Digitalisierung & Transformation

Changemanagement

Die Transformation beginnt zuerst im Kopf

Wie bei anderen Veränderungsprozessen muss auch für die Entwicklung der Digitalisierung erst ein Bewusstsein geschaffen werden. Hat in diesem Sinne ein Wandel des Mindsets stattgefunden, werden auch Möglichkeiten und Wege für neue Geschäftsmodelle sichtbar.
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Die Dynamik und die Volatilität der Märkte nehmen immer schneller zu und werden unberechenbar. Disruptive Geschäftsmodelle stellen die Arbeitswelt schon jetzt auf den Kopf, sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Während aktuell noch die Angst vorherrscht, dass Roboter viele Jobs übernehmen werden, ist das Bewusstsein, dass in Zukunft sogar ganze Businesszweige obsolet werden, noch nicht in allen Köpfen angekommen. 


Kontaktplattform

Für Fachingenieure gibt es sie bereits: eine Plattform, auf der sie mit möglichen Arbeitgebern in Kontakt treten. Quasi ein Datingportal für den Arbeitsmarkt, das beiden Parteien einen grossen Vorteil bietet. Während der Arbeitnehmer sich passende, herausfordernde Projekte auf der ganzen Welt suchen kann, hat der Arbeitgeber die Chance, für jedes Projekt den geeignetsten Fachingenieur zu finden. Der Erstkontakt, die Verträge, die Bezahlung – alles wird über diese Plattform abgewickelt. Einen Headhunter oder Personaler braucht es also nicht mehr. Das ist ein Arbeitsbereich, der schlichtweg obsolet wird – einer von vielen, denn Modelle wie diese Plattform werden sich in den kommenden Jahren rasant vermehren.
Damit kleine und mittelständische Unternehmen nicht auf der Strecke bleiben, muss eine Transformation her – und zwar keine technische. Hier setzt die Verantwortung eines jeden Unternehmers, einer jeden Führungskraft an: Sie müssen ständig die Augen nach Veränderungen offen halten und abwägen, welche Auswirkungen sie auf das eigene Geschäftsmodell haben können. «Das geht mich nichts an. Das ist noch so weit weg.» – Solche Aussagen sind auch für kleine und mittelständische Unternehmen nicht mehr tragbar. Die Digitalisierung muss in den Köpfen aller ankommen. Es braucht einen Wandel des Mindsets. 
 

Veränderung des Mindsets 

Diese Veränderung des Mindsets ist sogar noch wichtiger als die Digitalisierung per se und mindestens genauso schwer. Denn erst wenn alle Mitarbeitenden und Führungskräfte bereit sind, sich laufend weiterzuentwickeln und neuen, unbekannten Herausforderungen zu stellen, kann die Transformation im Unternehmen gelingen. Und nur agile und dynamische Organisationen können die Basis für Innovation, Kreativität und Potenzialentwicklung von Mitarbeitern und Teams sein. Auch wenn diese sich auf unbekanntem Terrain bewegen: Zu Zeiten der Di­gitalisierung müssen Führungskräfte einfach irgendwo anfangen, den ersten Schritt gehen und dann schauen, wie es sich entwickelt.


Neue Nischen nutzen

Für Unternehmer gilt es nun umzudenken, das Businessmodell zu prüfen und Nischen clever zu nutzen. Was passiert beispielsweise mit den Millionen Tankstellen, wenn es nur noch Elektroautos gibt? Klar, dann muss von Zapfsäulen auf Ladestationen umgerüstet werden. Aber man muss eben auch bedenken, dass die Menschen dann nicht mehr in wenigen Minuten volltanken, sondern mindestens 30 Minuten an der Tankstelle verbringen, bis das Auto wieder genug Energie hat. Was macht der Fahrer in dieser Zeit? Wird die Tankstelle nun ein Ort der Begegnung mit einem gemütlichen Café? Gibt es einen Coworking Space? Egal, was aus den Tankstellen wird: Ihr Zweck muss geändert werden. Das ist alternativlos. Und zwar für die grossen Tankstellenketten ebenso wie für die kleine, familienbetriebene Tankstelle im Nachbarort. Wenn die Betroffenen das erkannt haben und diesen Sprung schaffen, erst dann haben sie ein transformiertes Unternehmen. Und nur als solches können sie einen Agilitätsgrad erreichen, der es ihnen ermöglicht, schneller zu navigieren und erfolgreicher zu wirtschaften. 

Die Schwächen der Riesen

Bei der kritischen Überprüfung des eigenen Businessmodells machen viele Unternehmen den Fehler, das Produkt infrage zu stellen. Meist ist es aber wichtiger, die Art und Weise, wie und wo es angeboten wird, zu überprüfen. Oftmals sind Führungskräfte von kleinen und mittelgros­sen Unternehmungen der Überzeugung, dass das, was die grossen Konzerne wie Google, Amazon und Co. machen, für sie nicht relevant sei, weil diese gros­sen Unternehmen eine andere Dimension darstellen würden, die sie ohnehin niemals erreichen könnten. Das stimmt nur zur Hälfte. Es stimmt, dass ein kleines oder mittleres Unternehmen nicht das gleiche Geschäftsmodell fahren kann wie die grossen, amerikanischen Konzerne. Und das muss es auch gar nicht. Was aber möglich und wichtig ist, ist der Blick auf ebendiese – nicht um zu kopieren, sondern um die Schwächen der Riesen zum eigenen Vorteil zu nutzen. 


Emotionen und Wir-Gefühl

Der Versandhandel Amazon ist hierfür ein gutes Beispiel: Dort kann man nahezu alles kaufen. Schnell und einfach. Es wäre sehr unklug, als KMU einen Onlinehandel zu eröffnen und zu glauben, mit Amazon konkurrieren zu können. Aber wer den Online-Versandhändler einmal genauer betrachtet, erkennt dort das Shopping als eine sehr emotionslose Sache. Ein paar Klicks und fertig. Doch genau hier setzen die Vorteile eines kleinen oder mittelgros­sen Unternehmens an, bei den Emotionen der Kunden. Kleine oder mittelständische Unternehmen haben viel bessere Möglichkeiten, über Emotionen eine Kundenbindung aufzubauen. Es ist leichter, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die Bedürfnisse herauszufinden und die entsprechende Dienstleistung anzubieten. «Cocooning» heisst hier das Zauberwort, das dabei automatisch in die Karten spielt: In unserer Gesellschaft besteht das Bedürfnis, sich wieder vermehrt mit Gleichgesinnten zu verbinden. Je mehr die Gesellschaft auseinandergerissen wird, je globaler die Welt wird, umso grös­ser wird der Wunsch, den Gemeinschaftsgedanken zu pflegen. Die Menschen wollen sich treffen, ein gemein­sames Erlebnis haben, das positive Emotionen weckt. 


Die grosse Stärke der KMU 

Wer zum Beispiel ein Küchenstudio oder einen kleinen Supermarkt betreibt, kann einen gemeinsamen Kochabend veranstalten. Alle, die Freude am Kochen, Interesse an einer neuen Küche haben und gutes Essen zu­berei­ten wollen, kommen und haben unmittelbar eine gemeinsame Basis. Gute Gespräche, Inspirationen, Gleichgesinnte treffen, ein Ort des Austauschs. Das sind Emotionen, und zwar positive. Genau die brauchen die Menschen und genau die kann ein Grosskonzern nicht liefern. Ein kleines, mittelständisches Unternehmen kann das sehr wohl.  

Das ist der grosse Benefit eines jeden mittelständischen Unternehmens: Es geht nicht darum, gegen die marktführenden Konzerne anzukämpfen, sondern das zu nutzen, was die nicht können. Und das sind unter anderem eben Emotionen. Für eine Businesstransformation ist also elementar: Die Businessmodelle, Organisationsstrukturen und Wertschöpfungsprozesse müssen den Bedürfnissen der Kunden angepasst werden. Dabei geht es nicht mehr um Veränderungen und Ablösungen, sondern um Vernetzungen und Neukombination. Aktivitäten, Objekte und Menschen werden künftig vernetzt, Daten auf neue Weise erzeugt und analysiert, Transformationen digitalisiert. So können KMU ihr bestehendes Angebot erheblich steigern und der Konkurrenz Paroli bieten.


Rühren statt verbrennen

Was aktuell im Rahmen von Work 4.0, der Digitalisierung, Blockchain, Peer-to-Peer und Co. entsteht, ist etwas noch nie Dagewesenes. Kaum jemand hat Erfahrung damit oder weiss gar, was sich in welche Richtung entwickeln wird. Viele Unternehmer wissen nicht, wo und wie sie dieses Abstraktum «Digitalisierung» konkret angehen sollen. 

Klar ist aber: Dieser erste schwere Schritt muss unbedingt gemacht werden. Ansonsten tritt schon bald das Kochtopf-Phänomen ein: Man merkt nicht, dass es heiss wird, bis das Essen verbrannt ist.

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