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Schweiz und USA: eine gemeinsame Zukunft

Mit dem Inkrafttreten des «Tax Cuts and Jobs Act» ist in den USA die bedeutendste Steuerreform seit der Reagan-Ära Wirklichkeit geworden. Der Beitrag beschreibt die Ziele und Konsequenzen der Reform und zeigt, welche Auswirkungen diese auf den Standort Schweiz haben.
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Als die Autorinnen letzthin an einem Anlass der Industrie- und Handelskammer teilnahmen, wurden sie nachdenklich, nachdem sie mit dem Satz konfrontiert worden waren: «Es sieht sehr schlecht aus für Amerikas Zukunft» – und das von einem Regierungsrat in der Zentralschweiz. Eigentlich nicht die übliche Reaktion zum Thema USA und Trump, die sie in der letzten Zeit aus bürgerlichen Kreisen zu hören bekamen.

Wachstumsmarkt Nummer eins

Aber was bedeutet es für die globale Wirtschaft, wenn es Amerika – der grössten Volkswirtschaft der Welt mit einem BIP von rund 19,36 Billionen US-Dollar im Jahre 2017 – schlecht geht? Wird es uns in Sachseln, Sursee oder Schwyz auch schlechter gehen, wenn unser zweitgrösster Kunde weniger Produkte bestellt und konsumiert? Zweifelsohne lautet die Antwort «Ja».

Und die Vereinigten Staaten von Ameri­ka konsumieren in rekordverdächtigen Sphären. Laut Statistik importieren die USA als weltweit zweitgrösster Markt Schweizer Produkte im Gesamtwert von rund 33 Milliarden Franken. Nur Spitzenreiter Deutschland importiert mehr hiesige Produkte, nämlich im Umfang von über 40 Milliarden Franken. Und die Tendenz zeigt, dass die Zahlen weiter ansteigen werden. Die Exporte in die USA wuchsen in den letzten zehn Jahren um 73 Prozent und machten somit die USA zur Nummer eins der Wachstumsmärkte für Schweizer Produkte.
 
Es scheint, dass unsere gemeinsame Zukunft untrennbar miteinander verbunden ist. Dabei ist eine Zukunft, die auf freiem und fairem Handel, gemeinsamen demokratischen Werten und geteilter Prosperität basiert, das unmittelbare und langfristige Ziel. Um dies zu erreichen, stellen sich in beiden Ländern momentan wichtige steuer- und regulierungspolitische Fragen, die für künftige Erfolge oder das Scheitern entscheidend sein können.

Nicht Amerika alleine

US-Präsident Donald Trump hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) die Unternehmen der Welt dazu eingeladen, in den USA Geld zu investieren. «Nie war die Zeit besser, um einzustellen, zu wachsen und zu investieren», sagte Trump in seiner Rede am letzten Tag des WEFs vor mehreren Hundert Vertretern der Wirtschafts- und Finanzelite. «Jetzt ist die perfekte Zeit, Ihren Betrieb und Ihre Investitionen in die Vereinigte Staaten zu bringen.» Amerika sei der Platz, um Geschäfte zu machen, aber gleichzeitig bedeute «Amerika zuerst» nicht «Amerika alleine». Klar ist jedoch, dass für Trump die USA immer an erster Stelle stehen werden, aber wenn es Amerika gutgeht, wird es auch anderen Ländern gut gehen.

Diese Überzeugung von Trump ist nichts Neues und war fester Bestandteil seiner Wahlkampagne. 2016 erklärte er in Pennsylvania (wo zweimal Obama gewählt wurde) vor Arbeitern der arg gebeutelten Stahlindustrie, dass Amerika der beste Ort weltweit sein soll, um neue Unternehmen zu gründen, Arbeitnehmer einzustellen und Fabriken zu eröffnen. Dies wird ebenfalls durch Trumps Auswahl für die Uno-Botschafterin, Nikky Haley, untermauert. Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina ist nämlich mehr für ihre erfolgreichen Neuinvestitionen in internationale Unternehmen bekannt als für ihre Erfahrung in Angelegenheiten des internatio­nalen Menschenrechts. South Carolina wurde unter der Leitung von Gouverneurin Haley vom zur «Financial Times» gehörenden «FDI Magazine» (www.fdiintelligence.com) zum nationalen Sieger für direktes Investment in fremde Märkte gekrönt, dies vor starken Mitstreitern wie North Carolina und Kalifornien.

Steuer- und Regulierungsreform

Um Amerikas Ziel von Wachstum und Investition durch ausländische Unternehmen zu erreichen, braucht es als Erstes eine umfassende Regulierungsreform und Änderungen in der Gesetzgebung. Obwohl das englische Wort «disruptive» viel zu oft benutzt wird, passt es hinsichtlich des abrupten Kurswechsels nur allzu gut. Trumps Ziel, die USA wirtschaftlich als Nummer eins zu positionieren, hat weltweite Auswirkungen zur Folge und hängt massgebend von zwei primären Reformen ab: dem «Tax Cuts and Jobs Act of 2017» und dem Regulierungsabbau.

Mit dem Inkrafttreten des «Tax Cuts and Jobs Act» am 22. Dezember 2017 ist in den USA die bedeutendste Steuerreform seit der Reagan-Ära Wirklichkeit geworden. Die in dem Gesetzespaket enthaltenen Regelungen sollen vorrangig zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen auf dem Weltmarkt dienen und sollen gleichzeitig die US-Konjunktur ankurbeln. Hauptteil des Acts sind vor allem die Senkung des Konzernsteuersatzes von derzeit 35 Prozent auf 21 Prozent, die Einführung der steuer­lichen Sofortabzugsfähigkeit von Anschaffungskosten für bestimmte Wirtschaftsgüter sowie die Neugestaltung des internationalen Steuerrechts. Während die Steueränderungen für natürliche Personen bis zum 31. Dezember 2025 befristet sind, sind die Änderungen im Konzernsteuerrecht unbefristet.

Zu den Hauptzielen des Acts gehören zum einen die Anziehung ausländischer Firmen und von deren Investitionen in die amerikanische Wirtschaft. Zum anderen will man amerikanische Unternehmen wieder nach Hause holen, welche sich durch wirtschaftliche Vorteile ins Ausland locken liessen. Trumps Regierung verkündet per Twitter mit Genuss regelmässig neue ausländische Investitionen. South Carolina (SC), Heimatbundesstaat von Trumps Uno-Botschafterin, gab neulich bekannt, dass die Paul Bippus GmbH, ein deutsches KMU, welches auf die Produktion von Drehteilen für den Automobilbereich spezialisiert ist, 16,1 Millionen US-Dollar für einen Standort in SC investieren wird. Hauptgrund seien die wirtschaftlichen Vorteile und die Nähe zu ihrem Grosskunden Robert Bosch GmbH, welche Ende 2017 selbst eine 152-Millionen-Dollar-Expansion von existierenden Operationen verkündete.

Auswirkungen auf die Schweiz

Die Auswirkungen auf den Schweizer Standort sind vielfältiger Natur. Angebote und Aktivitäten der amerikanischen Wirtschaftsentwicklung sind zunehmend wahrzunehmen. Anreize wie insbesondere vergünstigte Immobilien und Land, Steuervergünstigungen und Arbeiter-Training sowie Hilfsmittel von den amerikanische Gemeinden und den Bundesstaaten versüssen das Angebot und unterstreichen den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Regionen. Nicht ganz überraschend also, dass demnächst drei Delegationen aus den Vereinigten Staaten der Kanzlei der Autorin einen Besuch abstatten werden, um Beziehungen mit Schweizer KMU aufzubauen.

Eine weitere eher negative Auswirkung für die Schweiz ist der mögliche Verlust an Attraktivität für Unternehmen und US-Gesellschaften, die aufgrund der alten Steuergesetze Gewinne im Ausland angehäuft hatten. Ob diese Firmen ihre internationale Präsenz aufgeben und eine endgültige Rückkehr in die Heimat bevorzugen und dabei ihr Geld wieder in die USA zurückführen, ist noch offen. Diese Frage plagt die Schweizer Wirtschaftsentwickler und Promoter.

Mittlerweile wird deutlich, welche Bedeutung und Dringlichkeit der Steuervorlage 17 (SV17) zukommt. Viele meinen, dass die Schweiz in Sachen Gewinnsteuern günstiger sein muss als die USA. Wirtschaftsminister Ueli Maurer plant dabei, die SV17 Anfang des Jahres 2019 in Kraft zu setzen. Hinsichtlich deren Umsetzung stellen sich aber noch einige wichtige Fragen. So zum Beispiel die Rückführung von Dividenden oder die günstigere Besteuerung geistigen Eigentums. Nicht überraschend lehnen das Gewerbe und die Industrie jede Erhöhung der Dividendenbesteuerung ab, da sie die negativen Auswirkungen auf die KMU fürchten. Der Druck steigt und ein Scheitern der SV17 wäre ein standortpolitisches Worst-Case-Szenario für die Schweiz. Auf jeden Fall ist es für unser Land unerlässlich, eine klare und konkurrenzfähige Steuerpolitik zu haben, welche die KMU – verantwortlich für zwei Drittel der Arbeitsplätze – unterstützt und beflügelt.

Regulierungsmüdigkeit

Ein wichtiges Thema, das in den USA und in der Schweiz – vor allem bei den KMU – Anklang findet, sind die immer höheren Regulierungskosten und Zeitaufwände für die Bürokratie. Um die missliche Situation zu schildern, hat die New York Times Ende des vergangenen Jahres ein Porträt über die Apfelbauern in den USA publiziert. Die New York Times hat über 5000 Vorschriften gefunden, die für die Apfelplantagen einschlägig waren. Heftig kritisiert wurde nicht nur der Umfang der Regulierung, sondern auch die sich ständig verändernden Vorschriften und die durch die staatliche Regulation bedingten Kosten, die vernichtend auf kleine und mittlere Unternehmen wirken. Diese Faktoren führen zur sogenannten «Regulatory Fatigue» – Regulierungsmüdigkeit.

Aufgrund der hohen Regulierungskosten und des immensen Aufwands werden Obst und Gemüse künftig von grösseren Firmen – inländisch und ausländisch – produziert. Ohne einen Regulierungsabbau werden kleine und mittlere Unternehmen entweder aufgekauft oder sie werden gezwungen, ihre Türen zu schliessen.

Genau diese Angst und Müdigkeit hat Trump insbesondere in seinem Wahlkampf bestens verstanden und für sich genützt. Viele sind der Meinung, dass die staatliche Regulierung unter Barack Obama exzessiv war und dies die wirtschaftliche Entfaltung der USA gebremst hat. Trump hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, die Bürokratie in den Bundesbehörden abzubauen, weil sie die US-amerikanische Wirtschaft belaste. Seine Regierung hat deshalb als Priorität unzählige Deregulierungsmassnahmen ergriffen.

Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat Trump einen Erlass zum Abbau der Bürokratie in Bundesbehörden unterzeichnet. Damit darf eine neue Vorschrift künftig nur erlassen werden, wenn zugleich zwei bestehende abgeschafft werden. Regulierungen werde es auch weiterhin geben, aber auf einem normalen Niveau, sagte der Präsident bei der Unterzeichnung im Weissen Haus.

Regulierungsmüdigkeit ist auch in der Schweiz erkennbar. KMU, die etwa 99 Prozent aller Unternehmen ausmachen, werden mit immer mehr administrativem Aufwand und zusätzlichen Kosten belastet. Gemäss einer Studie des Schweizer Gewerbeverbands fallen jährlich Regulierungskosten von rund vier Milliarden Schweizer Franken allein in den Bereichen Arbeitsrecht, Sozialversicherungen und Lebensmittelhygiene an. Hochrechnungen haben ergeben, dass gesamthaft von durch staatliche Regulation bedingten Kosten in der Höhe von rund 50 Milliarden Franken oder zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts auszugehen ist. Gewerbe- und Industrieverbände sind gefordert, mehr als je zu vor.

Wenn es Amerika gut geht, geht es uns auch hier in die Schweiz gut. Gemeinsam ist eine Zukunft möglich, in der freier und fairer Handel stattfindet und demokratische Werte und Prosperität florieren. United we stand, divided we fall.