Die Schweiz hat für die Entwicklung des Landes keine Vision entwickelt. Der Aufschrei an der Weltausstellung 1992 mit «la Suisse n’existe pas» war gross und hat Unrast ausgelöst. Beispiele für Reformstau sind die Unternehmensbesteuerung, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen und die Finanzierung der Altersvorsorge; man kann von einer Paralyse notwendiger, struktureller Erneuerungen sprechen.
Die Schweiz lebt im ökonomischen Wohlstand, der mit viel Fleiss erarbeitet wurde. Reformen auf verschiedenen Ebenen stehen an und sind schwierig umzusetzen. Dürrenmatt hat dazu gesagt: «Die Schweiz steht früh auf und wacht spät auf.» Wenn die Aussagen «Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit» oder «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben» stimmen, dann ist es Zeit, sich zu überlegen, wohin die Reise gehen, wie eine Vision inhaltlich gestaltet und wie sie vor allem umgesetzt werden soll.
Fixstern für den Wandel
Die Vision entwirft ein Bild über die langfristige Zukunft und Entwicklungen einer Nation, selbst dann, wenn solche Entwicklungen mit Unsicherheiten verbunden sind. Visionen sind vergleichbar mit Fixsternen, immer am gleichen Ort, gut sichtbar und weit entfernt. Die Vision kann eine Erscheinung oder Offenbarung sein. Wichtig ist, dass die Vision keinen Sinnestäuschungen unterliegt. Basis für die Vision ist deshalb eine klare Analyse des Ist-Zustandes. Vision und Illusion liegen nahe beieinander. Fehlende Visionen lösen aber geistige Verwirrungen und Irritationen aus, die zu starken Polarisierungen und Konflikten in der politischen Ausrichtung führen. Für Unternehmungen ist die Vision ein wichtiger Teil des Changemanagements.
Für den Wandel gelten die folgenden Elemente in dieser Reihenfolge:
- Vision,
- Fähigkeiten und Kompetenzen,
- Anreize,
- Ressourcen,
- Messungen und
- Aktionspläne.
Fehlende Visionen führen zu Konfusionen, fehlende Fähigkeiten und Kompetenzen zu Ängsten, fehlende Anreize zu graduellem Wandel, fehlende Ressourcen zu Frustrationen, fehlende Messungen zu fehlerhaften Starts des Wandels, und fehlende Aktionspläne verhindern den Wandel.
Sinn und Zweck einer Vision
Der Sinn einer Vision für ein Land besteht darin, über die Zukunft ein Bild zu entwickeln, an welchem sich die politische Führung, die Wirtschaft und die Gesellschaft und auch die Unternehmungen orientieren können. Die Firmen richten sich auf die Zukunft der Märkte und deren Produkte aus.
Die Zweckbestimmungen von Visionen sind, Wege oder auch Szenarien aufzuzeigen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit umgesetzt werden können. Die im Jahr 2018 von Avenir Suisse formulierten Szenarien sind: Die Schweiz mit «selbstbestimmtem Rückzug», «Globale Oase» Schweiz, «Club Schweiz», die Schweiz mit «tragfähigen Partnerschaften», «Europäische Normalität» und «Skandinavischer Weg».
Die Szenarien müssen auf einer detaillierten Analyse des Ist-Zustands aufbauen und voneinander abgrenzbar sein. Sie sollten «Neuland» beschreiben, was bei dieser Auslegeordnung nicht behauptet werden kann. Im Idealfall bauen die Szenarien auf einer Vision auf, die unterschiedliche, abgrenzbare und innovative Varianten zulässt.