Digitalisierung & Transformation

Unternehmensführung

Der Verwaltungsrat und die Digitalisierung

Die Digitalisierung bedarf einer intensiven Diskussion im Verwaltungsrat, denn sie betrifft die Zukunft der Firmen. Die relevanten Trends sollen erfasst werden. Zudem soll evaluiert werden, welche Chancen und Gefahren sich daraus für das eigene Unternehmen ergeben und wie sie zielführend umgesetzt werden können.
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Die Digitalisierung ist in Bezug auf die Unternehmensführung im Allgemeinen und den Verwaltungsrat (VR) im Spezifischen in aller Munde. Sie hat Konsequenzen auf die Geschäftsmodelle der Firmen, wie Beispiele aus verschiedenen Branchen gezeigt haben (zum Beispiel Musikindustrie, Medien, Detailhandel). Deshalb ist es von grosser Bedeutung, dass sich der KMU-VR als strategisches Führungsorgan einer Firma damit auseinandersetzt. Die Autoren beobachten in KMU-VR oft, dass die Digitalisierung als wichtiger Aspekt erkannt wird, jedoch ist teilweise noch unklar, wie damit konkret umgegangen werden kann und soll. Diese Schwierigkeit wird noch erschwert, da der Begriff der Digitalisierung zwar oft benutzt wird, jedoch Unklarheit darüber besteht, was darunter alles verstanden wird.

Eine Begriffsklärung

Verschiedene Daten werden digitalisiert (zum Beispiel Text, Bilder, Messdaten, Kommunikation). Diese digitalisierten Daten ermöglichen eine höhere Effizienz durch Automatisierungen und Prozessverbesserungen. Rechnerkapazität wird genutzt, um mit diesen Daten zu arbeiten und sie auszuwerten. So können Programme diese digitalisierten Daten einlesen, auswerten, strukturieren und Handlungsoptionen anzeigen. Die Anwendungen sind vielseitig und können intern (zum Beispiel Prozessverbesserungen durch Automatisierung oder Standardisierung, etwa durch Enterprise-Resource-Planning-Systeme) und extern (zum Beispiel neue Geschäftsmodelle aufgrund von effizienteren Prozessen oder veränderten Interaktionen mit Kunden und Lieferanten) eingesetzt werden.

Verschiedene Zukunftsforscher (zum Beispiel Matthias Horx oder das Gottlieb Duttweiler Institut GDI) gehen zudem davon aus, dass gewisse (Routine-)tätigkeiten (etwa einfache Sekretariatstä­tigkeiten) in der Zukunft noch stärker automatisiert werden und diese Jobs wegfallen werden. Es leuchtet somit ein, dass diese Entwicklungen eine grosse Auswirkung auf die Unternehmen haben werden. Zudem fliesst auch der Umstand ein, dass die aktuelle Generation der jungen Leute (Generation Z mit Jahrgängen von 2000 bis 2015) mit der Digitalisierung aufgewachsen ist. Sie werden andere Werte vertreten und die zukünftige Arbeitgeberattraktivität nach anderen Gesichtspunkten bewerten.

Aus diesen Ausführungen wird klar, dass die Digitalisierung verschiedene Bereiche bereits erfasst und noch stärker erfassen wird. Für den KMU-VR gilt es, diese Trends zu erkennen und die relevanten Chancen und Gefahren zu beleuchten, um die richtigen Entscheide für die Zukunft der Firma treffen zu können.

(Digitale) Trends erkennen

Künstliche Intelligenz, Blockchain, BIM, Internet of Things (IoT), Robotertechnologie, selbstfahrende Autos, Big Data und viele andere mehr: Sie alle verkörpern Trends und sind von unterschiedlicher Be­deutung für die einzelnen Branchen. Die entscheidende Frage ist: Wie holen sich KMU-Verwaltungsräte Informationen zu solchen Trends, die relevant für die eigene Geschäftstätigkeit sind? KMU-VR besuchen zum Beispiel Kongresse oder Events zu solchen Themen, informieren sich online darüber, lesen Zeitschriften, Zeitungen oder Publikationen in unterschiedlichen Medien, besuchen Start-ups oder sie hören sich Meinungen von Trendforschern oder Meinungsbildnern an. Wichtig sind die Fragen:

  • Wie entdecken die KMU-VR die relevanten Trends für ihre Firma?
  • Wie informieren sich die KMU-Verwaltungsräte darüber?
  • Wie kommen sie zu den konkreten Aspekten dieser Trends?

Die Relevanz der Trends kann in einem Trends- und Technologieradar festgehalten werden. Die Trends und Technologien werden auf ihre Relevanz für die unterschiedlichen Geschäftsbereiche periodisch überprüft. Die Geschwindigkeit des Wandels, der vor allem aufgrund der Digitalisierung entsteht, ist hoch. So war es etwa an der Westküste der USA 2012 noch undenkbar, dass die gelben Taxis in Zukunft stark reduziert würden. Heute ist der Wandel Realität und Uber dominiert den ehemaligen Taximarkt. Experten gehen davon aus, dass die Geschwindigkeit des Wandels ganz allgemein weiter zunehmen wird. Folgende Beispielfragen können aus einer strategischen Sicht interessieren:

  • Welche Chancen und Gefahren ergeben sich aus dem möglichen Wandel und den Trends für das eigene Unternehmen?
  • Welche Auswirkung haben diese möglichen Entwicklungen auf die eigene Geschäftstätigkeit?
  • Braucht es zum Beispiel die Autogarage um die Ecke noch, wenn es selbstfahrende Autos gibt?
  • Wie müsste die Autogarage aufgestellt sein, um in jenem Falle Dienstleistungen mit Mehrwert für die Kunden anbieten zu können?
  • Werden Haus bauende Roboter in der Masse einsetzbar sein?
  • Wie viele Personen werden in Zukunft noch Excel-Dokumente erstellen und Daten eingeben?
  • Wie kann sich die Firma in einem solchen Fall strategisch positionieren?

Die Zukunft ist noch nicht geschrieben, und einige dieser Fragen sind hypothetisch. Ein Ausblick ist zugegebenermas­sen schwierig. Nichtsdestotrotz ist die Auseinandersetzung damit zentral, um die Zukunft der eigenen Firma gestalten zu können. Es geht um mögliche neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienst­leistungen, die sich aufgrund von neuen Technologien und Trends ergeben. Weitere Themen, die sich als Risiken entpuppen können, sind etwa die IT-Sicherheit oder die Cyberkriminalität. Es gilt, diese Chancen und Gefahren zu diskutieren, die Risiken anhand der Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe zu bewerten (siehe Abbildung) und strategische Handlungsoptionen zu definieren. Neben der Diskussion über mögliche Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen befassen sich die Firmen damit, ihre eigene Firma agiler zu gestalten, um auf die (rasanten) Veränderungen reagieren zu können. Sie geben den einzelnen Mitarbeitenden mehr Entscheidungskompetenz, um schnellere Entscheide zu haben, oder fördern die Mitarbeitenden, ihre eigenen Verbesserungsideen einzubringen.

Zusammensetzung des VR

Aufgrund der dargelegten Anforderungen (Trends erkennen, Chancen und Risiken diskutieren und Handlungsoptionen erarbeiten, Mitarbeitende befähigen) ergeben sich Fragen zur idealen Zusammensetzung des Verwaltungsrates:

  • Deckt der VR die wichtigsten Fähigkeiten und Erfahrungen ab?
  • Welche Kompetenzen fehlen noch im Verwaltungsrat?
  • Erhält die Geschäftsleitung genügend Unterstützung aufgrund der aktuellen Durchmischung des VR?
  • Was müsste angepasst werden?

Worüber sich die Verwaltungsräte bewusst sein sollten: Gerade in Zeiten einer hohen Veränderungsdynamik ist ein höheres zeitliches Engagement des VR für die Firma angezeigt. Es geht um eine intensivere Kooperation zwischen VR und GL, um die richtigen Weichen für die Zukunft stellen zu können. In diesem Zusammenhang ist auch die persönliche Weiterbildung und -entwicklung der einzelnen VR-Mitglieder wichtig, damit die Firma die richtigen zukunftsweisenden Entscheidungen trifft.

(Digitale) Unterstützung

Wir kennen Unternehmen, die einen Beirat eingesetzt haben, der den VR zu digitalen Fragen mit ihrem Fachwissen und Netzwerk unterstützt. Das heisst, Experten werden zu bestimmten relevanten digi­talen Themen in bestimmten Zeitabständen eingeladen und bezüglich möglicher Trends befragt. Diese Beiräte diskutieren zum Beispiel mit einzelnen VR über die Chancen und Gefahren dieser Trends sowie wie sie vom Unternehmen umgesetzt werden können. Die Flexibilität spricht für diese Lösung. Da die Beiräte nicht durch andere VR-Themen betroffen sind, können sie effektiver eingesetzt werden. Die Digitalisierung macht auch vor der eigentlichen VR-Arbeit nicht halt. So sind digitale Dokumentenablagesysteme des VR oft bereits Alltag. Auch Möglichkeiten, gewisse Auswertungen in Echtzeit durchzuführen, sind vorhanden. Auch digitale Hilfsmittel für ein effizientes und effektives Sitzungsmanagement werden auf dem Markt angeboten (z. B. Sherpany). Nicht alle digitalen Hilfsmittel machen für jede Firma Sinn, doch lohnt sich eine Auseinandersetzung damit.

Die Generation Z

Die Digitalisierung hat auch Auswirkung auf die Mitarbeitenden. Wie kann gewährleistet werden, dass die Mitarbeitenden angemessen darauf vorbereitet werden können? Das Lernen und Nutzen von neuen Technologien ist oft ein länger
andauernder Prozess, der nicht unterschätzt werden sollte.

Auf den ersten Blick erscheinen Angehörige der Generation Z gut dafür ausgerüstet zu sein, denn sie sind mit der Digitalisierung aufgewachsen. Sie sind es gewohnt, mit den neuen Medien und Möglichkeiten umzugehen. Oft sind sie schon im frühen Kindesalter mit Smartphone, Tablet und weiteren technologischen Errungenschaften in Kontakt gekommen (mit allen Vor- und Nachteilen, die damit verbunden sind).

Falls der Kampf um die Talente von morgen («War of Talents») weiterbestehen sollte, dann gilt es, sich attraktiv gegenüber dieser Gruppe von Mitarbeitenden zu positionieren. Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass diese Personengruppe unterschiedliche Bedürfnisse im Vergleich zu den Babyboomern oder der Generation X und Y hat. Wie werden die Arbeitsplätze der Zukunft aussehen, um die Generation Z (und auch alle anderen potenziellen Mitarbeitenden) zu erreichen? Im Falle der Generation Z empfehlen die Autoren, zum Beispiel mit Lehrlingen über ihre Werte zu sprechen und zu fragen, was ihnen wichtig ist in ihrem Berufsleben. So können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, wie diese Mitarbeitergruppe adressiert werden kann.

Fazit

Die Autoren erachten das Erkennen der relevanten Trends, die Diskussion von Chancen und Gefahren sowie die Erarbeitung von sich daraus ergebenen strategischen Handlungsoptionen als wichtig für jeden KMU-Verwaltungsrat. Die Schwierigkeit besteht darin, die Thematik der Digitalisierung in konkrete Handlungsoptionen umzusetzen und definieren zu können, welche Wege das Unternehmen einschlagen soll. Beim richtungsweisenden Thema Digitalisierung kann sich ein defensives Reagieren des KMU-VR rächen und ein Agieren anzeigen.

Porträt