wechsel «Fehlerkultur»:

Der Innovationszyklus wird mittels der artifiziellen Intelligenz an Eigendynamik gewinnen. Agile Prozessformen und neue Organisationsformen versuchen darauf zu reagieren. Dies alles erhöht die Fehleranfälligkeit. Fehler können den Schub der Entwicklungen stark abbremsen, wenn damit in dem Unternehmen und dessen Netzwerken nicht achtsam umgegangen wird. Dieser Kulturwechsel beginnt im Board- und im Top-Management. Vereinfacht gesagt sind Fehler Quelle für Verbesserungen und sie dienen als Mittel zum Zweck, um herauszufinden, warum Fehler gemacht wurden anstatt wer diese verursacht hat. Tönt einfach – ist es aber nicht. 

Die Krisenfähigkeit ist überlebenswichtig:

Wegen der Vernetzung brechen Krisen schnell und breit aus – die Social Media sind Brandbeschleuniger. «Worst Case»-Szenarien müssen mit einem professionellen Krisenmanagement antizipiert werden. Krisenmanagement kann im Widerspruch stehen zum Führungsverständnis in der digitalen Welt. Zum Beispiel wird in holokratischen Modellen die Kommandostruktur abgebaut. Diese ist aber im Krisenmanagement wichtig. Solche Themen müssen frühzeitig thematisiert und trainiert werden. 

Regulationen hinken hinterher:

Versuche der Politik und des Bundes, über immer detailliertere Regulationen zu führen, sorgen für steigenden Unmut und verfehlen langfristig ihr Ziel. Regulatoren müssen lernen, den Rahmen abzustecken und das «Was» zu definieren. Unternehmen und Gesellschaft erhalten dadurch die notwendigen Freiheiten für das «Wie». Der Staat tut gut daran, dieses Thema jetzt anzugehen. 

Empfehlungen für die Schnellboote

KMU können die wendigen Schnellboote sein im Vergleich zu den schwerfälligen Dampfern der Grossunternehmen. KMU können schneller adaptieren und sich in zukunftsorientierten Netzwerkstrukturen organisieren. Auch KMU müssen davon ausgehen, dass Führung in der digitalen Zukunft wenig mit «heutigem Managen» zu tun haben wird. Wir empfehlen, im eigenen Unternehmen über die vorgängig beschriebenen Punkte nachzudenken. Zum Beispiel empfehlen wir, Wachstum vermehrt über Zellorganisationen oder mit kleinen Firmen in Netzwerken zu generieren und vermehrt Mitarbeiter als Einzelunternehmen in die Netzwerke einzubinden. Wir raten, über Fehlerkultur und Krisenmanagement nachzudenken. Abschliessend empfehlen wir den Unternehmen, sich auch aktiv an Informationsaustausch-Netzwerken zu beteiligen. Denn die Entwicklung der künstlichen Intelligenz muss zwingend verfolgt werden. KMU sind sehr gefordert und teilweise auch überfordert. Die Führung im Roboterzeitalter erfordert mehr denn je die Zusammen­arbeit mit Verbänden, Universitäten, Hochschulen, Communitys, Innovationsparks und anderen, denn die Entwicklungen im Roboterzeitalter sind schwierig abzuschätzen.

Dani Weder arbeitet als unabhängiges Board-Mitglied, Berater und Referent und ist Inhaber von Weder Management. Vorher leitete er als CEO das schweizerische Flugsicherungs-Unternehmen Skyguide von 2007 bis 2017. Weder ist unter anderem Vorstandsmitglied der Chief Digital Community (CDC). In regelmässigen Abständen, schreiben Mitglieder der 2017 gegründeten Plattform im «KMU-Magazin» über Themen in Bezug zur digitalen Transformation. Weitere Informationen zur Plattform unter www.chiefdigital.ch