Branchen & Märkte

Mobilität

Neue Bedürfnisse, neue Lösungen

Die Auto-Mobilität schreibt eine über 125-jährige Geschichte, welche Werte wie Freiheit und Bequemlichkeit im letzten Jahrhundert auf besondere Weise geprägt hat. Jedoch ist Mobilität heute längst nicht mehr das, was sie einmal war. Erfüllt die Mobilität heute noch die zugeschriebenen Werte? Und wie beeinflusst sie unsere Lebensqualität heute?
PDF Kaufen

Wenn wir das zunehmende Verkehrsaufkommen auf Schweizer Strassen beobachten (siehe auch Abbildung 1), so bekommen wir Mobilität täglich besonders stark und konzentriert in unseren Ballungsräumen zu sehen und auch zu spüren. Die wesentlichen Folgen des dichten Autoverkehrs und der damit verbundenen alltäglichen Verkehrsstaus sind ein dramatisch erhöhter Stresspegel der Verkehrsteilnehmenden in Kombination mit verlängerten Wegzeiten.

Wunsch und Wirklichkeit stehen im starken Kontrast zueinander. Die Mobilität und insbesondere der Motorisierte Individualverkehr (MIV) können die Werte nach Freiheit und Bequemlichkeit längst nicht mehr erfüllen. Die Lebensqualität sinkt hier spürbar ab. Deshalb verwundert es nicht, dass sich langsam eine Neuausrichtung in Sachen Mobilität erkennen lässt.

Einflussgrössen Mobilität

Schauen wir uns nun einige wichtige Einflussgrössen an, die einen wesentlichen Beitrag zum neuen Verständnis der Mobilität leisten.

Überlastete Verkehrsinfrastruktur «Strasse»

Ende 2012 waren 5,6 Millionen Fahrzeuge in der Schweiz immatrikuliert. Im Vergleich zum Jahr 1990 fahren heute 48,4 Prozent mehr Fahrzeuge auf unseren Strassen. Oder anders ausgedrückt: Das heutige Verkehrsaufkommen ist fast 1,5-mal höher als noch vor 20 Jahren.

Addieren wir noch den Anteil an Güterverkehr, können wir die Belastung auf den Hauptverkehrsachsen um Faktor 1,5 erhöhen. Diese macht deutlich, was wir empfinden, wenn wir beispielsweise im Raum Zürich unterwegs sind:

  • Das Verkehrsaufkommen ist überproportional zu den Ausbaubestrebungen oder Ausbaumöglichkeiten der Verkehrsinfrastruktur gestiegen.
  • Strassen und Autobahnen werden zu Dauerbaustellen, was den Verkehr zusätzlich belastet.
  • Als Folge davon wird es auf unseren Strassen immer enger. Ganz besonders deutlich spüren wir das in den Grossräumen Genf, Lausanne, Bern, Basel und Zürich/Winterthur.

Die Entwicklung hin zu städtischen Agglomerationen und zur Urbanisierung schreitet ständig voran. Bereits heute leben mehr als 50 Prozent der weltweiten Bevölkerung in Städten. Bis zum Jahr 2050 rechnet man mit einem Anstieg auf 75 Prozent städtische Bevölkerung. Städte werden zu «Mega Citys», und ehemals ländliche Gemeinden sind bereits heute vor den Toren der Grossstädte bis auf den letzten Platz überbaut, um der Wohnungsnot im städtischen Umfeld zu begegnen. Auf politischer Ebene werden Zonenpläne und neue Bauvorschriften diskutiert mit dem dringlichen Ziel, mehr Wohnraumkapazität zu ermöglichen. Dennoch bleibt der Wohnraum in den Ballungsräumen knapp.

Das sterbende Statussymbol «Auto»

Die letzten Jahre waren geprägt von gewissen Neuausrichtungen im Umgang mit Statussymbolen. Vergegenwärtigen wir uns die rasante Entwicklung der Mobiltelefonie, des Bereichs mobiler Daten und der so genannten «sozialen» Netzwerke. Und erinnern wir uns an die seit Jahren anhaltende permanente Wer-bung mit immer neuen und scheinbar günstigen Angeboten, welche einen unvergleichlichen Boom bewirkte und alle Bevölkerungsschichten wie auch Altersgruppen erfasst hat.

Mit den sozialen Netzwerken wurden Selbstdarstellungsplattformen kreiert, auf denen sich heute Jung und Alt tummeln. Auf subtile, aber sehr wirkungsvolle Weise sind wir von unseren neuen «Spielzeugen» abhängig geworden, welche wir ständig und überall mit uns herumtragen sowie Tag und Nacht bedienen können. Und wer dazugehören will, tut sich natürlich immer mit dem neuesten Smartphone oder dem neuesten Tablet-PC hervor.

Diese Geräte stehen heute in der Rangfolge ganz oben, wenn es um Statussymbole geht. Sie geben dem Menschen die Chance, in einer digitalen Welt hochmobil zu sein – am besten an mehreren virtuellen Orten gleichzeitig. Und damit haben sie das Auto als Statussymbol abgelöst, mit dem es immer schwieriger wird, einfach nur von A nach B zu kommen.

Und noch etwas anderem wurde durch die breite Akzeptanz der sozialen Netzwerke und der mobilen Datentechnik der Weg geebnet: der gemeinschaftliche Konsum und Austausch von Informationen und Dingen. Es ist sehr einfach geworden, etwas mit anderen zu teilen. Das sind heute vorwiegend Musik, Fotos oder Texte und Informationen, aber auch physische Dinge wie Essen und Trinken, Autos oder Wohnungen. Der Markt für Carsharing ist im Moment der am weitesten entwickelte Markt mit einer gut verankerten Akzeptanz bei der Bevölkerung. Das «Sharing» ist den Konsumenten also wichtiger geworden als das «Car». Als Folge davon schiessen zurzeit immer neue private und geschäftliche Carsharing- oder Carpooling-Angebote wie Pilze aus dem Herbstboden.

Die Notwendigkeit des Teilens

Die aktuell in Deutschland und der Schweiz durchgeführte Studie «Sharity» des Gottlieb Duttweiler Instituts ist spannende Lektüre und wertvolle Datenbasis zugleich. Sie gibt den Blick frei auf einen dem Luxuskonsum von tollen und teuren Kleidern, Wochenend-Trips, Restaurants oder Wellness gegenläufigen Trend. Erklärbar wird dies durch die Altersstruktur.

Während die Baby-Boomer-Generation beruflich etabliert und als stark individualistisch bis selbstbezogen dargestellt wird, herrschen bei den jüngeren Generationen andere Schwerpunkte für ihren Lebensstil vor: Teilen ermöglicht Flexibilität bei einer erweiterten Auswahl, schont die begrenzten finanziellen Ressourcen und verschafft einen sozialen Mehrwert, einhergehend mit der Stärkung des Verantwortungs- und Selbstbewusstseins. Auch die jüngeren Generationen konsumieren und wollen nicht verzichten. Sie rücken jedoch näher zusammen und vergrössern miteinander die Konsumoptionen.

Die seit Jahren anhaltende Entwicklung sinkender Realeinkommen des Mittelstandes bei gleichzeitig immer härteren Bedingungen für einen Privatkredit tragen ebenfalls zur Option des Teilens bei, wenn nicht Schmalhans Küchenmeister werden soll. Und das Spannende dabei ist: Die Menschen finden mehr und mehr Freude daran. Teilen stärkt den Zusammenhalt, man fühlt sich als Teil einer Bewegung für eine bessere Welt, man ist zufriedener. Teilen wird als Zeichen von Intelligenz und Umweltbewusstsein gewertet.

Vielleicht wirkt sich dieser neue Lebensstil nicht zuletzt auch auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsträger aus. Man teilt sich die Sitzbank mit einem Fremden im Zug, atmet dieselbe Luft ein und umgeht damit intelligent dem obligaten Stau im Berufsverkehr.

Alternativen zum Motorisierten Individualverkehr

Aktuelle Zahlen aus Zürich belegen dies (Quelle: «Mobilität in Zahlen 2012 /1»). Zürcherinnen und Zürcher nutzten das Auto im Jahr 2010 nur noch zu 26 Prozent im Vergleich zu 30 Prozent im Jahr 2005 (minus 4 Prozent). Hingegen wurde der öffentliche Verkehr im Jahr 2010 zu 32 Prozent genutzt gegenüber 29 Prozent im 2005 (plus 3 Prozent).

Und es ist nicht so, dass nur die Armen auf ihr Auto verzichten müssen. Knapp 20 Prozent der Bestverdienenden besitzen kein Auto. Und knapp 30 Prozent der Haushalte mit einem monatlichen Einkommen zwischen 12 000 CHF und 16 000 CHF sind in Zürich ohne Auto. Demnach ist der Besitz eines Fahrzeugs nicht an die berufliche Qualifikation gebunden. Im Durchschnitt besitzen 48,3 Prozent der Zürcher Haushalte kein Auto (siehe Abbildung 2).

In ländlichen Gemeinden, wo die Wege länger und die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs weniger gut ausgebaut sind, verzichten vorerst weniger Menschen auf ihren eigenen fahrbaren Untersatz. Deswegen bleiben wir bei unserer Betrachtung dort, wo es bereits heute eng zugeht – in den Grossstädten und Agglomerationen.

Zürcherinnen und Zürcher besitzen zu einem hohen Anteil – zirka 75 Prozent – einen Führerausweis. Für den Weg zur Arbeit wird jedoch mit 63 Prozent überwiegend auf den öffentlichen Verkehr zurückgegriffen. Im Jahr 2010 lag der Anteil der Einwohner mit ÖV-Abonnement bereits bei 81 Prozent.

Und Carsharing wird mehr und mehr zur valablen Alternative, wenn man doch einmal ein Auto benötigt. 14 Prozent der Einwohner Zürichs mit Führerausweis waren im Jahr 2010 Carsharing-Nutzer von Mobility. Es ist jedoch anzunehmen, dass das Ausleihen eines Autos im privaten Umfeld den Anteil an Carsharing noch deutlich erhöhen dürfte.

Der von der Stadt Zürich veröffentlichte Schlussbericht «Zukunft Urbane Mobilität» vom November 2012 zeigt auf, wie man die «Herausforderung Mobilität» vernetzt und gemeinsam mit den involvierten Mitspielern angehen kann und muss, um zu einem nachhaltigen Ergebnis zu kommen. Hier ein Auszug aus den Zielen der Kommission:

  • Kürzere Wege aufgrund nachhaltiger Raum- und Siedlungsplanung, zum Beispiel für Schulwege und Einkaufsmöglichkeiten
  • Weniger Pendlerverkehr dank flexibler Arbeitsformen, zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Tage oder Videokonferenz
  • Ressourcenschonende Mobilität dank vernetzten Angeboten und Mobilitätsmanagement, zum Beispiel Angebote kombinierter Mobilität, aufeinander abgestimmte Verkehrssysteme, Carpooling.

Trend zum geschäftlichen Carpooling

Dieser Trend wird durch mehrere Faktoren gestützt. Zum einen ziehen Firmen das Carpooling zur Senkung ihrer Mobilitätskosten in Betracht. Kilometerentschädigungen und Fahrzeugmieten summieren sich übers Jahr zu einem teilweise beträchtlichen Kostenfaktor. Mit einem gut dimensionierten Carpool kann dieser Mobilitätsbedarf optimiert werden.

Ein echter Skaleneffekt lässt sich beim Carpooling durch automatisierte Fahrzeugbuchungen erreichen. Die Lenker werden zu Selbstbuchern, und die Flottenauslastung verbessert sich durch optimierte Reservationen, was nochmals etwa 20 bis 30 Prozent Einsparpotenzial bedeuten kann. Wesentliche Erfolgsfaktoren für das geschäftliche Carpooling sind denn auch Qualität der eingesetz­ten Produkte und «Convenience» in der Handhabung des Systems.

Insbesondere für qualifizierte Mitarbeiter und Spezialisten mit Auswärtsterminen ohne eigenes Auto müssen Lösungen bereitgehalten werden. Vor allem die Einwohner von Ballungszentren ver-zichten immer mehr auf ein Privatfahrzeug. Auch Kadermitarbeitende sind eventuell daran interessiert, lieber keinen Geschäftswagen, dafür aber ein Generalabonnement zu bekommen. Ihre geschäftlichen Termine können dann ebenfalls mit dem Carpool bestritten werden. Diese Massnahmen helfen, den individuellen Berufsverkehr zu entlasten, was letztlich eine gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit mit sich bringt. Ein Carpool ermöglicht auch das Umgehen der Nachteile von Kilometerspesen, und man behält als Arbeitgeber den Auftritt nach aussen mit einem gut gewarteten und qualitativ hochwertigen Fuhrpark in der Hand.

Fazit

Jedes Unternehmen muss seine Mobilitätsbedürfnisse unter Berücksichtigung der Unternehmenspolitik individuell betrachten. Nicht alle Arbeitsbereiche lassen sich mit einem Carpool abdecken. Hier gilt es zu unterscheiden.

Das firmeneigene Mobilitätsmanagement der Zukunft wird die effektivsten Verkehrsträger für den Weg zur Arbeit genauso berücksichtigen wie den geschäftlichen Mobilitätsbedarf. Die alte Car Policy wird durch eine Mobilitäts-
Policy abgelöst werden, welche nicht nur die Anwärterschaft auf einen Firmen-wagen definiert, sondern die optimale Vernetzung verschiedener Verkehrs-möglichkeiten in Abstimmung mit den Mobilitätsprofilen der Mitarbeitenden berücksichtigt. In dieser Betrachtung können ebenfalls Anreize für Hierarchiestufen und für die Mitarbeiter bestimmter Arbeitsprofile geschaffen werden. So kann es für die Vertragspartner sogar vorteilhaft sein, wenn dem Mitarbeiter ein Zuschuss für den privaten Wohnungswechsel in die Nähe des Firmensitzes gewährt wird. Der Umzug kommt bei Hauseigentümern mit schulpflichtigen Kindern oder einem entgegengesetzten Arbeitsweg des Partners eher nicht infrage. Dennoch können künftige Mobilitätsfragen auch mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Home-Office-Möglichkeiten und einer guten Ausstattung für Videokonferenzen kombiniert betrachtet werden, sodass daraus ein ganzheitliches Konzept resultiert, wie letztlich die Arbeitszeit vieler Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen effektiver genutzt werden kann.

Porträt