Digitalisierung & Transformation

Digitale Reife Schweizer KMU

Die relevanten Bereiche der digitalen Transformation

Was genau bedeuten die Begriffe «digitale Transformation» und «Digitalisierung» im Grundsatz, und wie weit sind Schweizer KMU-Betriebe diesbezüglich fortgeschritten? Die Ergebnisse einer Umfrage geben Antwort; die Autoren beschreiben die grössten Herausforderungen und leiten ein Reifegradmodell zur digitalen Transformation ab.
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Oftmals werden die beiden Begriffe «digitale Transformation» und «Digitalisierung» als Synonyme verstanden und verwendet – was so natürlich nicht ganz richtig ist.


Eine Begriffsklärung


Die Bedeutung des Begriffs Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Ursprünglich stand Digitalisierung für Technologien, um aus analogen Medien (Dokumente, Bilder etc.) digitale Dateien zu erstellen. Heute ist der Begriff wesentlich weiter gefasst. Digitalisierung bezeichnet generell den Wandel von analogen zu digitalen Daten/Prozessen sowie die Technologien und Geräte, die zum Managen dieser Prozesse notwendig sind. Im Optimalfall laufen schlussendlich die Arbeiten und Prozesse vollständig digital, ohne Medienbrüche und in einem hohen Mass an Automatisierung ab.

Die digitale Transformation dagegen steht als Begriff für alle Veränderungen, welche durch neue digitale Technologien ausgelöst werden. Im Besonderen auch Unternehmen, welche sich auf neue Verhaltensweisen und Bedürfnisse ihrer Kunden, Lieferanten und Mitarbeitenden ausrichten müssen. Digitale Transformation ist deshalb nicht als isoliertes Projekt anzusehen, sondern vielmehr als Teil der Unternehmensstrategie und der gelebten Unternehmenskultur. Der Ausdruck «digitale Transformation» ist eher negativ behaftet, was jedoch nicht gerechtfertigt ist. Transformation ist im Grundsatz etwas sehr Spannendes – und Unternehmen transformieren sich schon seit Jahrhunderten – nun erfolgt die Transformation einfach in digitaler Form und etwas schneller als bisher.


Digitaler Reifegrad von KMU


Digitale Transformation und auch Digi­talisierung sind bei Grossfirmen in der Regel schon fortgeschritten und zu einem ansprechenden Teil implementiert. Es ist sozusagen normal geworden. Spannend ist nun aber zu analysieren, wie weit die Schweizer KMU-Landschaft hinsichtlich digitaler Transformation und Digitalisierung entwickelt ist. Das Treuhand-Unternehmen Balmer-Etienne AG hat betreffend digitale Reife eine Befragung bei verschiedenen Firmen im KMU-Bereich bezüglich des aktuellen und des gewünschten Stands durchgeführt.

Als Resultat konnte ein Reifegradmodell zur digitalen Transformation erstellt werden. Dieses Modell zeigt die vier relevanten Bereiche der digitalen Transformation: Geschäftsmodell (Innovationen), Strategie (Digital Business / Transformation), Unternehmenskultur (vernetzt, digital, flexibel) und Change Management (Engagement, Beteiligung). Die Resultate der Befragung sind konsolidiert im Reifegradmodell (Abbildung 1) aufgezeigt. Die schwarzen Linien im Reifegradmodell geben den aktuellen Stand (Ist) der befragten Unternehmen hinsichtlich digitaler Transformation wieder, die Linien in Pink zeigen die Wunschvorstellung (Soll). Die Lücke zwischen Ist und Soll macht deutlich, dass viele KMU-Firmen an der Digitalisierung arbeiten, jedoch noch einiges an Handlungsbedarf besteht. Das Soll ist noch lange nicht erreicht.


Grösste Herausforderungen


Die meistgenannten Herausforderungen bei der Befragung von Balmer-Etienne AG waren der Faktor Zeit, das fehlende Fachwissen sowie der Veränderungswille in der Organisation. Diese Erkenntnisse zeigen sich sehr ähnlich wie jene der Studie von «Digital Switzerland», welche im Jahr 2018 mit über 1000 Schweizer Unternehmen durchgeführt wurde. In dieser Studie bezeichnen sich sage und schreibe 85 Prozent der befragten Unternehmen selbst als «digitale Dinosaurier», was doch etwas beunruhigend ist. Weiter werden fehlendes Interesse des Managements, die regulatorischen Vorgaben und die gesetzliche Unsicherheit als wesentliche Herausforderungen genannt.

Damit Unternehmen erfolgreich die digitale Transformation meistern, ist zwingend eine vertiefte Auseinandersetzung betreffend die Erwartungshaltung der verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) vorzunehmen. Es nützt nichts, wenn hochpreisige und technisch anspruchsvolle IT-Tools, ERP-Lösungen und IT-Einrichtungen angeschafft werden, ohne dass vorher das Geschäftsmodell und die Strategie im Detail geklärt sind.
 
An Beispielen wie Uber lässt sich ableiten, dass unter anderem mit der Digitalisierung neue Geschäftsmodelle und somit auch neue Geschäftsmöglichkeiten entstehen. Zudem müssen alle zentralen Prozesse aufgelistet und auf die definierten Rahmenbedingungen angepasst werden.


Fehlender Veränderungswille


All dies setzt den Faktor Zeit voraus und Zeit ist bekanntlich ein rares Gut. Eine erfolgreiche Umsetzung der digitalen Trans­formation setzt somit auch ein optimales Projektmanagement voraus, sodass die zeitlichen, kostenmässigen und inhaltlichen Vorgaben geplant, überprüft und eingehalten werden können.

Fehlender Veränderungswille innerhalb der Unternehmung wird wie erwähnt als eine der Haupthürden bei der erfolgreichen Bewältigung der digitalen Transformation erwähnt. Wie diese Hürde überwunden werden kann, hängt letztlich immer von der Zusammensetzung von Charaktereigenschaften der Mitarbeitenden, Führungspersonen und der Art der Organisation ab.

Es sind durchaus praktische Möglichkeiten vorhanden, den fehlenden Veränderungswillen einzudämmen und die Mo­tivation für die digitale Transformation innerhalb der Einheit zu steigern. Der Weg ist das Ziel und eine Veränderung entsteht nicht einfach über Nacht. Es braucht Zeit, Beharrlichkeit und einen guten Mix an Informationen, Einbindung der betroffenen Personen und eine angemessene Provokation.

Mit folgenden Beispielen lässt sich die Veränderungskultur einer Organisation positiv beeinflussen:

  • Regelmässig Beispiele von analogen oder ineffizienten Abläufen mit Fakten wie Zeitaufwand oder Kosten aufzeigen: Dies kann ein Umdenken anregen und die Bereitschaft erhöhen, Prozesse zu standardisieren und zu digitalisieren;
  • Führungspersonen müssen mit gutem Vorbild vorangehen: Die Umsetzung für die digitale Transformation kann delegiert werden – nicht aber deren Initiierung. Zudem ist die digitale Haltung auch tagtäglich zu leben. Es sollen entsprechende Plattformen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, in welchen betroffene Mitarbeitende Verbesserungsvorschläge einbringen können;
  • Anwendung der Fünf-W-Regel (Was /Wer / Wo oder Wie / Wieso / Wann): Indem die Einheit regelmässig und transparent über entsprechende Veränderungen informiert wird, schafft dies Transparenz und Vertrauen, was für Mitarbeitende sehr wichtig ist. Insbesondere die Sinnfrage oder das Wieso ist den Mitarbeitenden zu vermitteln.


Fazit


Digitale Transformation ist kein Zauberwerk. Es braucht dazu aber Mut, Neues anzugehen, ein strukturiertes Vorgehen und in der Umsetzung Durchhaltevermögen. Unerwartete Ereignisse und Rückschläge sind normal und solche Situa­tionen sind auch wichtig, sodass der definierte Weg laufend reflektiert wird. In Abbildung 2 ist mit Checkpunkten erwähnt, wie die digitale Transformation angegangen werden kann. Der Weg ist das Ziel und wenn Firmen diesen Weg nicht selber gehen können, dann sollte externe Unterstützung dafür gesucht werden. Ein schrittweises Vorgehen ist empfehlenswert, denn zu viel auf einmal kann das Vorhaben überhitzen und ein Projekt abwürgen. Empfehlenswert ist auch, immer wieder sogenannte Quick  Wins einzubauen, sodass die Motivation aufrechterhalten werden kann.

Mit der digitalen Transformation drängen sich organisatorische Veränderungen auf, bestehende Positionen können durch andere Positionen und Stellenprofile ersetzt werden. Arbeitsbedingungen, Arbeitsplätze und Kommunikation verändern sich innerhalb von Einheiten. Dies muss nicht gleichbedeutend sein mit einem Stellenabbau, sondern vielmehr mit einer Bedarfsermittlung und allenfalls auch -veränderung.

Eine Neuausrichtung der persönlichen oder firmenweiten Mentalität ist zwingend und setzt ein Change Management voraus, welches versucht, Strategien, Geschäftsmodelle, Mitarbeitende, Kunden und Lieferanten auf diese veränderten Rahmenbedingungen umzustellen. Trans­formation ist Knochenarbeit und steter Tropfen höhlt den Stein.

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