Digitalisierung & Transformation

Umfrage: digitale Kompetenz

Die Digitalisierung ist bei den Verwaltungsräten angekommen

Hatten noch vor ein paar Jahren einige Patrons die Digitalisierung als Hype abgetan, scheint das Thema auch in den Leitungsgremien von KMU angekommen zu sein. Das bestätigt eine Befragung und zeigt, dass in nur ganz wenigen Verwaltungsräten die Digitalisierung noch keine Rolle spielt; bei den meisten KMU gehört heute die Digitalisierung auf die Agenda.
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Die Digitalisierung wird auch in Zu­kunft für Schlagzeilen sorgen. Aber wohin geht die Reise? In letzter Zeit mehrten sich auch kritische Berichte – Machbarkeit, Nutzen und Kosten von gross angekündigten Projekten werden infrage gestellt. So scheint Beispielsweise die Blockchain-Technologie noch nicht so weit zu sein, dass man sie grossflächig und effizient einsetzen kann. Auch beim E-Voting wird kräftig auf die Bremse gedrückt und das als Konkurrenz zu Amazon gestartete Schweizer Projekt «Siroop» wurde nach zwei Jahren bereits wieder eingestellt und wie man hört, mussten rund 140 Millionen abgeschrieben werden.

Ungewisse Reise

Die Beispiele zeigen, dass die Digitali­sierung voller Hürden sein kann, und wohin die digitale Reise geht, ist schwer vorhersehbar. Aus unternehmerischer Sicht geht es darum, Chancen, aber auch Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und sich auf die digitale Transformation einzulassen, sie zu verstehen und in Zu­sammenhang mit dem eigenen Unternehmen zu bringen.

Die digitale Transformation ist eine Reise des heutigen Unternehmens in die di­gitale Zukunft. Die Reise ist dabei aber kein Charterflug von A nach B mit einem Aufenthalt im Fünf-Sterne-Hotel, und das noch all inclusive. Es ist vielmehr mit der Besiedlung von Nordamerika zu vergleichen. Mit der Fahrt der Siedler nach Westen. Vieles war ihnen noch unbekannt, und die Reise war lang und abenteuerlich. Viele Siedler wussten nicht so genau, was sie im Westen erwarten würde. Daher war die Vorbereitung und die Planung der Reise von zentraler Bedeutung. Es ging darum, die richtige Ausrüstung zu organisieren sowie genügend Proviant mitzunehmen. 

Das genaue Ziel, wohin die Reise gehen sollte, war oftmals nicht so klar. Viele Siedler zogen los und liessen sich dort nieder, wo es ihnen gefiel. Für die digitale Reise heisst das, dass nicht primär das Endziel im Fokus stehen sollte, sondern die Möglichkeiten, die sich auf der Reise ergeben könnten. Dazu braucht es eine gute Reisevorbereitung.

Konzerne oder grössere Unternehmen verfügen heute über einen Chief Digital Officer (CDO), der sich genau dieser Themen annimmt und mit seinem Team die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat auf dem Weg in die digitale Zukunft begleitet. KMU haben selten die Ressourcen für einen CDO. Daher ist es für sie wichtig, dass die Fragen zur digitalen Zukunft direkt durch die Geschäftsführung oder den Verwaltungsrat angegangen werden. 

Ergebnisse der Befragung

«The Rainmaker Corporation» hat in einer Online-Befragung Leitungsgremien von KMU zum Umgang mit der Digitalisierung befragt. Die Mehrheit der Befragten ist als Geschäftsleiter oder Verwaltungsrat in klassischen Gewerbe- und Industriebetrieben oder Dienstleistungsunternehmen tätig.

  • Die befragten Führungspersönlichkeiten bringen den Betriff digitale Transformation vor allem mit Fortschritt, Vereinfachung, Schnelligkeit und Effizienz in Verbindung. Sie erwarten, dass Arbeits- und Produktionsprozesse vereinfacht und bestehende Berufsbilder verschwinden werden. 
  • Das Thema hat für die überwiegende Mehrheit der Befragten heute schon eine grosse bis sehr grosse Relevanz. Der Verwaltungsrat der Unternehmen beschäftigt sich regelmässig mit dem Thema – bei einigen Unternehmen steht das Thema «Digitalisierung» immer auf der Agenda von VR-Sitzungen. Nur eine kleine Minderheit ist der Überzeugung, dass die Thematik heute für den Verwaltungsrat noch keine Rolle spielt.
  • ​Dass die Digitalisierung ein Megatrend ist, darüber herrscht heute auch in KMU Einigkeit. Viele Führungskräfte teilen die Meinung, dass grosse Veränderungen auf die eigene Branche zukommen. Und wer frühzeitig die Chancen der Digitalisierung erkenne, sich Wettbewerbsvorteile verschaffen könne. Nur ganz wenige Befragte vertraten den Standpunkt, dass sich durch die Digi­talisierung in den nächsten Jahren in ihrer Branche wenig ändern werde. Niemand vertritt mehr die Meinung, dass die Digitalisierung nur ein Medienhype sei und dass sich das Thema wieder legen werde. 
  • Die Befragten wurden auch nach den Herausforderungen befragt, die sie für ihr Unternehmen beziehungsweise ihre Branche im Zusammenhang mit der Digitalisierung sehen. Viele Befragte äusserten sich dahingehend, dass die digitale Transformation ein ganz neues Know-how brauche, um die Heraus­forderungen strukturiert angehen zu können. Ebenfalls häufig bestätigt wurde die These, dass die Digi­talisierung und die neuen Technologien zum Beispiel zur Automatisierung rasch mit hohen Investitionen verbunden seien. Die Themen seien komplex und es fehle an der notwendigen Zeit, um sich damit vertieft auseinanderzusetzen. Des Weiteren wurden die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter, der Gene­rationenkonflikt oder die Bedrohung durch einen Internetgiganten oder einen grösseren Konkurrenten als Herausforderung gesehen.
  • Bezüglich der Zukunft in zwei bis drei Jahren äusserte eine Mehrheit, dass im eigenen Unternehmen mehr Prozesse als heute digitalisiert beziehungsweise automatisiert sein würden. Ein Teil der Befragten plant, die Digitalisierung mittels externer Unterstützung voranzutreiben oder eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Nur wenige können sich vorstellen, einen Digital Officer im Unternehmen zu haben.

Fazit: Die Befragung, aber auch die Erfahrung des Autors zeigt, dass die Digitali­sierung auf die Agenda von Verwaltungsratssitzungen gehört. Das Thema kann rasch komplex werden und verlangt Pioniergeist. Damit die Investitionen in Digitalisierung nicht aus dem Ruder laufen und der Kosten-Nutzen-Aspekt im Auge behalten wird, braucht es für die Digi­talisierung ein strategisches Vorgehen und die notwendige Kompetenz im Ver­waltungsrat von KMU. 

Digitale Kompetenz erhöhen

Um die digitale Kompetenz im Unternehmen und im Verwaltungsrat zu erhöhen, gibt es neben Büchern und Schulungen viele Möglichkeiten. Die einfachste ist, sich mit den Erfolgsfaktoren von digi­talen Leadern auseinanderzusetzen – «learning from the best». Dazu muss man sich nicht mit den viel zitierten globalen Playern wie Uber, Google oder Apple beschäftigen, sondern am besten mit den eigenen Konkurrenten oder branchennahen Unternehmen. 

Jedes Unternehmen ist anders, aber die Erfolgsfaktoren von erfolgreichen Firmen sind auch heute noch die gleichen. Das hat auch die KMU-Studie «Swiss Champions 2017» von Pricewaterhouse Coopers (PwC) bestätigt. Die DNA der «Champions» umfasst gemäss PwC auch im Digitalzeitalter starke Unternehmerpersönlichkeiten, Krisenresistenz, die globale Ausrichtung, Innovation sowie eine Fokussierung auf eine Nische. Eine laufende und systematische Markt- und Konkurrenzanalyse ist also eine gut geeignete Möglichkeit, sich mehr digitale Kompetenz zu verschaffen.

Eine weitere Möglichkeit ist eine kri­tische Überprüfung des heutigen und zukünftigen Geschäftsmodells des Unternehmens. Ein gutes Hilfsmittel stellt dabei das «Business Model Canvas» dar. Es wurde von Alexander Osterwalder entwickelt und beschreibt das Geschäftsmodell eines Unternehmens in neun Bausteinen. Damit lassen sich neue und bestehende Geschäftsmodelle analysieren und einfach darstellen.

Die Geschäftsmodellentwicklung kann ein sehr kreativer Prozess sein, bei dem man möglichst auch wichtige Know-how-Träger im Unternehmer einbindet. Vielleicht haben Sie ja im Unternehmen absolute digitale Champions und wissen das aber nicht. Ebenfalls hilfreich ist, wenn man sich in diesem Prozess von den Kunden den Spiegel vorhalten lässt und die Kunden über das Unternehmen und die heutige und zukünftige Leistungserbringung befragt. 

Die Weiterentwicklung eines Geschäftsmodells für die digitale Zukunft ist ein Prozess und kein Projekt mit Start- und Enddatum. Wichtig ist, dass man damit anfängt und das Ganze sukzessive weiterentwickelt. Ein innovatives neues Geschäftsmodell entsteht nicht von heute auf morgen. Dazu braucht es eine Kreativ- und Innovationskultur. Der Prozess soll motivieren und kein Zwang sein, Papier auszufüllen. Nehmen Sie sich Zeit und definieren Sie sich klare Zeitfenster, um am Geschäftsmodell zu arbeiten. Strategiearbeit soll Freude bereiten – man kann die Arbeit auch gut mit einem Teamevent verbinden. 

Ist das zukünftige Geschäftsmodell einmal skizziert, muss man darüber diskutieren, ob und in welcher Form die heu­tigen Prozesse und Systeme angepasst werden müssen, damit man das neue Geschäftsmodell umsetzen und die digitale Transformation starten kann.

Aus dem Geschäftsmodell lässt sich auch gut eine Digitalisierungsstrategie für die Zukunft mit einem entsprechenden Zeit- und Massnahmenplan ableiten. Ebenfalls hilfreich ist es, eine Zukunftsvision für das Unternehmen zu definieren. Eine mit den Mitarbeitenden entwickelte Vision motiviert die Mitarbeiter und gibt den Kunden Orientierung.

Eine Alternative zum Erarbeiten der Kompetenz im Hause ist auch der Beizug von externen Experten für die Erarbeitung einer Digitalstrategie oder für den Einsitz im Verwaltungsrat. KMU-Verwaltungsräte bestehen heute oft aus Inhabern, Juristen und Treuhändern. Warum nicht den Verwaltungsrat mit einem Digitalexperten oder einem Strategieexperten, der sich mit der Digitalisierung beschäftigt, ergänzen? Wie immer ein Leitungsgremium mit der Digitalisierung umgeht, auch im digitalen Zeitalter werden die Unternehmen langfristig erfolgreich sein, die den Transformationsprozess proaktiv angehen und auf der Reise in die digitale Zukunft die sich bietenden Chancen packen.

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