Branchen & Märkte

Umweltservice

«Vorausdenken gehört zu unserer Firmengeschichte»

Visionäre, grosse und kleine, bringen uns weiter. Vor allem, wenn sie das, was sie denken, auch umsetzen – im Kleinen und im Grossen. Der Schwyzer Familienunternehmer Edgar Steinauer zählt zu ihnen. Seine neue Solarwerkhalle in Bennau funktioniert energieautark. Und das zu 100 Prozent.
PDF Kaufen

Edgar Steinauer ist kein grüner Schwärmer. Er ist ein bescheiden auftretender, erfolgreicher Unternehmer mit wachem Gespür für künftige Aufgaben. Das Recycling ist sein Geschäft. In seinem Betrieb setzt er auf Qualität und Zukunftsorientierung. Die Steinauer AG ist SQS-zertifiziert, sowohl nach ISO 9001 als auch nach ISO 14001. Diese Kombination entspricht wohl seinem Selbstverständnis, denn in der Recycling-Branche ist er es gewohnt, in Kreisläufen zu denken und zu handeln. Mehr noch: Steinauer will die Kreisläufe nach Möglichkeit sogar schliessen. Sein Betrieb verbraucht nicht nur Energie, er soll sie selber produzieren und speichern können. Ziel ist ein möglichst energieautarkes Unternehmen. Ein erstes Projekt steht in Einsiedeln: die Steinauer-Solarwerkhalle fällt auf, weil sie anders aussieht, als man erwartet. Edgar Steinauer sagt im Gespräch mit dem «KMU-Magazin», was ihn dazu bewegt, sich solch anspruchsvolle Ziele zu setzen.

Sie gelten in der Branche als innovativ. Wo hat sich das bis jetzt gezeigt?

Wir sind eine Familien-AG in der jetzt dritten Generation. Vorausdenken gehört irgendwie zu unserer Familiengeschichte. Schon die früheren Generationen waren recht innovativ. Begonnen haben unsere Vorfahren in den 1930er-Jahren mit der Fuhrhalterei mit Pferdezug. Und in den 70er-Jahren boten wir in der Region als erste Firma einen Muldenservice für die gesamte Abfallentsorgung und Abfallaufbereitung an, um das bislang übliche Deponieren der Abfallstoffe zu beseitigen.

Und wo nehmen Sie heute eine Vorreiterrolle ein?

Auch meine Generation bemüht sich natürlich, immer einen Schritt voraus zu sein – in der Umwelttechnik, bei den Fahrzeugen, in der Energiefrage. Wir agieren in der Branche als Vorreiter, werden zuweilen vorerst belächelt, bevor unser Tun später Nachahmer findet. Vor 25 Jahren starteten wir als erste Firma den Test mit Dieselmotoren mit Wasser-Öl-Gemisch. Das kannte man damals in der Schweiz noch nicht. Rund ein Jahr lang verkehrten unsere Fahrzeuge damit. Sie brachten mehr Leistung, eine bessere Verbrennung und bessere Abgaswerte. Auch in der Sparte Kanalreinigung waren wir mit der Reinigung, den Kanal-TV-Inspektionen und mit dem Prüfen von Leitungen in der Region als erstes Unternehmen im Markt aktiv. Und, nicht zuletzt, sorgen wir dafür, dass unsere Gebäude technisch immer auf dem neuen Stand sind. Die Elektromobilität ist bei Steinauer selbst­ver­ständlich ein wichtiges Thema. Abgesehen von den schweren Mobilbaggern, Pneuladern und Lastwagen fahren im Betrieb Elektrofahrzeuge (kleine Hubstapler). Und der Patron selber setzt seit vier Jahren überzeugt auf einen Tesla mit 380 km Reichweite.

Wie «energielastig» ist eigentlich das Recycling-Geschäft?

Eine Sparte unserer Unternehmung beschäftigt sich mit der Produktion von Kiesersatz. Das Aufbereiten der Steine aus Betonklötzen in den grossen Brech- und Schredderanlagen braucht in der Tat recht viel Energie. Diese wird zugekauft, einen Teil davon aus einem Biomassen-Kraftwerk. Für diesen Strom bezahlen wir derzeit zusätzlich 20 Rappen pro Kilowattstunde.

Was brachte Sie auf die Idee, energieautark wirtschaften zu wollen?

Bezüglich des Zeitpunkts ist das noch schwierig zu beantworten. Ich habe laufend bestimmte Visionen vor Augen, denen ich nachstudiere. Ich mache das aber eher im Stillen, gehe vorerst nicht an die Öffentlichkeit damit. Meine stete Auseinandersetzung mit Umweltfragen mündete schliesslich im Ziel, möglichst energieautark wirtschaften zu wollen. Die Energiequellen liegen ja vor der Haustüre, man muss sie nur intelligent nutzen. Die Sonne ist im Moment das Augenfälligste, andere Quellen sind noch nicht ausgereift, zum Beispiel die Nutzung von Wasserstoff, oder, noch weiter entfernt, die Energie aus dem Raum.

Wer unterstützte Sie bei der Umsetzung Ihrer Idee?

Wichtig ist vorerst, die richtigen Leute zu finden, die sich für ein solches Projekt begeistern lassen. Das braucht Geduld und eine gewisse Hartnäckigkeit. Im Falle unserer neuen Solar-Werkhalle suchten wir zuerst die Zusammenarbeit mit einem Schweizer Hersteller. Gespräche fanden statt, aber der Glaslieferant wollte das Engagement im Projekt letztendlich doch nicht eingehen. Danach fanden wir eine deutsche Firma als Kooperationspartnerin, die aber leider Konkurs ging, was in den letzten zwei, drei Jahren in der Solarsparte bekanntlich da und dort zu beklagen war. Schliesslich fanden wir mit der Firma PV Products ein Unternehmen in Österreich. Sie als Herstellerin und wir als Initiant übernahmen das Risiko. PV Products schaffte es, das Projekt umzusetzen. Die Planung der Solarwerkhalle lag in den Händen der Firma Ivolt. Die Firma habe ich als Initiant vor bald vier Jahren mit zwei Partnern zusammen gegründet. Unterstützt wurde das Projekt zudem von den beiden Ingenieuren Marius Bachofen von der eigenen Firma Owipex und Patrick Steinauer, meinem Bruder. In der Umsetzung wirkten technische Mitarbeiter aus unserer Unternehmung tatkräftig mit.

Und was hält Ihre Familie davon?

Wertvoll ist, dass meine Gattin umweltmässig die gleiche Linie vertritt. Auch meine Brüder und meine Kinder haben das Gedankengut verinnerlicht und handeln entsprechend. Wir investieren einen Teil der Gewinne in solche Projekte, denken nicht in kurzen Zyklen, sondern langfristig. Wir suchen nicht das schnelle Geld und denken über Generationen hinaus.

Was ist das Besondere an der Solarwerkhalle?

Ziel war es, eine Halle mit einer Fassade zu bauen, welche drei Aufgaben erfüllt. Sie muss erstens isolieren, sie muss zweitens Licht in die Halle bringen, und sie muss natürlich drittens Energie erzeugen. Das Prinzip der Gewinnung von Solarenergie aus Fassaden mit aufgeschraubten Solarzellen kennt der Markt seit geraumer Zeit. Wir gingen aber einen Schritt weiter und integrierten die Zellen direkt in die Fassade. Das ist eine völlig neue Technologie. Dadurch gelingt es, einen Teil des Volumens der Fassade zu sparen, gleichzeitig zu isolieren und die Fassade lichtdurchlässig zu gestalten. Neu ist auch: Wir haben nicht nur die Süd- und die Westseite so gestaltet, sondern auch die beiden andern Seiten. Und wir ge­winnen, wenn auch unterschiedlich, aus allen vier Fassaden Energie, selbst bei diffusen Lichtverhältnissen und blosser Lichtreflektion. Der andere Eckpunkt des Projekts bildet die Speicherung der gewonnenen Energie. Zwischen 11 und 13 Uhr ergeben sich grosse Spitzenlasten. Daraus resultiert vielfach ein Netzproblem. Um das brechen zu können, operieren wir in Bennau mit einem Batterie-speicher, der, je nach Stand der Batte­rietechnologie, einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent hergibt. Unser System ist jetzt auf zehn Kilowatt ausgelegt. So müssen wir das Netz nicht belasten. Zusammenfassend: Die Besonderheit der Halle liegt in der Rundum-Fassade und in der Art der Speicherung, damit die Energie direkt genutzt werden kann.

Sie haben jetzt fast ein Jahr Erfahrung gesammelt. Welchen Zielerreichungsgrad haben Sie erreicht?

Für unsere erste Halle haben wir das Ziel erreicht. Die gewonnene Energie reicht. Und ein kleiner Teil kann überdies ans Netz abgeführt werden mit zehn Rappen Entschädigung. Ein visionärer Schritt ist immer etwas grösser als schliesslich die Zielerreichung. Aber ohne Vision kommt man nicht ans Ziel. Aus dem Pilotprojekt ist jetzt ein Leuchtturmobjekt für die Energiegewinnung geworden. Für die sich im Bau befindenden zwei grossen neuen Hallen mit Shed-Dach benötigen wir eine um das Zwanzigfache höhere Energieleistung. Deshalb nehmen wir Optimierungen vor. Das Dach bekommt übrigens eine verstellbare Solaranlage.

Was muss da noch getan werden, um 100 Prozent Unabhängigkeit zu erreichen?

Wir wissen beim zweiten Projekt noch nicht, welchen Wirkungsgrad wir dort erreichen können, weil die Verhältnisse völlig anders liegen (Bau in den Boden). Wir prüfen derzeit verschiedene Lösungsoptionen: In der Nähe fliesst ein Bach, da ist überdies das Sonnenlicht, da gibt es Biomasse. All das bietet sich an für die Nutzung. Nicht nur die Grösse der Hallen ist das Problem, sondern auch die Art der Nutzung der Hallen mit viel Energie verzehrenden Anlagen. Entsprechend anspruchsvoll stellt sich das Speicherproblem, denn wir müssen grosse Mengen speichern können. Aber die Zeit arbeitet eigentlich für uns. Dank den Fortschritten der Elektromobilität werden die Batterien immer smarter.

Wie definieren Sie den Return on Investment bei Ihren «grünen» Projekten?

Bei grossen Projekten dieser Art muss man mit einem weiten Horizont von 10 bis 20 Jahren rechnen. Naturgemäss bestehen deshalb viele Unwägbarkeiten. So wissen wir heute nicht, wie hoch später die Energiekosten sein werden. Sicher ist: die Energie wird später nicht billiger. Hätten wir den Businessplan einer Bank vorlegen müssen, wäre es wohl nie zum Spatenstich gekommen. Die Zahlen behalten wir im Auge, aber renditemässig sind uns die qualitativen Vorteile wichtiger: Man ist unabhängig, tut etwas für die Umwelt; wir haben mit dem Projekt in der Region Arbeitsplätze geschaffen. Kurz: Wir haben in die Zukunft investiert.

Wie reagiert der Markt auf Ihre Innovation?

Wir hatten viele positive Feedbacks. Leute kommen vorbei und schauen. Ich bin jetzt Mitglied einer Energiekommission in der Gemeinde, kann dort meine Erfahrungen zugunsten der Allgemeinheit weitergeben. Wenn andere hier mitziehen, bleibt die Wertschöpfung in der Region. Das Unternehmen PVP hat inzwischen noch weitere Anlagen gebaut, eine davon mit integrierten Holzbalken. Die inno­vative Firma gewann durch unser Nischenprojekt einen weiteren Marktzutritt, konnte sich diesbezüglich von der chinesischen Konkurrenz abheben. Auch das ist ein Gewinn.

Porträt