Branchen & Märkte

Energieversorgung

Über den Umgang mit der Rohstoffkrise

Schwankende Rohstoffpreise und Versorgungsengpässe werden den Unternehmen in den kommenden Jahren starke Probleme bereiten. Vielen ist das bereits bewusst, dennoch ist es für Firmen schwierig, geeignete Lösungen zu finden. Die Unternehmer wissen nicht, wie sie dem Thema konkret begegnen können. Dabei können sie mehr tun, als sie denken.
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Die Ölquellen sind versiegt, die Rohstoffversorgung ist zusammengebrochen, die Märkte sind kollabiert. Innerhalb kurzer Zeit kommt in jedem Land die Produktion zum Erliegen. Unternehmen sind handlungsunfähig. Die Wirtschaft ist am Ende. Das ist wahrscheinlich das Horrorszenario eines jeden Unternehmers. Und es ist nicht vollkommen unbegründet.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Schreckensmeldungen zur Rohstoffkrise in den Zeitungen stehen. Die globale Angst wächst. Der Klimawandel ist in aller Munde. Die Tage des Erdöls scheinen gezählt: Zwar sind Öl und Ölerzeugnisse noch ausreichend vorhanden, aber der «Peak Oil» ist nach Expertenmeinung bereits überschritten. Ein sinkendes Verlangen auf den fossilen Brennstoff ist nicht in Sicht: Jeden Tag verbraucht die Weltbevölkerung rund 87 Millionen Barrel – in einem Jahr entspricht das der Menge an Öl, die in einer Million Jahre entstanden ist.

Kritisch sind auch die Seltenen Erden, die vor allem in der Hightech-Industrie unentbehrlich sind. 90 Prozent der weltweit geförderten Menge stammen aus China. Und auch die grössten Reserven finden sich im Reich der Mitte. Durch Exportbeschränkungen hat China versucht, die Versorgung anderer Staaten künstlich zu verknappen und so seine Vormachtstellung weiter auszubauen: Haben sich 2011 die Preise für Seltene Erden teilweise vervier- oder -sechsfacht, fand in diesem Jahr eine Korrektur nach unten statt.

Was dennoch klar erkennbar ist: Der Kampf um Seltene Erden ist entbrannt; andere Industriestaaten könnten zukünftig das Nachsehen haben.

Und auch die komplette Energieversorgung muss überdacht werden: Je höher beispielsweise der Anteil an regenerativer Energie ist, der in die Netze eingespeist wird, desto abhängiger werden wir von Grosswetterlagen. Für Solarenergie wird Sonne benötigt, für Windenergie Wind. Da das dafür benötigte Wetter nicht fortwährend vorhanden ist, kann nicht immer Strom erzeugt werden. Das Speichern von Energie mit möglichst geringen Umwandlungsverlusten rückt in den Fokus. In Stuttgart wird beispielsweise gerade ein Verfahren getestet, das Umwandlungsverluste minimieren soll, indem Energie in Gas umgewandelt wird.

Aber auch Rohstoffe, die anscheinend momentan ausreichend vorhanden sind, könnten in Zukunft knapper werden. Ein Beispiel ist die «Alltagsressource» Wasser. Durch den Klimawandel könnte Wasser auch in Europa knapp werden. Es werden zum einen Überschwemmungen erwartet, zum anderen längere Dürreperioden, in denen das Wasser knapp wird (www.oekosystem-erde.de). Krieg um Wasser? In den kommenden Jahrzehnten durchaus ein denkbares Szenario. Wasser ist vielfältig einsetzbar: Es ist Teil des Ökosystems und Lebensmittel und Wirtschaftsgut in einem.

Aus zwei Gründen ist Wasser als Rohstoff extrem gefährdet: Erstens wird mehr Wasser entnommen, als von der Natur gebildet werden kann; dadurch sinkt der Grundwasserspiegel und ganze Seen können austrocknen: Ein aktuelles Beispiel ist der Pecos River in New Mexiko, der bereits auf einer Strecke von mehr als 35 Kilometern ausgetrocknet ist (http://www.wwf.de/fotostrecke/die-welt-durstet/). Zweitens gelangen bereits jetzt langlebige Chemikalien ins Wasser, die vom natürlichen Ökosystem nicht aufbereitet werden können. Um dem vorzubeugen und das gesamte Ökosystem aufrechtzuerhalten, sind alle gefragt; Privatpersonen ebenso wie Unternehmer. Jeder sollte sich überlegen, an welcher Stelle er Wasser einsparen kann. Fakt ist: Die Unsicherheiten für Unternehmen steigen. Wer jetzt nicht vorsorgt, wird in Zukunft das Nachsehen haben. Viele Unternehmen verlassen sich allein auf die Politik; aber mehr als Flankenschutz kann der Staat nicht geben. Unternehmen müssen jetzt handeln, um in Zukunft wettbewerbsfähig und erfolgreich zu bleiben.

Zukunft frühzeitig steuern

Für Unternehmen gilt es erstens zu analysieren, welche Ressourcen für die Herstellung ihrer Produkte gebraucht werden. Zweitens welche Lieferbeziehungen bestehen und woher die Lieferanten ihre Rohstoffe erhalten. Und drittens welche Gefahren sich daraus ergeben.

In der Praxis hat sich dafür eine erweiterte Business-Impact-Analyse bewährt, die die gesamte Lieferkette mit einbezieht; also auch die Ressourcensituation der Lieferanten betrachtet. Mit dieser Methode können Unternehmen einfach und effektiv kritische Abhängigkeiten von Prozessen, Produkten und Ressourcen erkennen. Durchgeführt wird die Analyse am besten von internen Experten. Denn schliesslich kennt niemand die Bedürfnisse so gut wie das Unternehmen selbst. Um Schwerpunkte effektiver zu erarbeiten und methodische Unterstützung zu erhalten, kann allerdings ein erfahrener Sparringspartner eine gute Wahl sein.

Ein Schnell-Check zeigt, von welchen Rohstoffen Unternehmer abhängig sind. Folgende Fragen geben Aufschluss:

› Welche Produkte sind heute und/oder morgen Ihre umsatzkritischen Produkte?

› Welchen Lebenszyklen unterliegen diese?

› Welche Aktivitäten sind erforderlich, um diese Produkte zu erzeugen?

› Welche Rohstoffe und halbfertigen Erzeugnisse sind erforderlich?

› Woher kommen die Rohstoffe und halbfertigen Erzeugnisse?

› Welche externen Lieferanten sind beteiligt?

› Aus welchen Regionen stammen diese Rohstoffe? Stammen sie aus Krisenregionen?

› Wie kritisch sind diese Rohstoffe? Sind sie knapp? Werden sie monopolartig verwaltet? (Verwenden Sie zur Recherche beispielsweise Quellen wie die Deutsche Rohstoffagentur oder die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Auch die Schweizer Universitäten Bern und Zürich beschäftigen sich mit dem Thema und sind gute Ansprechpartner)

› Welche Energieträger verwenden Sie und woher kommen diese?

Aus den Ergebnissen der Analyse können Unternehmen dann ihre passende Rohstoffstrategie ableiten.

Die Hamsterstrategie

Das Unternehmen verwendet Rohstoffe, die wenig Lagerplatz benötigen und in absehbarer Zeit wahrscheinlich schwer zu beschaffen sind? Oder ist ausreichend Lagerplatz vorhanden, um die Rohstoffe auch längerfristig lagern zu können? Dann ist diese Strategie genau die richtige, um konkurrenzfähig zu bleiben: Vorräte von seltenen Rohstoffen anlegen und nur kaufen, wenn die Rohstoffe auch günstig sind.

Die Einkaufsstrategie

Der Einkauf ist strategisch ausgerichtet? Das Unternehmen weiss, welche Rohstoffe wann benötigt werden und hat daraus Einkaufsstrategien abgeleitet? Es ist bekannt, an welcher Stellschraube (z. B. Preis, Menge, Produkt) gedreht werden muss, um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten? Dann ist es sinnvoll, bereits bestehende Kontakte zu nutzen und sich mit diesen zu verbünden. Das Unternehmen erhält so mehr «Gewicht» und kann bessere Preise abrufen. Wichtig ist, die Strategie immer wieder zu überdenken und an das aktuelle Marktgeschehen anzupassen.

Die Diversifikationsstrategie

Unternehmen sollten ihr Lieferantennetz und ihre externen Partner genau prüfen. Ist statt einer Konsolidierung eine bewusste Ausweitung erforderlich? So können die Firmen bei Verknappung des betreffenden Rohstoffs beispielsweise durch Ausfuhrbeschränkungen, Unruhen oder Krisen besser vorbereitet sein.

Die Substitutionsstrategie

Welche besonders kritischen Rohstoffe kann das Unternehmen durch andere Rohstoffe ersetzen, die leichter zu beschaffen sind? Zu beachten ist hierbei, dass der «Ersatz» auch reichlich verfügbar bleibt und die Qualität nicht leidet.

Die Gewinnungsstrategie

Welche Quellen könnte das Unternehmen anzapfen? Gibt es die Möglichkeit, aus Recycling Rohstoffe zu gewinnen? Zusätzlich macht es Sinn, Anreize zu setzen, dass Kunden ausgesonderte Produkte zur Rohstoffrückgewinnung zurückgeben.

Wasser ist für die gesamte Menschheit essenziell – daher stehen die Unternehmen in besonderer Verantwortung, Wasser nicht gedankenlos zu verschwenden, sondern sorgsam mit der begrenzten Ressource umzugehen. Das Ziel sollten abwasserfreie Unternehmen sein: Industriebetriebe würden dabei ihre Wasserverbraucher (zum Beispiel Maschinen, die Kühlwasser benötigen) und die Anfallstellen von Abwasser genau erfassen. Der Wasserverbrauch kann dann zum Beispiel verringert werden, indem Wasser aufbereitet und wieder eingesetzt wird.

Ist das Wasser zu sehr verschmutzt, kann es an Stellen genutzt werden, wo niedrigere Qualitätsanforderungen bestehen, zum Beispiel für das Reinigen von Maschinen ohne Hygienestandard. All diese Aspekte sollten bedacht werden, um auch nachfolgenden Generationen den lebensnotwendigen Rohstoff Wasser garantieren zu können. «

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