Branchen & Märkte

Internationalisierung: Kenia

Zu wenig Beachtung für den Wachstumsmarkt Afrika

Für die Schweizer Wirtschaft ist der nächste Wachstumsmarkt Afrika tatsächlich ein vergessener Kontinent. Wie das Beispiel Kenias zeigt, gibt es jedoch durchaus Chancen für KMU, insbesondere aus dem Maschinen- und Anlagenbau.
PDF Kaufen

Beim Thema Internationalisierung gehen die Gedanken gestandener Unternehmer traditionell von den angrenzenden Nachbarländern aus zu weiter entfernten Ländern. Eher selten werden dabei aber die Grenzen des eigenen Kontinents überwunden. Nahezu ausgeschlossen ist es, dass Märkte des afrikanischen Kontinents auf Absatzchancen untersucht werden. Aber wieso eigentlich? Viele öffentliche Institutionen und Verbände weisen auf die Potenziale des «vergessenen Kontinents» hin, der Internationale Währungsfonds verdeutlicht beispielsweise, dass sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Afrika liegen.

Im Rahmen einer Forschungsarbeit im Fachbereich Entrepreneurship der Universität Liechtenstein beschäftigten sich die Autoren mit Markteintrittsstrategien für kleine und mittelgrosse Unternehmen der Maschinenbaubranche in Entwicklungsländer. Stellvertretend für die ost­afrikanischen Ländermärkte wurde die Untersuchung am Beispiel Kenias durchgeführt.

Wachstumsmarkt Ostafrika

Bekannt ist Kenia oftmals durch seine hohe landschaftliche Attraktivität, die unter anderem vom höchsten Berg, dem ganzjährig schneebedeckten und 5199 Meter hohen Mount Kenia geprägt wird – eine Höhe, welche die Dufourspitze des Monte-Rosa-Massivs der Walliser Alpen nochmal um gut 550 Meter überragt. Daneben ist Kenia mit seinen etwa 43 Mil­lionen Einwohnern und einem Brutto­inlandprodukt von rund 45 Milliarden US-Dollar allerdings auch eine der grössten Volkswirtschaften Ostafrikas, in der Englisch Amtssprache ist. Trotz verbreiteter Korruption und maroder Transport- und Energieinfrastruktur bietet Kenia wirtschaftlich viele typische Chancen eines Entwicklungslandes. So besteht eine hohe Importquote, wobei die Hauptimportgüter mineralische Rohstoffe, Eisen, Stahl und Fahrzeuge sowie Maschinen und Transportausrüstung sind.

Kenia ist Mitglied in zwei bedeutenden regionalen Handelsgruppierungen, der East African Community (EAC) und den Common Markets for Eastern and Southern Africa (COMESA). Diese sehen weitreichende Handelserleichterungen innerhalb der Mitgliedsstaaten vor und bieten damit einen Zugang zu erheblich grösseren Absatzmärkten. Allein die EAC-Staaten umfassen 130 Millionen Einwohner und zielen auf einen gemeinsamen Binnenmarkt mit freiem Waren- und Personenverkehr ab.

Maschinen- und Anlagenbau

Als bereits heute attraktive Teilbereiche der Maschinenbaubranche konnten insbesondere die Herstellung von Bergbaumaschinen, chemietechnischen Maschinen sowie Maschinen in den Bereichen der Gesundheitstechnik, der Nahrungsmittel verarbeitenden Industrie sowie zur Erstellung von Infrastruktur benötigter Maschinen und Anlagen erkannt werden. Im Maschinenbausektor beliefen sich die Importe im Jahr 2012 für Maschinen aller Art, elektrifiziert, nicht-elektrifiziert und Transportzubehör auf rund 3,7 Milliarden US-Dollar.

Wenig verwunderlich ist die Tatsache, dass der Absatzanteil des Premiumsegments in einem Entwicklungsland typischerweise noch gering ist. Geht man in Schwellenländern von 5 bis 15 Prozent der Gesamtnachfrage aus, so dürfte der Anteil in Entwicklungsländern spürbar niedriger sein. Beim Premiumsegment handelt es sich um die von Ländern des DACHFL-Raumes eingenommene Positionierung im High-End-Bereich.

Umgekehrt aber wachsen damit die Anteile der von hiesigen Anbietern nicht bearbeiteten Standard- und Billigsegmente beträchtlich. Gemeinsam vereinen sie 85 bis 95 Prozent des Marktvolumens auf sich. Ein Blick auf die Nationen, die wertmässig die umfangreichsten Lieferungen nach Kenia tätigen, zeigt China und Indien, mit zusammen etwa 47 Prozent. Die Lieferungen aus Europa insgesamt belaufen sich dagegen auf nur etwa 1,5 Prozent der Importe Kenias.

Unter Kenntnis dieser Rahmenbedingungen verwundert es nun kaum mehr, dass der kenianische Maschinenbausektor von chinesischen und indischen Anbietern dominiert wird und nur eine geringe Angebotsvielfalt besteht. Die Unternehmen der beiden Länder können in den ihnen wohlbekannten günstigen Preissegmenten mit geringerer Qualität ein sehr gros­ses Marktvolumen abschöpfen.

Bedingt durch den Ausbildungsstand lokaler Arbeiter und die Nachfrage der Verbraucher sind robuste, einfach zu bedienende und kostengünstige Maschinen sehr gefragt. Im Heimatmarkt buchhal­terisch bereits abgeschriebene Techno­logien können oftmals in Kenia noch sinnvoll vermarktet und Produktlebenszyklen verlängert werden.

Die Realität zeigt nun aber, dass für die Schweiz im Maschinenbausektor ein nahezu bedeutungsloses Exportvolumen nach Kenia besteht.

Die Markterschliessung

Die durchgeführte Studie ergab, dass einerseits kaum ein Schweizer KMU in Kenia aktiv ist und andererseits insbesondere der Ländermarkt Kenia, aber auch allgemein der afrikanische Markt, kaum Beachtung finden. Dies zeigte sich zum Beispiel an einer verschwindend geringen Anzahl von Anfragen, die bei Wirtschaftsförderern oder staatlichen Organisationen vor Ort eingingen. Wie prüft ein KMU, ob Kenia ein attraktiver Markt ist und wie bearbeitet es diesen Markt erfolgreich? In der Theorie und Praxis hat sich eine schrittweise Vorgehensweise als vorteilhaft herausgestellt, die auch die Grundlage für den Markterschliessungsprozess «company2newmarket» ist.

Schritt 1: Marktbewertung und Marktauswahl

Ziel dieses ersten Schrittes ist, zu verstehen, ob Sie mit Ihren Produkten und Dienstleistungen überhaupt erfolgreich in Kenia tätig werden können und falls nein, welche Voraussetzungen fehlen. Hier prüfen Sie, ob ein Markt besteht, wie gross und wie profitabel dieser ist und stellen erste Überlegungen an, wie Sie am besten in den Markt eintreten. Neben der Erhebung von Marktdaten knüpfen Sie bereits in dieser Phase erste Kontakte zu möglichen Kunden und Vertriebspartnern. Es empfiehlt sich auch eine Reise ins Zielland, zum Beispiel anlässlich einer Messe, um ein Netzwerk aufzubauen und erste Eindrücke zu gewinnen.

Schritt 2: Marktvorbereitung

In einem zweiten Schritt wird der Markteintritt vorbereitet. Dies beinhaltet den Ent­scheid für eine Form des Markteintritts und das Produktportfolio. Kenianische Kunden benötigen (heute noch) vor allem einfache und robuste Maschinen, die mit schwankungsanfälligen Stromnetzen, ohne Internetzugang und unter anderen klimatischen Bedingungen betrieben werden können. Darüber hinaus sollte der Wartungsaufwand niedrig sein.

Präzisionstechnische Höchstleistungen und Perfektion sind (noch) nicht gefragt. Trotzdem besteht aber bereits in einigen Marktsegmenten ein Bedürfnis für höhere Qualität als die bisherig verfügbare. «Swissmade» ist bekannt und wird geschätzt.

Insgesamt sind für die zuküftigen kenianischen Kunden die gesamten Produktionskosten entscheidend. Hierzu gehören auch die Personalkosten, die im Moment noch niedrig sind. Allerdings gilt dies auch für die Arbeitsproduktivität. Hier empfiehlt sich der genaue Blick auf die erfolgreichen indischen und chinesischen Mitbewerber.

Schritt 3: Markteintritt

Die gewählte Markteintrittsstrategie wird konkretisiert. Wann genau soll wo in welchen Phasen in den Markt eingetreten werden? Wird es eine Repräsentanz geben, falls ja, wo? Als erfolgsversprechend wurden in der Ausarbeitung Exportformen unter Einbeziehung lokaler Partner erkannt. Dafür gibt es vielfältige Ausgestaltungen. Oft kommen lokale Distributoren zum Einsatz, die bereits über Kontakte zu potenziellen Kunden und über Branchenkenntnisse und -zugang verfügen. Die lokalen Partner verfügen über die für eine Geschäftsanbahnung grundlegenden persönlichen Beziehungen zu möglichen Geschäftspartnern und erhöhen die Absatzchancen damit deutlich. Neben dem Agenturmodell empfiehlt sich besonders das Grosshandelsmodell. Dabei kauft der lokale Distributor die Waren auf eigenes Risiko ein, baut zur Erhöhung der Lieferbereitschaft ein eigenes Lager auf, gewinnt Kunden und betreut diese weiter (Beispiel Service).

Schritt 4: Marktentwicklung und Marktwachstum

Der letzte Schritt ist entscheidend. Nach einem erfolgreichen Markteintritt geht es um Wachstum. Ziel ist die Erreichung der Gewinnschwelle und die Erreichung eines sinnvollen Umsatzvolumens, welches es erlaubt, am künftigen Marktwachstum zu partizipieren. In dieser Phase kommt es oftmals auch zu einer Lokalisierung. Produkte, Dienstleistungen und Unterlagen werden angepasst, einzelne Leistungen werden ins Land verlegt (zum Beispiel: Lager, Montage, Service) und die lokalen Mitarbeiter direkt oder über einen Importeur eingestellt und ausgebildet. Letztlich kann diese Infrastruktur auch für den Eintritt in benachbarte Länder der gleichen Freihandelszone verwendet werden.

Fazit

In Afrika zeigt sich die typische Ambivalenz von Entwicklungsländern: Trotz einer geringen ausgebauten Infrastruktur, Defiziten in der Verwaltung und verbreiteter Korruption gibt es gerade für ex­portorientierte Maschinenbauer ein sehr attraktives Wachstumspotenzial.

Aber na­­türlich kann das ein Unternehmen erst nutzen, wenn es bereits vor Ort über die notwendigen Kontakte und eine (überschaubare) Präsenz verfügt. Werden Sie aktiv, nutzen Sie die Expertise, greifen Sie auf praktische Erfahrungen zurück und lassen Sie ihr Unternehmen an den langfristig vielversprechenden Chancen des afrikanischen Kontinents teilhaben.

Porträt