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Studie: Internationalisierung

Warum Schweizer Unternehmen in China erfolgreich sind

Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft verlangsamt sich, gleichzeitig nehmen die Herausforderungen zu. Dennoch fahren gemäss einer Studie die Schweizer Unternehmen nach wie vor bessere Ergebnisse ein. Doch was sind die Gründe für den wachsenden Erfolg der Schweizer Firmen?
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Schweizer Manager in China sind weitaus zuversichtlicher als noch vor einem Jahr: 68 Prozent erwarten 2017 «höhere» oder «erheblich höhere» Umsätze im Vergleich zum Vorjahr, während nur 1 Prozent niedrigere Umsätze erwartet. 61 Prozent der Schweizer Firmen planen, die In­vestitionen in China zu verstärken. Für 57 Prozent der Schweizer Unternehmen ist China ein Top-3-Markt für Investitionen. Besonders bemerkenswert sind die Ergebnisse der Befragung von Schweizer KMU. Fast 80 Prozent der KMU gaben höhere (oder erheblich höhere) Umsätze an, nur 3 Prozent rechneten mit geringeren Umsätzen.

Die Studie

Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle «2017 Swiss Business in China»-Umfrage, umgesetzt von der China Europe International Business School (Ceibs, einer führenden Wirtschaftsschule Asiens), Swiss Centers China (SCC), der Schweizer Botschaft in China, Swissnex, Swisscham, Switzerland Global Enterprise und China Integrated. Die umfassende Befragung beinhaltet Antworten von 102 Schweizer Unternehmen, von KMU bis hin zu Grossunternehmen. Damit gilt diese Umfrage als repräsentativ für die ungefähr 600 Schweizer Firmen, die in China den Betrieb aufgenommen haben. Neben den Schweizer Unternehmen nahmen auch Firmen aus China (853), der EU (106) und den USA (105) an der Umfrage teil.

Die Umfrage ist auch deswegen von Interesse, weil sie Rückmeldungen von chinesischen und ausländischen Unternehmen in China sammelt. Darüber hinaus führt die Umfrage zu einer erstmaligen Analyse von Schweizer, internationalen und chinesischen KMU in China. Dadurch wird ersichtlich, wie ähnlich die Schweizer, die europäischen und die US-amerikanischen Unternehmen das Geschäftsumfeld in China beurteilen. Die Ergebnisse der Umfrage ermöglichen auch einen Blick darauf, in welchen Bereichen die Schweizer Unternehmen besonders stark sind und wo im Vergleich zu internationalen und chinesischen Firmen Verbesserungsbedarf besteht.

Stark wachsende Zuversicht

In der aktuellen Studie konnte eine sehr stark wachsende Zuversicht festgestellt werden: Unternehmen aus allen Ländern sind für das kommende Jahr optimistischer eingestellt als in der vorangegangenen Umfrage. Die Unternehmen aus der Schweiz sind wieder die zuversichtlichsten, obwohl die Unterschiede gering sind, wenn man vom – verständlicherweise – pessimistischen Langzeitblick der US-amerikanischen Firmen absieht.

Die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren zwischen der Schweiz und China untermauert die positive Sicht der Schweizer Entscheidungsträger im Reich der Mitte: Schweizer Exporte nach Festlandchina sind auf einem neuen Rekordlevel. Die Ausfuhren aus der Schweiz im Wert von 9,8 Milliarden Franken im Jahr 2016 bedeuten einen neuen Rekord und ein Exportwachstum von starken 9,9 Prozent im Jahresvergleich. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Ausfuhren nach Festlandchina damit fast verdreifacht.

Im Jahr 2016 bestimmten einige sehr interessante Trends die Entwicklung der Exporte aus der Schweiz nach China sowie nach Hongkong. Der wichtigste Faktor für das Wachstum ist die Pharma- und Chemiebranche: Pharma-Exporte nach Festlandchina haben im Vergleich zu 2015 um beeindruckende 28,8 Prozent zugenommen. Mit Ausfuhren im Wert von 4,3 Milliarden Schweizer Franken nach Festlandchina nimmt die Schweizer Pharmaindustrie die führende Rolle in diesem Markt ein. Die Schweizer Maschinenexporte nach Festlandchina machten 2016 einen Warenwert von 2,1 Milliarden Schweizer Franken aus, ein Minus von 2,2 Prozent im Jahresvergleich.

Uhren und Präzisionsinstrumente bleiben weiterhin die bedeutendste Warengruppe, wenn man die Ausfuhren nach China und Hongkong addiert. 2016 wurden Uhren und Präzisionsinstrumente im Wert von 6,3 Milliarden Schweizer Franken nach China und Hongkong verkauft. Allerdings repräsentiert diese Zahl einen negativen Trend: Die Uhrenexporte nach Hongkong, historisch der weltweite Schlüsselmarkt für die Schweizer Uhrenbranche, brachen im Jahresvergleich um 18,5 Prozent ein.

Der Hauptgrund für die rückläufigen Exporte bei Uhren ist die chinesische Antikorruptionsinitiative. Erfreulicherweise konnte das Exportwachstum in den anderen Sektoren den Rückgang der Uhrenexporte nach Hongkong wettmachen. Insgesamt ist das ein positives Ergebnis, das ein gesundes Wachstum verspricht.

Umsätze und Gewinne steigen

Die Ergebnisse der Umfrage sind auf ganzer Linie positiv: Im Vergleich zur Umfrage im Jahr davor stiegen die Schweizer Erwartungen höherer Umsätze von 59 Prozent auf 68 Prozent, die Erwartungen höherer Gewinne von 61 Prozent auf 68 Prozent und die Pläne für verstärkte Investitionen von 57 Prozent auf 61 Prozent. Die Zuversicht von ausländischen KMU ist besonders beachtlich: 65 Prozent der ausländischen KMU erwarten höhere Gewinne, 79 Prozent planen verstärkte Investitionen.

Trotz langsameren Wachstums und im Gegensatz zur Berichterstattung vieler internationaler Medien sind westliche Unternehmen in China also weiterhin erfolgreich und erzielen steigende Umsätze und Profite. In der aktuellen Umfrage sind unter ausländischen (inklusive Schweizer) Unternehmen die Erwartungen von Umsatzsteigerungen um 10 Prozentpunkte höher als 2016. Bei den KMU sind es sogar 25 Prozent.

Während ausländische Grossbetriebe niedrigere Umsatz- und Profiterwartungen als ihre chinesischen Rivalen haben, blicken die internationalen KMU genauso positiv in die Zukunft wie ihre chinesischen Konkurrenten. Eine kürzlich von der Europäischen Handelskammer veröffentlichte Studie brachte sehr ähnliche Ergebnisse: 55 Prozent der europäischen Studienteilnehmer berichteten von einem Einnahmenplus 2016 (+5 % im Jahresvergleich). 71 Prozent berichteten ein positives Ergebnis vor Zinsen und Steuern. 55 Prozent sehen das Wachstum in China optimistisch (+11 %).

Herausforderungen nehmen zu

Allerdings nehmen auch die Herausforderungen für ausländische Unternehmen in China zu. Wie in den drei Jahren zuvor wird auch heuer die Konkurrenz durch chinesische Firmen als stärker als die Konkurrenz durch andere ausländische Unternehmen eingestuft.

Bei den internen Herausforderungen ist wie in allen bisherigen Erhebungen das «Finden und Behalten von talentierten Mitarbeitern» an der Spitze – sowohl bei ausländischen als auch bei chinesischen Entscheidungsträgern. Innovationen sowie Forschung und Entwicklung werden für chinesische Unternehmen eindeutig wichtiger – eine Erkenntnis, die sich mit der Einschätzung deckt, dass chinesische Unternehmen eine immer stärkere Konkurrenz darstellen. Dennoch verfügen ausländische Unternehmen – und im Speziellen die Schweizer Unternehmen – über Qualitäts-, Technologie- und Markenvorteile, die es ihnen erlaubten, trotz stärkerer Konkurrenz weiter zu wachsen.

Ein weiteres positives Ergebnis der aktuellen Umfrage betrifft das Problem der Korruption: In den fünf Jahren seit das Thema abgefragt wird, haben heuer am wenigsten Entscheidungsträger angegeben, dass Korruption in ihrer Branche ein Problem für das Unternehmen darstellt. Sowohl Korruption als auch der Schutz des geistigen Eigentums befinden sich im hintersten Drittel der «externen Herausforderungen».

Human Resources

Umfrageteilnehmer von Schweizer und chinesischen Unternehmen sehen ihre Personal-Herausforderungen ziemlich ähnlich: einerseits das Anstellen und Behalten von talentierten Mitarbeitern, andererseits die steigenden Personalkosten. Paradoxerweise haben chinesische Firmen im Vergleich zu Schweizer Unternehmen viel mehr Schwierigkeiten dabei, «Engagement und Loyalität» bei Mitarbeitern zu stärken. Umgekehrt ist das Behalten von Mitarbeitern für chinesische Firmen ein kleineres Problem. Der Hintergrund könnte sein, dass viele chinesische Unternehmen Mitarbeiter anstellen, die vergleichsweise weniger Chancen auf andere, bessere Arbeitsplätze haben und wahrscheinlich weniger qualifiziert sind. Wir können annehmen, dass die An­gestellten von chinesischen Firmen im Durchschnitt zurückhaltender und weniger engagiert sind.

Wenn es um die kritischen Herausforderungen beim Personalwesen und darum geht, die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, setzen die chinesischen Unternehmen vornehmlich auf finanzielle Anreize und zahlen über dem Marktlohn. Laut der Umfrage ist das die drittwichtigs­te Strategie, gleich nach dem «Bieten von guten Aufstiegschancen» und dem Schaffen eines «Zusammengehörigkeitsgefühls». Auf Platz vier folgen bei chinesischen Firmen das Anbieten von Aktienplänen, was wiederum bei Schweizer Unternehmen keine Rolle spielt.

Chinesische und Schweizer Firmen reagieren auf Herausforderungen im Personalmanagement also sehr unterschiedlich: Während chinesische Unternehmen monetäre Belohnungen bevorzugen, um Mitarbeiter zu behalten (Bezahlung über dem Marktlohn, Aktien, Aufstiegschancen), vertrauen Schweizer Unternehmen auf den traditionellen europäischen Ansatz mit weichen Faktoren: Anerkennung und Belohnungen, Reputation des Unternehmens, gute Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, Coaching und Mentoring.

Es scheint, dass Schweizer Unternehmen über ein effizienteres HR-Management verfügen als ihre chinesischen Konkurrenten. Den Bereich Mitarbeiterbindung sollten sie aber weiter verbessern, weil sie dort hinter den chinesischen Firmen hinterherhinken. Insbesondere sollten sie prüfen, ob sie nicht verstärkt auf Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten und die Bezahlung setzen sollten – zum Beispiel durch das Verknüpfen eines Teils des Gehalts mit der langfristigen Performance des Unternehmens, um ein Gegengewicht zu den chinesischen Aktien-Anreizen zu schaffen.

«Neue Normalität»

Obwohl Chinas jährliches BIP-Wachstum sich kontinuierlich bis auf 6,7 Prozent verlangsamt hat, erzielen die Schweizer (sowie auch andere internationale) Unternehmen weiterhin bessere und beste Ergebnisse. Nachfolgend einige Faktoren, die dazu beitragen:

Das Wachstum findet heute immer weniger in traditionellen Schwerindustrien statt, angetrieben von Bau- und Tiefbau-Projekten. Neue Technologien und Hochtechnologien tragen mehr und mehr zum BIP-Wachstum bei. Und genau dieser Umstand bevorzugt ausländische und besser entwickelte chinesische Unternehmen: Sie können am meisten von diesem Wachstum profitieren. Zum Beispiel verzeichnete der Medizin-Sektor 2016 ein Wachstum von rund 10 Prozent und E-Commerce wuchs um fast 20 Prozent – verglichen mit dem gesamten chinesischen BIP-Wachstum von 6,7 Prozent.

Die behördlichen Regulierungen werden strenger kontrolliert und erlauben dadurch denen, die auf unfaire Praktiken zurückgreifen, weniger Vorteile. Die Korruption geht zurück. Schweizer (und andere westliche) Unternehmen halten sich im Normalfall genauer an Regelungen als die chinesische Konkurrenz. Die strengere Kontrolle führt dazu, dass ein Nachteil, den ausländische Unternehmen in China seit Jahrzehnten haben, wegfällt.

Die Kombination von steigenden Kosten und stagnierenden Preisen drängt alle Unternehmen dazu, effizienter zu werden. Schweizer Unternehmen verfügen über eine reichhaltige Erfahrung, wenn es darum geht, schlank sowie effizient zu arbeiten – schon alleine wegen der hohen Kosten im Heimatmarkt und dem ständig aufgewerteten Schweizer Franken. Demgegenüber mussten sich chinesische Unternehmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten ausschliesslich auf das Wachstum fokussieren. Sie müssen Effizienz von Grund auf lernen.

Obwohl einige Ungleichheiten im Umgang mit ausländischen Unternehmen sicherlich bestehen bleiben und viele Entscheidungsträger aus der Schweiz auch weiterhin von der strengen Durchsetzung von Regularien frustriert sein werden – wenn wir die momentanen Trends analysieren, können wir die Zuversicht der Schweizer Entscheidungsträger über die Zukunft nur unterstreichen.

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