Digitalisierung & Transformation

Kolumne: Chief Digital Community

Chatbots – Spielerei oder neues Paradigma?

Die Prognosen für 2018 sagen eine steile Zunahme von Chatbots und Voice-Assistants voraus. Doch werden sich diese als ernst zu nehmende neue Interaktionsmöglichkeit etablieren? Welche Faktoren zu berücksichtigen sind, um Chatbots erfolgreich einzusetzen, soll im Folgenden dargestellt werden.
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Ein Chatbot ist eine Software, die über Befehle in natürlicher Sprache bedient werden kann. Für den Benutzer fühlt sich das fast so an, wie wenn er mit einer echten Person über ein Chat-Programm (Whatsapp oder Face­book Messenger) kommuniziert. Ein Chatbot muss in natürlicher Sprache eingegebene Fragen und Befehle verstehen, eine dazu passende Aktion ermitteln, die dafür benötigten Aufrufe an andere Systeme machen, die Resultate der Aufrufe verarbeiten und diese dann wiederum in natürliche Sprache übersetzen, um dem Benutzer eine möglichst gute Antwort zu liefern. Üblicherweise wird ein Chatbot in eine bestehende Chat-Plattform integriert. Es gibt verschiedene Werkzeuge für Chatbot-Entwickler, die diese Integration automatisch durchführen. So muss sich der Entwickler nur noch auf den Dialogfluss und die Funktionalität des Chatbots konzentrieren.

Neue Form der Interaktion

Die erwähnten Chat-Programme haben in den letzten Jahren die Gewohnheiten der Benutzer geprägt. Diese Gewohnheiten macht sich der Chatbot zunutze, indem er die Wünsche der User aus ihren kurzen Anfragen erfüllt. Durch den Wegfall der klassischen mit der Maus oder mit dem Finger bedienten Browseroberfläche kommen sehr schnell die Vorteile des Chatbots zur Geltung: Der User muss keine App mehr herunterladen, sondern kann in seinem vertrauten Chat-Tool Dienstleistungen beanspruchen, etwa einen Sitzplatz im Flugzeug ändern oder Schuhe kaufen.

Man könnte nun versucht sein, die Umsetzung eines Chatbots auf die technologischen Herausforderungen zu reduzieren. Denn davon gibt es einige: die Spracherkennung zum einen, die Mehrsprachigkeit zum anderen, die Einschätzung der Gefühlslage des Benutzers, die Gesamtarchitektur oder die Einbettung in den jeweiligen Kanal. Die Technologie ist indes nur ein Teil der Herausforderung, vielleicht sogar der kleinere und einfachere. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die Benutzerinteraktion durch textuelle Dialoge zu gestalten. Damit der Chatbot am Markt erfolgreich ist, müssen Input von Marketing, Sales, Corporate Communication, UX und Product Design einfliessen, um eine Marke gesamtheitlich zu repräsentieren und ein für den Benutzer gutes Erlebnis zu schaffen. Ein Chatbot für Mitarbeiter ist diesbezüglich weniger anspruchsvoll und könnte für erste Erfahrungen dienen.

UX-Designer stellen sicher, dass der Chatbot die Benutzer adäquat führt, unterstützt, informiert und berät. Heutzutage werden Bots von unterschiedlichsten Orten aufgerufen, sei es im Flugzeug, auf dem Arbeitsweg oder während eines Meetings. Ein Chatbot kann zum Beispiel auch noch spätnachts innert Sekunden einen Termin mit einem Kundenberater vereinbaren oder über die Bedingungen der Kreditkarte im Ausland informieren. Dies geschieht alles durch einfache Texteingabe in natürlicher Sprache.

Bei der Gestaltung eines Chatbots geht es darum, eine oft nur unscharf bekannte Erwartung des Benutzers so gut wie möglich zu erfüllen. Die Komplexität hängt sehr stark von der Menge und Breite der zu unterstützenden Anwendungsfälle ab. Für eine Fahrplanabfrage können zum Beispiel die verschiedenen Szenarien relativ klar definiert und die Reaktion des Chatbots vordefiniert werden. Für eine komplexe Finanzberatung dürften die Szenarien schon einiges vielfältiger und damit schwieriger zu definieren sein.

Weil die meisten Unternehmen nicht nur auf einem einzigen digitalen Kanal präsent sind, muss das gesamtheitliche Erscheinungsbild eines Unternehmens (CI/CD) berücksichtigt werden, wenn es darum geht, die Persönlichkeit des Chatbots (Persona) zu gestalten. Die Auswertung der Kommunikation der Benutzer mit dem Chatbot kann früh wichtige Erkenntnisse zu neuen Marktsituationen und Bedürfnissen liefern. Die Oberfläche eines Chatbots besteht meist aus einem Textfeld, situativ ergänzt mit Buttons und Bildern. Die grösste Komplexität liegt somit im Dialogdesign und in der verwendeten Tonalität und Sprache. Es zeigt sich daher, dass die hohe Kunst des Interaktionsdesigns gerade bei einem Chatbot ungemein wichtig und erfolgsentscheidend ist.

Chatbots und Machine Learning

Ein Grund, weshalb Chatbots bisher teilweise als eher dürftig wahrgenommen werden, liegt darin, dass der Mehrwert gegenüber einem klassischen Web-Formular oft nicht gegeben ist. Mehrwert entsteht vor allem dann, wenn der Chatbot nicht nur fix vorprogrammierten Regeln folgt, sondern individuell auf den Dialog mit dem Benutzer eingeht und flexibel reagiert. Der Einsatz von Machine Learning, und damit ein Schritt hin zur künstlichen Intelligenz, kann diese Dynamik ermöglichen. Doch welche Faktoren spielen dafür eine Rolle?

Wenn wir uns die funktionalen Bereiche eines Chatbots anschauen, dann profitiert die Benutzerschnittstelle mit Natural Language Processing (NLP), Natural Language Understanding (NLU) und Natural Language Generation (NLG) mit grosser Sicherheit von Elementen künstlicher Intelligenz. Dadurch können Spracheingaben des Benutzers schneller und zuverlässiger verstanden, die Intentionen des Benutzers daraus abgeleitet und die Resultate wiederum in Benutzersprache aufbereitet und dargestellt werden. Die nun sehr schnell entstehenden bzw. bereits existierenden Cloud-basierten Services verschiedener Anbieter, wie Microsoft, Amazon und Google, bieten dafür bereits sehr gute Funktionalitäten, die im Hintergrund Machine Learning nutzen und die sich mit wenig Aufwand in einen Chatbot integrieren lassen.

Das grösste Potenzial von künstlicher Intelligenz für einen Chatbot liegt in der Prozesskompetenz, die sich im Dialog zeigt. Je besser der Chatbot den Dialog führen kann, desto effizienter und wertvoller für den Benutzer. Da ein Chatbot die Bedürfnisse des Benutzers je nach Situation mit vielen verschiedenen Datenquellen und Systemen sowie mit einem Ablauf verbinden muss, soll ein Machine-Learning-Modell massgeschneidert und mit dem Chatbot integriert werden. Das Modell steht in einer starken Wechselwirkung mit der Persönlichkeit des Chatbots (Persona) und dem Design des Dialogs. Es braucht sowohl die UX-Design-Kompetenz als auch das technische Verständnis für die zu verbindenden Systeme und ein Verständnis für die Möglichkeiten und Einschränk­ungen des Machine-Learning-Modells, um den grösstmöglichen Nutzen zu erzielen.

Qualität braucht Pflege

Nicht zuletzt ist zu beachten, dass ein lernendes System auch falsche Dinge lernen kann. Dahinter könnten ein Angreifer oder ungelöste Probleme im Prozess stecken. Es genügt also nicht, nur den Schönwetter-Fall zu gestalten, sondern es müssen die verschiedenen möglichen Szenarien betrachtet werden, da ein lernendes System sich bis zu einem gewissen Grad selbstständig weiterentwickeln wird. Die Qualität des Chatbots hängt stark mit den verwendeten Datenquellen und Lerninputs zusammen. Die Überwachungs- und Veränderungsprozesse dieser Daten müssen laufend sicherstellen, dass der Chatbot adäquate Ergebnisse liefert und die Benutzererwartungen erfüllt. Künstliche Intelligenz lässt sich somit für einen Chatbot mit Gewinn einsetzen, wenn die Gesamtheit der Einflussfaktoren sorgfältig analysiert und berücksichtigt wird. Klar ist: Chatbots sind mehr als eine Spielerei.