Digitalisierung & Transformation

Lieferkettenmanagement

Der Weg zur Integration und ­Digitalisierung der Supply Chain

Steigende Herstellungskosten, kürzere Reaktionszeiten und zunehmend individuelle Kundenanforderungen stellen KMU vor Herausforderungen. In vielen Fällen sind eine effiziente Integration und Digitalisierung der Supply Chain entscheidend, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein praxisorientierter Leitfaden unterstützt KMU dabei.
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Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist die Integration und Digitalisierung der Supply Chain für KMU unerlässlich. Durch eine nahtlose Integration der Supply Chain auf allen Stufen – von der Beschaffung über die Produktion bis hin zur Distribution – werden Optimierungspotenziale erschlossen. Durch digitale Schnittstellen könnten KMU ihre Supply Chain automatisieren und Prozesse in Echtzeit überwachen, was zu einer Steigerung der Effizienz führt. 

Daten aus internen und externen Quellen können gebündelt und schnell verarbeitet werden, was eine präzisere Vorhersage von Marktentwicklungen und eine frühzeitige Anpassung der Planung ermöglicht. Diese Transparenz und Flexi­bilität ermöglichen es KMU, nicht nur schneller auf Veränderungen zu reagieren, sondern auch Kosten zu senken, ­Fehler zu minimieren und die Kundenzufriedenheit zu steigern. 

Ungenutzte Chancen

Trotz der Vorteile werden die Integration und Digitalisierung der Supply Chain in vielen KMU oft vernachlässigt. Das Supply-Chain-Management entwickelt sich kaum weiter als bis zu einer maximal funktionellen Integration, wie der Evo­lutionspfad des Supply-Chain-Managements in Abbildung 1 zeigt.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits fehlt es häufig an den finanziellen und personellen Ressourcen, um die Transformation von einer nicht integrierten hin zu einer integrierten und digitalisierten Supply Chain umzusetzen. Für viele KMU erscheint die initiale Investition zu hoch, da sie den langfristigen Nutzen nicht erkennen können. Andererseits mangelt es oft an Expertise und Know-how, um die Supply-Chain-Prozesse ganzheitlich zu analysieren, zu verändern und dann die optimierten Prozesse konsequent zu digitalisieren. Damit bleiben Chancen innerhalb des Unternehmens und mit externen Partnern oft ungenutzt und die Unternehmen riskieren, Wett­bewerbsfähigkeit einzubüssen und den Anschluss im Markt zu verlieren.

Forschende der Fachhochschule Graubünden haben zusammen mit führenden Unternehmen einen praxisorientierten Leitfaden entwickelt, mit dem Ziel, KMU bei der Digitalisierung der Supply Chain zu unterstützen. Der Leitfaden veranschaulicht mittels eines dreistufigen Modells, wie Transformationsmassnahmen Schritt für Schritt praktisch um­gesetzt werden.

Das 3-Phasen-Modell 

1. Phase

In der ersten Phase (Wo startet die Reise?) erfolgt eine Ist-Analyse, in der die gegenwärtige Situation der Supply Chain untersucht und visualisiert wird. Der Fokus liegt auf der Identifizierung ­potenzieller Problemfelder.

2. Phase

In der zweiten Phase (Wohin geht die Reise?) werden anhand der gesammelten Erkenntnisse aus der ersten Phase konkrete Ziele für die zukünftige Ausrichtung der Supply Chain definiert. Der Fokus liegt auf der Entwicklung und Visuali­sierung der integrierten und digitalisierten Supply Chain.

3. Phase

In der abschliessenden dritten Phase (Wie und wann wird die Reise umgesetzt?) wird das Transformationsmodell der Supply Chain erstellt und einer Bewertung un­terzogen. Das Ziel besteht darin, die Transformation der Supply Chain in einem ­agilen Ansatz umzusetzen. Dieser Ansatz basiert auf der Unterteilung von Prozessen, Projekten oder Initiativen in kleinere, iterative Schritte, die schnell umgesetzt und bei Bedarf angepasst werden können.

Schrittweises Vorgehen

Phase 1: Wo startet die Reise?

In der ersten Phase werden sechs Schritte durchlaufen. Im ersten Schritt wird das Beschaffungs- und Angebotsportfolio analysiert, um ein umfassendes Verständnis der vorhandenen Ressourcen und ­Angebote zu gewinnen. Dies ermöglicht es, die wichtigsten Bezugsquellen und strategischen Lieferanten zu identifizieren. Das Ergebnis ist eine detaillierte Darstellung der Supply Chain des Unternehmens.

Im zweiten Schritt erfolgt die Analyse des Geschäftsmodells. Hierbei wird das bestehende Geschäftsmodell untersucht, die Kernkompetenzen, Fähigkeiten und Expertisen, die für den Erfolg des Geschäftsmodells kritisch sind, bestimmt.

Der dritte Schritt umfasst die Bestimmung der Verhandlungsstärken auf der Supply Chain. In diesem Schritt wird ermittelt, welche Verhandlungsmacht das Unternehmen gegenüber seinen Lieferanten, Partnern und Kunden besitzt. Die Verhandlungsposition dient dazu, den Grad der Integration festzulegen.

Im vierten Schritt werden Rollen mit ­Supply-Chain-relevanten Aufgaben identifiziert. Hierbei geht es darum, diejenigen Rollen im Unternehmen zu ermitteln, die direkten Einfluss auf die Supply Chain haben.

Im fünften Schritt erfolgt die Positionierung der Rollen im Organigramm. Die zuvor identifizierten Supply-Chain-re­levanten Rollen werden nun im Organigramm verortet. Das Vorgehen fördert das Verständnis der Organisationsstruktur und kann hilfreich sein, um die Konsistenz der Aufgaben innerhalb der Supply Chain zu bewerten und deren Po­sition in der Organisationsstruktur zu bestimmen.

Im sechsten Schritt erfolgt die Festlegung der Planungsfunktionen der Rollen. Dabei wird überprüft, ob die identifizierten Rollen mit ihren jeweiligen Aufgaben Planungsfunktionen im Kontext der Supply Chain ausführen und ob hierfür IT-Tools zum Einsatz kommen.

Phase 2: Wohin geht die Reise?

Die darauffolgende zweite Phase umfasst weitere fünf Schritte. Im siebten Schritt wird der Arc of Integration entwickelt und visualisiert. Der Arc of Integration, der Bogen der Integration in Bezug auf die Supply Chain, bildet ab, inwieweit auf Basis der Einschätzung von Mitarbeitenden, Führungskräften und externen Beratenden die Aktivitäten auf der Supply Chain integriert sind (siehe Abbildung 3) Je weiter der Bogen geöffnet ist, desto stärker wird die Integration eingeschätzt. 

Im achten Schritt erfolgt die Entwicklung von Stossrichtungen für die Zukunft. Die Entwicklung und Visualisierung der Stossrichtungen wird durch eine Integrationsmatrix unterstützt (siehe Abbildung 4). Auf der horizontalen x-Achse sind die drei Wertschöpfungsstufen dargestellt: Lieferanten, interne Prozesse und Kunden. Die vertikale y-Achse repräsentiert die drei Integrationsebenen Beziehungen, Prozesse und Digitalisierung. Die Farbintensität der Matrixfelder zeigt den Grad des Handlungsbedarfs an. Eine dunklere Farbe weist auf einen grösseren Handlungsbedarf hin.

Der neunte Schritt umfasst den Abgleich der Stossrichtungen mit der Unternehmensstrategie. In diesem Schritt wird überprüft, ob die entwickelten Stossrichtungen mit den übergeordneten Zielen und der Strategie des Unternehmens in Einklang stehen, um sicherzustellen, dass alle Massnahmen in die gleiche Richtung zielen.

Im zehnten Schritt werden Umsetzungsmassnahmen identifiziert und entwickelt. Hier geht es darum, konkrete Ak­tionen und Projekte zu bestimmen, die die entwickelten Stossrichtungen in die Praxis umsetzen und dabei helfen, die ­gewünschten Ergebnisse zu erreichen. Ergebnisse kommunizieren und Zustimmung abholen gilt als elfter Schritt. Die Resultate der Phase werden allen relevanten Stakeholdern im Unternehmen präsentiert und es wird die Zustimmung eingeholt, um sicherzustellen, dass die Stossrichtungen und Massnahmen un­terstützt werden.

Phase 3: Wie und wann wird die Reise umgesetzt?

In der dritten Phase werden zwei abschliessende Schritte durchlaufen. Im zwölften Schritt wird eine Roadmap für die Umsetzung der Massnahmen entwickelt. Hierbei werden konkrete Projekte definiert und beschrieben, mit Terminen etappiert und in der Roadmap visualisiert.

Im dreizehnten und letzten Schritt werden erste Pilotprojekte umgesetzt. In diesem Schritt werden ausgewählte Initiativen getestet, um ihre Machbarkeit, Auswirkungen und Herausforderungen in der Praxis zu überprüfen, bevor eine breitere Implementierung erfolgt. Dies ermöglicht es, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, bevor die vollständige Umsetzung stattfindet.

Fazit

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine erfolgreiche Digitalisierung der Supply Chain von KMU auf einer umfassenden Integration der gesamten Supply Chain basiert. Dies erfordert eine enge Verzahnung von Planung, IT-Tools und Daten, wobei einheitliche Systeme und transparente Datenstrukturen eine wichtige Rolle spielen. Zudem muss das Supply-Chain-Management innerhalb des ­Unternehmens strategische Bedeutung erlangen, um klare Ziele zu verfolgen und ein starkes Kommunikations- sowie Kooperationsklima zu fördern. 

Auch die Projektorganisation, die die ­bestehenden hierarchischen Strukturen im Unternehmen ergänzt, sowie ein ef­fektives Schnittstellenmanagement dürfen nicht fehlen. Die Projektorganisation fördert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen, während das Schnittstellenmanagement sicherstellt, dass alle Verbindungen zwischen Systemen, Prozessen und Abteilungen reibungslos funktionieren. 

Fakt ist, dass die Integration und Digi­talisierung der Supply Chain keine ein­maligen Aufgaben sind, sondern eine fortlaufende Reise, die KMU kontinuierlich antreten müssen, um langfristig erfolgreich im Markt bestehen zu können.

Der Leitfaden sowie die detaillierte Pro­jektbeschreibung sind unter den folgenden Links einsehbar:
Leitfaden zum Download: https://www.fhgr.ch/DTSCM-Leitfaden
Projektwebseite: https://www.fhgr.ch/DTSCM

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