Digitalisierung & Transformation

Unternehmensgestaltung

Der Verwaltungsrat und Überlegungen zur Digitalisierung

Die KMU-Verwaltungsräte sind sich der Bedeutung der Digitalisierung bewusst. Unklar bleibt jedoch oft, was die richtigen Investitionen in die Digitalisierung sind. Die Autoren dieses Beitrags teilen die Digitalisierung in fünf Kernelemente ein und diskutieren, wie Verwaltungsräte damit umgehen können.
PDF Kaufen

Die «Digitalisierung» bewegt die Verwaltungsräte, denn der Respekt und die Unsicherheit vor diesem komplexen Thema sind gross. Beispiele wie das «Lädelisterben» in den Innenstädten oder auch die Veränderung in der Medienlandschaft lassen zudem andere Branchen aufhorchen. Doch die Digitalisierung darf nicht einfach ein Selbstzweck sein. Was sind somit die richtigen Investitionen in die Digitalisierung, um die Zukunftsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen möglich zu machen?


Die fünf Kernelemente


Der Begriff der Digitalisierung umschreibt ganz allgemein die Umwandlung von Informationen und von Kommunikation in digitale und zudem weiterverwendbare Daten. Diese Daten werden zum Beispiel mittels Sensoren oder über Eingaben erfasst. Auf strategischer Ebene wirkt sich dieses Vorgehen aus unserer Sicht auf mindestens fünf wichtige Aspekte aus, welche wir folgendermassen beschreiben:

  • Prozesse innerhalb der Firma
  • Interaktion mit dem Kunden
  • Neue Geschäftsmodelle
  • Führungskräfte und Mitarbeitende
  • IT-Sicherheit


Diese fünf Dimensionen stellen wir für uns in den Vordergrund. Selbstverständlich können andere Punkte dazukommen.


Prozessverbesserungen


Die Digitalisierung bringt verschiedene Möglichkeiten mit sich, die Prozesse in den Unternehmen zu verbessern. Die exportorientierten KMU haben grosse Erfahrungen mit solchen Automatisierungen. Sie nutzen zum Beispiel Lean Management, setzen Roboter ein, arbeiten mit ERP-Systemen (Geschäftsressourcenplanung), automatisieren ihre Buchungsprozesse oder nutzen etwa das papierlose Büro. Neben dem Verständnis, welche Möglichkeiten sich durch die Digitalisierung in Bezug auf Prozessverbesserungen ergeben, finden wir unter anderem folgende Fragen zentral:

  • Welche Geschäftsprozesse bieten das grösste Optimierungspotenzial?
  • Welche Daten werden aktuell mehrfach eingegeben und könnten in Zukunft mit nur einmaliger Eingabe optimiert werden (durch die Mitarbeitenden, Lieferanten oder Kunden, zum Beispiel über einen Webshop)?
  • Wie kann der Produktionsprozess automatisch angesteuert werden (Schnittstellenthematik)?
  • Welche Zeitfresser sind vorhanden (zum Beispiel Mailverkehr)?
  • Mit welchen neuen Tools kann die (abteilungsübergreifende) Zusammenarbeit verbessert und vereinfacht werden (zum Beispiel Slack, Trello, Microsoft Teams, Microsoft One Note)?
  • Wie können die Daten abgelegt werden, damit sie gut gefunden werden?


Interaktion mit Kunden


Die Digitalisierung erhöht die Möglich­keiten für Kundeninteraktionen. Folgende Frage ist zentral: Wie werden (potenzielle) Kunden in Zukunft nach Informationen für neue Produkte/Dienstleistungen suchen? Dazu hilft das Aufzeichnen der Customer Journey (Reise des Kunden). Die Abbildung auf Seite 44 zeigt ein vereinfachtes Beispiel aus dem Gartenbau.

Überlegen Sie sich einen bestimmten Kunden mit fiktivem Namen und definieren Sie seine Eigenschaften (sogenannte Persona). Zeichnen Sie zum Beispiel auf, wie diese Persona nach Informationen sucht und welche Aktivitäten sie unternimmt, bevor sie eine Kaufentschei­-dung trifft. Es interessieren zudem auch alle Berührungspunkte mit Ihrer Firma. Diese Analyse bringt wichtige Erkenntnisse, um die Customer Journey im Sinne der eigenen Firma positiv zu beeinflussen oder sinnvolle Marketingautomatisierung zu betreiben. Die Analyse der Customer Journey kann etwa zur Erkenntnis führen, dass Kunden (Bewertungs-)Plattformen nutzen. Wir glauben, dass diese Bewertungsplatt­formen in Zukunft eine noch grössere Rolle spielen werden (siehe Hotellerie-Branche). Diese Plattformen können als Chance betrachtet werden, indem die eigene Positionierung auf diesen Platt­formen verbessert wird. Wie wird über Ihr Unternehmen auf diesen Bewertungsplattformen geschrieben? Die Hotellerie hat dazu bereits viel Erfahrung gesammelt. Ein Austausch mit erfahrenen Hoteldirektoren ist dazu sicher sehr spannend. Online-Marketing ist bereits die gängige Praxis, und so wird der Nutzen einer Webseite nur noch von den wenigsten KMU angezweifelt.

In der Schweiz verwenden mehr als 90 Prozent der Internetuser die Google-Such­maschine, um online nach Informationen zu suchen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Suchmaschinenoptimierung, damit die eigenen Produkte und Dienstleistungen möglichst weit oben in einer Suchanfrage zu finden sind. Es ist zu überlegen, nach welchen Suchbegriffen die (potenziellen) Kunden suchen, um mit diesen Erkenntnissen die eigene Webseite zu optimieren. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Webseite im Google-Ranking weit oben erscheint.


Neue Geschäftsmodelle


Neue Technologien (künstliche Intelligenz, Deep Learning, Building Information Modeling, Blockchain et cetera) eröffnen neue Anwendungsbereiche. Es gilt, sich über das Potenzial zu infor­mieren, die Anwendungsmöglichkeiten zu begreifen und die Auswirkung auf das eigene Geschäftsmodell zu überlegen. Dazu können etwa TED-Talks (TED steht für Technology, Entertainment, Design) angeschaut (zum Beispiel der TED-Talk von Jeremy Howard über Deep Learning) oder Events zu verschiedenen Themen besucht werden.

Auch empfiehlt es sich, mit Leuten zu sprechen, die eine Übersicht über die Entwicklungen haben und diese anhand konkreter Beispiele ausführen können. Auch das Beobachten von Start-ups – in der eigenen oder einer verwandten Branche – kann helfen. Dazu gibt es zum Beispiel Publikationen zu den Investitionen von Venture Capitalists (Risikokapital­geber), die meist öffentlich zugänglich sind. In der Schweiz beispielsweise im Swiss Venture Capital Report. In Bezug auf die Projekte zum Thema der künstlichen Intelligenz ist die Daten­qualität und -quantität entscheidend. Deshalb gilt es, vor der Verfolgung von solchen Projekten die Frage nach der Qualität und der Anzahl der Daten zu stellen.

Die Erfolgsquote solcher Projekte ist in der Praxis jedoch oft noch gering, gerade aufgrund der nicht ausreichenden Datenqualität und -menge. Auch kann ein Workshop zur Frage, wie das eigene Geschäftsmodell obsolet gemacht werden kann, spannende Erkenntnisse liefern.


Führungskräfte und Mitarbeiter


Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Geschwindigkeit der Veränderung verringern wird. Deshalb sind Arbeitsweisen, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, nicht zwingend auch in Zukunft noch erfolgreich. Welche Fähigkeiten werden somit in Zukunft (noch) wichtig sein und welche Fähigkeiten werden wahrscheinlich durch Maschinen übernommen? Es braucht bei den Mitarbeitenden und der Unternehmensführung eine (geistige) Flexibilität und die Bereitschaft, sich weiterentwickeln zu wollen. Deshalb sollte kritisch die Frage gestellt werden, wie veränderungsbereit die Mitarbeitenden und die Geschäftsleitung sind und wie diese Veränderungsbereitschaft gefördert werden kann.


IT-Sicherheit


Die Sicherheit der IT spielt im Zuge der Di­gitalisierung eine zunehmend grosse Rolle. Sensible Daten sollen geschützt werden. Cloud-Lösungen, das Internet der Dinge oder die Predictive Maintenance (die Abschätzung, wann eine Wartung für im Einsatz befindliche Geräte durchgeführt werden sollte) erhöhen die Notwendigkeit für Firmen, sich mit der IT-Sicherheit noch vertiefter auseinanderzusetzen. Auch kennen wir einzelne kleine oder mittlere Unternehmen in unserem Umfeld, welche bereits von Hacker-Attacken betroffen waren. KMU sollten sich daher unter anderem folgende Fragen in Bezug auf die Sicherheit ihrer IT stellen:

  • Wie stark sind die Mitarbeitenden sensibilisiert, damit sie Benutzernamen und Passwörter nicht unüberlegt eingeben (Phishing-Attacken)?
  • Falls Maschinen von extern angesteuert werden können: Wie gut ist die
  • Maschine vor Angriffen geschützt (zum Beispiel Überprüfung der Version des Betriebssystems)?
  • Werden Ihre Daten gesichert und funktioniert die Datensicherung?
  • Wie schnell können die Mitarbeitenden nach einer Hacker-Attacke  ihre Arbeit wieder aufnehmen?
  • Welche Informationen sind im Internet über Sie respektive Ihre Mitarbeitenden publiziert, die von Hackern für ihre Attacken verwendet werden könnten?
  • Beschränkungen im E-Banking oder für das Log-in: Nützen beispielsweise Länderbeschränkungen oder weitere/andere Einschränkungen?


Fazit


Die Kategorisierung der Digitalisierung in die erklärten fünf Dimensionen soll Verwaltungsräten von kleinen und mittleren Unternehmen helfen, die Thematik der Digitali­sierung besser einzuordnen und die richtigen Fragen zu stellen, um somit strategisch die möglichst besten Entscheidungen für ihre Unternehmen treffen zu können.

Porträt