Digitalisierung & Transformation

Unternehmensentwicklung

Digitale Transformation – agieren oder reagieren?

Digitale Transformation – zwei nüchterne und fast inflationär verwendete Worte – bringen eine der grössten Veränderungen unserer Wirtschaft überhaupt. Der digitale Wandel lässt keine Branche unberührt. Trotzdem lässt es den Anschein zu, dass Unternehmen nur sehr zögernd und langsam darauf reagieren.
PDF Kaufen

Die Digitalisierung ist der Treiber der vierten industriellen Revolution. Diese entfaltet eine ganz eigene Dynamik. Beispielsweise werden bis 2020 mehr als 21 Milliarden Geräte in Haushalten digital miteinander verbunden sein (Quelle: Erhebungen Gartner Inc. Technology Research). Darin steckt ein enormes Innovationspotenzial. Für die einen Unternehmen bedeutet dies eine existenzielle Bedrohung und für die anderen eine Jahrhundertchance.

Unternehmerisch nötig?


Zeitpunkt und Geschwindigkeit der Veränderungen sind für jede Branche oder Industrie unterschiedlich. Ist die Digitalisierung vollzogen, gelten neue Regeln, neue Wettbewerber, andere Gewinnspannen und eine veränderte Wertschöpfung. Dieser Prozess eröffnet neue Möglichkeiten in der Erschliessung von Märkten und Umsatzpotenzialen für Anbieter und neue Wege, um Werte für Kunden zu schaffen. Die neuen Technologien helfen, auf Kundenbedürfnisse fokussierte, kosteneffiziente Produkte und Services anzubieten, um sich im Wettlauf mit der Konkurrenz zu behaupten.

Ergebnisse aus der Studie «Digitalisierung in der Schweiz» («Digitalisierung, wo stehen Schweizer KMU»; Digitalswitzerland, Google Schweiz, PWC Schweiz) überraschen. Die Konsumenten in der Schweiz sind in der Nutzung von digitalen Plattformen überdurchschnittlich aktiv. Auf der anderen Seite haben Unternehmer enormes Verbesserungspotenzial, mutiger zu agieren. Kleine, einfache digitale Schritte erzielen häufig sichtbare Effizienzgewinne und können die Kundeninteraktion, jeden Prozess und jedes Geschäftsmodell betreffen. Auch wichtig für die eigenen Überlegungen sind die Erfahrungen von bereits digitalisierten Branchen, um für sich die relevanten Schritte abzuleiten.

Die Digitalisierung erschliesst gerade in der Automatisierung grosse Chancen, welche für den Industriestandort Schweiz langfristig attraktiv sind und über die sich wettbewerbsfähige Vorteile gegenüber dem Ausland erzielen lassen.

Unternehmen, die Arbeitsplätze langfristig sichern oder sogar ausbauen möchten, sollten den Herausforderungen der Digitalisierung das erforderliche Augenmerk schenken. Die digitale Transformation mit ihren Grundsätzen voranzutreiben, ist keine unlösbare Aufgabe, sie ist aber im Gesamtkontext des Unternehmens zu sehen und ist daher Chefsache. Was es braucht, ist der geäusserte Wille der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates, sich auf die Reise der Digitalisierung mit vielen Unbekannten zu begeben und das notwendige Know-how extern beizuziehen oder intern aufzubauen.

Es braucht einen Plan

Warum scheuen dennoch Unternehmen den digitalen Wandel als Chance anzugehen und laufen Gefahr, dass ihre Angebote in Zukunft keine Relevanz mehr haben? Die Digitalisierung stellt Unternehmen vor Herausforderungen, sie bedeutet Veränderungen und löst Ungewissheit aus, deren Konsequenzen noch nicht erkennbar sind. Sie betrifft sämtliche Bereiche in einem Unternehmen. Praxisbeispiele zeigen ebenfalls auf, dass sich gesamte Branchen und Unternehmen mit ihren Geschäftsmodellen, Wertschöpfungsketten, Organisationsstrukturen und Prozessen verändern können. Viele Geschäfte werden bereits heute und in Zukunft ganz anders abgewickelt. Die Chancen in der Digitalisierung liegen im Grundsatz in zwei bekannten strategischen Stossrichtungen:

a)    Wie kann Umsatz und Ertrag durch Mehrwert für unsere Kunden gesteigert werden?
b)    Wie kann Kosteneffizienz durch Prozessoptimierungen erzielt werden?

Daraus ergeben sich zwangsläufig strategische Fragestellungen: Welche digitalen Technologien sind relevant? Was sind die Konsequenzen? Welche Massnahmen müssen eingeleitet werden? Was wollen unsere Kunden? Wie verändert die Digitalisierung das eigene Geschäftsmodell? Wie strukturiert man Geschäftsmodelle neu, um erfolgreich zu bleiben?

Es kommt noch ein weiterer Punkt in die Betrachtung: Den Unternehmen fehlt eine Navigation, ein Wegweiser für den Umbau und eine Architektur für die Neugestaltung. Es fehlt ein Transformationsplan, der jedoch keine einfache Bedienungsanleitung ist, die man Punkt für Punkt abarbeiten muss. Es ist vielmehr eine Landkarte mit den digitalen Elementen für die Veränderungen im Unternehmen, die einerseits Wege aufzeigt und anderseits auch laufend die Vielfalt der digitalen Möglichkeiten und unternehmerischen Chancen eröffnet.

Aus diesen Blickwinkeln betrachtet, ist die Digitalisierung kein klassisches Informatik- und Investitionsprojekt, welches sich aus einzelnen Aktivitäten zusammensetzt, sondern vielmehr ein strategisches Thema, das eine hohe Aufmerksamkeit von allen Verantwortlichen fordert.

Wichtig ist eine vertiefte, vernetzte sowie strategische Auseinandersetzung mit dem Thema und der Beurteilung der Relevanz für das eigene Unternehmen. Eine seriöse Vorarbeit kostet Zeit und Ressourcen. Wer diesen Aufwand umgeht, läuft schnell Gefahr, sein Geld falsch zu investieren. Der digitale Wandel muss in einer gewissen Tiefe durchdacht werden, damit das Potenzial mit seinen Chancen für die Zukunft des Unternehmens zielführend und nachhaltig erschlossen wird.

Unternehmerische Chancen


Die Chancen und Möglichkeiten in den Zeiten der Digitalisierung sind fundamental; sie sind dabei, vieles nachhaltig zu verändern: Wie wir einkaufen, wie wir arbeiten, wie wir kommunizieren, wie wir Wissen erarbeiten, wie wir Freundschaften pflegen und wie wir uns medi­zinisch versorgen lassen. Diesen Wandel anzugehen, erfordert Mut und Unerschrockenheit, denn Unsicherheit ist der stetige Begleiter in diesem unaufhaltsamen Veränderungsprozess. Dies ist aber auch gut so, weil sie für das nötige Mass an Aufmerksamkeit und Wachsamkeit sorgt. Damit ist auch gesagt, dass es nicht reicht, einfach eine neue Abteilung zu gründen oder Weiterbildungskurse für Mitarbeitende anzubieten. Damit der digitale Wandel gelingt, muss er Chefsache sein.

Die digitale Transformation beruht auch nicht allein auf Technologie. Technologie kann man verstehen, man kann sie perfektionieren und permanent verbessern. Es geht vor allem um Kunden, es geht darum, dass Menschen durch die Digita­lisierung ihr Verhalten ändern. Die Kunden, die Nutzer sind durch die Digitalisierung sehr selbstbewusst geworden. Was aber macht der Kunde? Wenn er das Gleiche irgendwo im Internet billiger bekommt, wird er es dort kaufen, um nur ein Beispiel zu nennen. Start und Ende einer digitalen Transformation muss daher die Wertschöpfung sein und die funktioniert nur über den Kunden. Damit gewinnt bei allen Digitalisierungsprojekten der Kunde an zentraler Bedeutung. Daher reicht es nicht, die digitalen Technologien einfach zu übernehmen. Heute konkurrenzieren Geschäftsmodelle miteinander. Es erstaunt daher nicht, dass die grössten Geschäftsmodellinnovatoren auch die Gewinner der jüngeren Geschichte sind. Es sind Namen wie Apple, eBay, Alibaba, Amazon oder Airbnb.

Eines der Kennzeichen von wirklich anpassungsfähigen und resilienten Organisationen ist, dass sie ihr eigenes Geschäftsmodell kontinuierlich hinterfragen und mitunter auch zerstören, immer auf der Suche nach zukunftsfähigen Geschäftsideen, neuen Märkten und Kunden. Geschäftsmodelle gehen daher der Frage nach dem Kunden, dem Angebot, der Leistungserbringung und der Ertragsquelle nach.

Damit ein Unternehmen mit verhältnismässigen Risiken digitale Geschäftsmodelle entwickeln und neue Märkte erschliessen kann stellt sich die Kernfrage: Was muss ein Unternehmen können, welche Fähigkeiten muss es haben, um den Weg in die digitale Zukunft zu gehen? Schliesslich geht es darum relevante, operativ machbare und bezahlbare Lösungen entwickeln zu können. Damit dies gelingt, sind die Kundenerfahrung und der Kundennutzen in den Mittelpunkt zu stellen und die internen Prozesse in der Umsetzung abzustimmen.

Kunden müssen involviert werden und ein breites Wissen im Bereich der Geschäftsprozesse sollte vorhanden sein. Nebst den bewährten operativen Erfahrungen gewinnt Kreativität und Innova-tionskraft für Führungskräfte an Relevanz. Weitere wichtige Voraussetzungen sind Sozialkompetenz und andere weiche Faktoren wie die Verkörperung der Unternehmenswerte. Reines digitales Fachwissen reicht daher selten aus. Einhergehend mit diesen Fähigkeiten, die man im Unternehmen haben, fördern oder erwerben muss, sollte Schritt um Schritt am Aufbau von agilen Teams und an einem agilen Führungsverständnis gearbeitet werden. Radikale Reorganisationen oder das Kopieren neuer Organisationsformen ist in den wenigsten Fällen ratsam. Es ist vielmehr die Balance zu halten zwischen der Stabilität, um Produkte und Dienstleistungen effizient und zuverlässig auf den Markt zu bringen, sowie der Flexibilität, um auf neue Kundenanforderungen und Technologien rasch reagieren zu können (siehe dazu auch «Auf dem Weg zur digitalen Hierarchie» im «KMU-Magazin» der Ausgabe 5/2017).

Porträt