Gap zwischen Bedarf und Tun
Dessen ungeachtet erachten die Befragten jedoch branchenübergreifend das Thema «Digitale Transformation» zumeist grundsätzlich als wichtig beziehungsweise sehr wichtig. Hierbei lässt sich jedoch ein Zusammenhang mit der Unternehmensgrösse feststellen: Während viele KMU das Thema noch als «Zukunftsthema» einstufen, betont die überwiegende Mehrheit der Vertreter der grösseren Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, das Thema sei sehr wichtig.
Dies gilt selbst dann, wenn die befragten HR-Manager ihr Unternehmen so einschätzen, dass es mit dem Prozess der digitalen Transformation noch nicht begonnen hat. Das heisst, in den Augen vieler HR-Manager klafft eine grosse Lücke zwischen dem Changebedarf, der in ihrem Unternehmen zumindest mittel- und langfristig besteht, und den Aktivitäten, die es in diesem Bereich entfaltet.
Als am weitesten fortgeschritten in diesem Prozess erachten die Befragten in ihrer Organisation den Kundenservice (38 Prozent) und den Vertrieb (32 Prozent). An dritter Stelle folgt jedoch unmittelbar der Bereich Personalmanagement/-verwaltung mit 31 Prozent.
Treiber der Veränderung
Dies legt die Vermutung nahe: Die Personalbereiche in den Unternehmen und somit auch deren Personalentwicklung zählen – zumindest bezogen auf den Mindset – durchaus zu den Treibern der Veränderung. Sie stossen dabei jedoch auf organisationale Hindernisse, die wahrscheinlich ihre Wurzeln auch im Qualifikations- und Kompetenzprofil der Personalentwickler haben.
Diese Vermutung wird dadurch bestärkt, dass von den Befragungsteilnehmern nur 13 Prozent angaben, für die digitale Transformation gebe es in der Personalentwicklung in ihrem Unternehmen bereits Spezialisten. 19 Prozent betonten, sie seien gerade dabei, solche Spezialisten in ihrer Organisation zu implementieren. Das heisst, den Personalentwicklern ist durchaus bewusst, dass ihr Bereich teilweise neue Kompetenzen unter anderem im Digitalbereich braucht, wenn er seine Funktion in der Organisation auch künftig professionell erfüllen und beispielsweise bereichsübergreifend Lernarchitekturen implementieren möchte, die den Mitarbeitern ein eigenständiges und -verantwortliches Lernen je nach Bedarf ermöglichen.
Nutzen des digitalen Lernens
Dieser Befund wird dadurch erhärtet, dass das Gros der befragten HR-Manager überzeugt ist: Alle Zielgruppen im Unternehmen könnten von einem digitalen Lernen profitieren (56 Prozent). Als besonders gross erachten viele Befragte den Benefit digitaler Lernlandschaften jedoch für die Auszubildenden (27 Prozent), die Führungskräfte (25 Prozent) und die Mitarbeiter im Service und Vertrieb mit direktem Kundenkontakt (23 Prozent).
Generell sind die HR-Manager überzeugt: Alle digitalen Lernformen und -verfahren gewinnen künftig an Bedeutung. Dabei sehen sie die Zukunft jedoch weniger in der Einführung einzelner Lerntools, sondern von vernetzten Systemen. So sagen zum Beispiel 66 Prozent der Befragten den digitalen Lernwelten (also Portalen mit Lernnuggets wie Videos, Podcasts, Apps für ein eigenverantwortliches Lernen nach Bedarf) einen sehr grossen Bedeutungszuwachs voraus; ausserdem
64 Prozent den E-Learning-Programmen, die den Wissenserwerb und Lernerfolg zum Beispiel mit Tests evaluieren. Virtual- und Augmented-Reality-Verfahren stehen die meisten Personaler – ausser in der Automobilbranche und im Maschinenbau sowie in der Finanzwirtschaft – jedoch noch eher abwartend-skeptisch gegenüber: aufgrund des aktuellen technologischen Entwicklungsstands und weil entsprechende Problemlösungen noch sehr teuer sind. Dies dürfte sich jedoch in naher Zukunft ändern. Aktuell beschäftigen sich die meisten Personalentwicklungsbereiche vor allem mit solchen Lerntools wie Online-Trainings und Webinaren (72 Prozent) sowie Wissenstests (68 Prozent) – primär zur Vermittlung von Fach- und Sachinhalten. 50 Prozent der Unternehmen, insbesondere die grösseren, nutzen jedoch bereits eine Lernplattform bzw. ein Learning Management System (LMS) zum Bereitstellen von Lerninhalten und Organisieren von Lernprozessen.
Blended Learning präferiert
Allgemein lässt sich konstatieren: Die HR-Experten in den Unternehmen sehen die Chancen, die die digitale Transformation der Personalentwicklung bietet. Sie sind ausserdem bereit, die moderne Kommunikations- und Informationstechnik für die Weiterentwicklung ihrer Personalentwicklungskonzepte und Qualifizierungsmassnahmen zu nutzen. Sie erachten das Online-Lernen jedoch nicht als die Lösung aller Probleme.
So fällt zum Beispiel auf, dass die Personalentwickler Blended-Learning-Ansätze, die das Online-Lernen mit einem Lernen in Präsenz-Veranstaltungen verknüpfen, inzwischen nahezu ausnahmslos sehr positiv bewerten. Fast 80 Prozent der Befragten stimmen zum Beispiel der Aussage zu «Blended-Learning-Ansätze fördern das eigenverantwortliche Lernen» und 85 Prozent halten sie für einen erfolgsträchtigen Weg, um ein «nachhaltiges personales und organisationales Lernen» zu ermöglichen. Zudem erachten fast 60 Prozent sie als kostengünstig.
Dieser breite Konsens ist gewiss auch der Tatsache geschuldet, dass es inzwischen einfache Tools gibt, um digitale und analoge Lernformen zu kombinieren. Hinzu kommt jedoch: Viele Schlüsselpositionen in den Unternehmen haben heute bereits sogenannte «Digital Natives» inne, die der modernen Informations- und Kommunikationstechnik sehr offen gegenüberstehen und diese auch bei ihrer Alltagsarbeit zum Beispiel im Rahmen von Projekten ganz selbstverständlich nutzen. Von ihnen wird die Personalentwicklung zunehmend mit der Erwartung konfrontiert, diese in ihren Augen bewährte Technik auch im Rahmen der betrieblichen Qualifizierungsmassnahmen zu nutzen.
Dort stösst diese Erwartungshaltung auch deshalb immer mehr auf eine positive Resonanz, weil sich auch in den Personalentwicklungsbereichen schon weitgehend ein Generationswechsel vollzogen hat: Auch dort haben zunehmend Digital Natives das Sagen.