Digitalisierung & Transformation

Studie Human Resource Management

Die Herausforderungen für die Personalentwicklung

Im Prozess der digitalen Transformation steht die Personalentwicklung vor zwei Herausforderungen: Sie muss den Veränderungsprozess im Unternehmen begleiten und zugleich sich selbst wandeln. Das bereitet ihr in der Praxis oft Probleme.
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Die digitale Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gang. Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Prozess in den Unternehmen die Personalentwicklung. 

Die Herausforderungen

Sie steht dabei parallel vor zwei Herausforderungen: 

  • Zum einen muss sie diesen bereichs- und funktionsübergreifenden Change- beziehungsweise Transformationsprozess in den Unternehmen mit entsprechenden Qualifizierungs- und Ent­wicklungsangeboten begleiten und 
  • zum anderen ihr eigenes Leistungsspektrum und -portfolio mittels der modernen Informations- und Kommunikationstechnik so umgestalten, dass dies den Erfordernissen im digitalen Zeitalter sowie der angestrebten Lern- und Unternehmenskultur entspricht. 

Diese janusköpfige Herausforderung zu meistern, ist nicht leicht – unter anderem,
 

  • weil der Prozess der digitalen Transformation ein fortlaufender ist, bei dem sehr viele, auch externe Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind, weshalb ein agiles, iteratives Vorgehen nötig ist,
  • weil die Personalentwicklung als fir­men­interner Dienstleister beim Bewältigen dieser Herausforderung auf die Kooperation der anderen Unternehmensbereiche und deren Support angewiesen ist und
  • weil das Bewältigen der genannten Aufgaben teils auch ein anderes Selbstverständnis sowie eine andere Form der Arbeit der Personalentwicklung erfordert.

Die Personalentwicklung muss sozusagen den digitalen Transformationsprozess auch selbst vollziehen und ihr bisheriges Denken und Handeln auf den Prüfstand stellen sowie dieses bei Bedarf im Dialog mit den anderen Unternehmensbereichen neu justieren.

Die Studie

Vor diesem Hintergrund führte das Machwürth Team die Studie «Digitale Transformation als Herausforderung in der Personalentwicklung» durch, mit dem Ziel zu ermitteln: In welchem Entwicklungsstadium befindet sich die Personalentwicklung in den Unternehmen aktuell bezüglich der Herausforderung,

  • den digitalen Transformationsprozess in der Organisation aktiv mitzugestalten und 
  • zugleich sich selbst zu wandeln? 

An der Online-Befragung nahmen 145 HR-Manager und -Experten von Produktions- und Dienstleistungsunternehmen aus Deutschland teil. Sie beantworteten einen aus 14 Fragen bestehenden Fragenkatalog, die zum Teil mehrere Antworten zuliessen. Zwei Drittel der befragten Unternehmen beschäftigen mehr als 500 Mitarbeiter. Ansonsten handelt es sich um Klein- und Mittelunternehmen, sogenannte KMU, mit 50 bis 500 Mitarbeitern.

Ganz am Anfang

Die Befragung der HR-Manager ergab unter anderem: Bezogen auf ihren Status im digitalen Transformationsprozess stufen sich 36 Prozent der befragten Unternehmen als noch ganz am Anfang stehend ein. Das heisst, sie nutzen zwar
bereits zum Teil die moderne Informations- und Kommunikationstechnik – wie faktisch alle Unternehmen – zum Lösen gewisser Aufgaben. Hierbei handelt es sich jedoch weitgehend um Insellösungen. 

Das bedeutet: Sowohl die Geschäftsmodelle als auch -prozesse der Unternehmen wurden bisher weder daraufhin überprüft, inwieweit sie den Erforder­nissen des digitalen Zeitalters entsprechen, noch – sofern nötig – entsprechend umge­staltet. Zudem ist noch nicht bereichs- und funktionsübergreifend in den Köpfen verankert, dass sich aktuell ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaft vollzieht, der zumindest mittel- und langfristig eine andere Form der (Zusammen-)Arbeit in den Unternehmen erfordert. 

56 Prozent der Befragten betonten, dieser Prozess sei in ihrer Organisation bereits in Gang – darunter auffallend viele Unternehmen aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau sowie der Finanzwirtschaft. Nur vier Prozent der Unternehmen stuften sich jedoch selbst als «Digital Leader» ein, die zum Beispiel in ihrer Branche Trends setzen. 

Gap zwischen Bedarf und Tun

Dessen ungeachtet erachten die Befragten jedoch branchenübergreifend das Thema «Digitale Transformation» zumeist grundsätzlich als wichtig beziehungsweise sehr wichtig. Hierbei lässt sich jedoch ein Zusammenhang mit der Unternehmensgrösse feststellen: Während viele KMU das Thema noch als «Zukunftsthema» einstufen, betont die überwiegende Mehrheit der Vertreter der grös­seren Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, das Thema sei sehr wichtig. 

Dies gilt selbst dann, wenn die befragten HR-Manager ihr Unternehmen so einschätzen, dass es mit dem Prozess der digitalen Transformation noch nicht begonnen hat. Das heisst, in den Augen vieler HR-Manager klafft eine grosse Lücke zwischen dem Changebedarf, der in ihrem Unternehmen zumindest mittel- und langfristig besteht, und den Aktivitäten, die es in diesem Bereich entfaltet.

Als am weitesten fortgeschritten in diesem Prozess erachten die Befragten in ihrer Organisation den Kundenservice (38 Prozent) und den Vertrieb (32 Prozent). An dritter Stelle folgt jedoch unmittelbar der Bereich Personalmanage­ment/-verwaltung mit 31 Prozent.

Treiber der Veränderung

Dies legt die Vermutung nahe: Die Personalbereiche in den Unternehmen und somit auch deren Personalentwicklung zählen – zumindest bezogen auf den Mindset – durchaus zu den Treibern der Veränderung. Sie stossen dabei jedoch auf organisationale Hindernisse, die wahrscheinlich ihre Wurzeln auch im Qualifikations- und Kompetenzprofil der Personalentwickler haben. 

Diese Vermutung wird dadurch bestärkt, dass von den Befragungsteilnehmern nur 13 Prozent angaben, für die digitale Transformation gebe es in der Personalent­wicklung in ihrem Unternehmen bereits Spe­zialisten. 19 Prozent betonten, sie seien gerade dabei, solche Spezialisten in ihrer Organisation zu implementieren. Das heisst, den Personalentwicklern ist durchaus bewusst, dass ihr Bereich teilweise neue Kompetenzen unter anderem im Digitalbereich braucht, wenn er seine Funktion in der Organisation auch künftig professionell erfüllen und beispielsweise bereichsübergreifend Lernarchitekturen implementieren möchte, die den Mitarbeitern ein eigenständiges und -verantwortliches Lernen je nach Bedarf ermöglichen.

Nutzen des digitalen Lernens 

Dieser Befund wird dadurch erhärtet, dass das Gros der befragten HR-Manager überzeugt ist: Alle Zielgruppen im Unternehmen könnten von einem digitalen Lernen profitieren (56 Prozent). Als besonders gross erachten viele Befragte den Benefit digitaler Lernlandschaften jedoch für die Auszubildenden (27 Prozent), die Führungskräfte (25 Prozent) und die Mitarbeiter im Service und Vertrieb mit direktem Kundenkontakt (23 Prozent). 

Generell sind die HR-Manager überzeugt: Alle digitalen Lernformen und -verfahren gewinnen künftig an Bedeutung. Dabei sehen sie die Zukunft jedoch weniger in der Einführung einzelner Lerntools, sondern von vernetzten Systemen. So sagen zum Beispiel 66 Prozent der Befragten den digitalen Lernwelten (also Portalen mit Lernnuggets wie Videos, Podcasts, Apps für ein eigenverantwortliches Lernen nach Bedarf) einen sehr grossen Bedeutungszuwachs voraus; ausserdem 
64 Prozent den E-Learning-Programmen, die den Wissenserwerb und Lernerfolg zum Beispiel mit Tests evaluieren. Virtual- und Augmented-Reality-Verfahren stehen die meisten Personaler – ausser in der Automobilbranche und im Maschinenbau sowie in der Finanzwirtschaft – jedoch noch eher abwartend-skeptisch gegenüber: aufgrund des aktuellen technologischen Entwicklungsstands und weil entsprechende Problemlösungen noch sehr teuer sind. Dies dürfte sich jedoch in naher Zukunft ändern. Aktuell beschäftigen sich die meisten Personalentwicklungsbereiche vor allem mit solchen Lerntools wie Online-Trainings und Webinaren (72 Prozent) sowie Wissenstests (68 Prozent) – primär zur Vermittlung von Fach- und Sachinhalten. 50 Prozent der Unternehmen, insbesondere die grösseren, nutzen jedoch bereits eine Lernplattform bzw. ein Learning Management System (LMS) zum Bereitstellen von Lerninhalten und Organisieren von Lernprozessen.

Blended Learning präferiert

Allgemein lässt sich konstatieren: Die HR-Experten in den Unternehmen sehen die Chancen, die die digitale Transformation der Personalentwicklung bietet. Sie sind ausserdem bereit, die moderne Kommunikations- und Informationstechnik für die Weiterentwicklung ihrer Personalentwicklungskonzepte und Qualifizierungsmassnahmen zu nutzen. Sie erachten das Online-Lernen jedoch nicht als die Lösung aller Probleme. 

So fällt zum Beispiel auf, dass die Per­sonalentwickler Blended-Learning-Ansätze, die das Online-Lernen mit einem Lernen in Präsenz-Veranstaltungen verknüpfen, inzwischen nahezu ausnahmslos sehr positiv bewerten. Fast 80 Prozent der Befragten stimmen zum Bei­spiel der Aussage zu «Blended-Learning-Ansätze fördern das eigenverantwortliche Lernen» und 85 Prozent halten sie für einen erfolgsträchtigen Weg, um ein «nachhaltiges personales und organisationales Lernen» zu ermöglichen. Zudem erachten fast 60 Prozent sie als kostengünstig. 

Dieser breite Konsens ist gewiss auch der Tatsache geschuldet, dass es inzwischen einfache Tools gibt, um digitale und analoge Lernformen zu kombinieren. Hinzu kommt jedoch: Viele Schlüssel­positionen in den Unternehmen haben heute bereits sogenannte «Digital Natives» inne, die der modernen Informations- und Kommunikationstechnik sehr offen gegenüberstehen und diese auch bei ihrer Alltagsarbeit zum Beispiel im Rahmen von Projekten ganz selbstverständlich nutzen. Von ihnen wird die Personalentwicklung zunehmend mit der Erwartung konfrontiert, diese in ihren Augen bewährte Technik auch im Rahmen der betrieblichen Qualifizierungsmassnahmen zu nutzen. 

Dort stösst diese Erwartungshaltung auch deshalb immer mehr auf eine po­sitive Resonanz, weil sich auch in den Personalentwicklungsbereichen schon weitgehend ein Generationswechsel vollzogen hat: Auch dort haben zunehmend Digital Natives das Sagen.

HR-Bereiche brauchen Support 

Dessen ungeachtet bleibt aus Sicht der Befragten eine zentrale Hürde im Prozess der digitalen Transformation der Per­sonalentwicklung in den Unternehmen jedoch der interne Kompetenzaufbau. So mangelt es zum Beispiel oft noch an der nötigen digitalen Beratungskompetenz für die Zielgruppen (46 Prozent). Dies dürfte zum Teil auch daran liegen, dass in der Personalentwicklung der Unternehmen auch heute noch recht wenige Personen arbeiten, die aufgrund ihrer Erstausbildung ein profundes IT- bzw. allgemein Technik-Know-how haben. Das kann ausser zu Problemen bei der Umsetzung auch zu Akzeptanzproblemen im Dialog zum Beispiel mit den IT-, Produktions- und F&E-Bereichen führen, wenn es um solche Themen wie computer- und netzgestütztes Lernen geht.

Zumindest fehlen den Personalentwicklungsbereichen häufig die nötigen per­sonellen Ressourcen zum Gestalten des Transformationsprozesses – unter anderem, weil das Entwickeln und Implementieren von digitalen Lernangeboten zeitaufwendig ist (45 Prozent). Daneben konstatieren die HR-Manager Defizite in der Zusammenarbeit mit der IT, wenn es darum geht, die Voraussetzungen für das Implementieren und die effektive Nutzung der digitalen Lernmöglichkeiten im Unternehmen zu schaffen (51 Prozent). Hier sind seitens der Unternehmens­leitungen, sofern sie wünschen, dass der Prozess der digitalen Transformation voranschreitet, auch die entsprechenden Grundsatz- bzw. Investitionsentscheidungen nötig. 

Freiräume für digitales Lernen 

Dabei darf man jedoch nicht die Illusion hegen, durch das Schaffen der erforderlichen technischen Infrastruktur sei ein weiteres gravierendes Problem gelöst, das die Personalentwickler konstatieren: Die Adressanten im Unternehmen haben oft noch Schwierigkeiten, das digitale Lernen in ihren Arbeitsalltag zu integrieren – weil es in ihm meist (scheinbar) Wichtigeres und Dringlicheres zu tun gibt (52 Prozent).

Dies zeigt: Wenn die Personalentwicklung in den Unternehmen sich so verändern soll, dass sie die mit der digitalen Transformation der Unternehmen verknüpften Change- und Lernprozesse adäquat begleitet, ist nicht nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den HR- und IT-Bereichen nötig. Es gilt auch die Organisation der (Zusammen-)Arbeit zu reflektieren und diese so zu strukturieren, dass den Mitarbeitern nicht nur die erforderliche Infrastruktur zum Online-Lernen zur Verfügung gestellt wird, sondern das Lernen auch real, im Sinne der an­gestrebten neuen Lernkultur erfolgt.

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