Branchen & Märkte

Best Practice: Markt-Volatilität abfedern

Mit operativer Exzellenz in unsicheren Märkten

VUCA steht für: volatile, uncertain, complex, ambiguous. So präsentieren sich viele internationale Märkte. Martin Köppel, Vice President und Leiter Quality Management der Schaffner-Gruppe, sagt, wie der Spezialist zur Unterdrückung von «parasitären elektrischen Störungen» diese Entwicklung mit der Initiative «Operative Exzellenz» pariert.
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Herr Köppel, woran spürt Schaffner im Markt die Volatilität?

Je nach Sparte unterschiedlich. Zwei Beispiele: Das Investitionsgeschäft in erneuerbare Energien brach nach 2008 völlig ein. Entsprechend reduzierte Schaffner diese Sparte, um wieder rentabel zu werden. Danach zog die Photovoltaik wieder an, und wir stellten wieder Leute ein. Heute ist das Photovoltaikgeschäft erneut am Boden. Wir sind unter Kostendruck, denn der chinesische Markt setzt auf Billigprodukte. Hinzukommt der Technologiewandel, der heute weniger Filter erfordert, da die Energie in Grossanlagen direkt in das Mittelspannungsnetz eingespeist wird. Ähnlich volatil verlief die Entwicklung in der Sparte Telekommunikation mit einer Blase nach dem Jahr 2000. Auch Schaffner erlitt hier einen Einbruch. Fazit: Schaffner bewegt sich in Märkten, die sich rasch wandeln. Wir verfügen deshalb jetzt über drei Divisionen, welche solche Entwicklungen gegenseitig abfedern sollen.

Und wie bekommt man diese Situation in den Griff?

VUCA-Entwicklungen begegnet Schaffner durch Flexibilität in den Geschäftsfeldern. Parallel dazu lancieren wir immer wieder Innovationen. Drei Beispiele: Erstens setzte Schaffner bei der «Strategie 2015» noch auf Photovoltaik, so ist diese in der «Strategie 2020» nicht mehr im Fokus, weil der Markt eher zu Mittelspannungs-Applikationen tendiert. Zweitens kommt uns zugute, dass wir über eine flexible Produktion verfügen, welche auch mit Handarbeit hohe Qualitätsstandards erfüllen kann. So können wir uns bei wechselnden Bedürfnissen sehr rasch anpassen. Das war insbesondere auch im Automotive-Sektor der Fall, als Hersteller neue Technologien erprobten und einen Lieferanten suchten, der schnell etwas aufbauen kann, ohne grosse Basisinvestitionen tätigen zu müssen. Drit­­-tens schliesslich ist Thailand ein Beispiel für die Schaffner-Flexibilität. Bis 2008 wurde dort aufgebaut auf 1300 Mitarbeitende, danach reduziert auf 800 im Jahr 2009. Heute sind dort sogar 1850 Per­sonen tätig. Schaffner spürt also die volatile Nachfrage, ist aber agil genug, sich anzupassen.

Was genau heisst für Schaffner «Operative Exzellenz»?

Die Schaffner-Initiative «Operative Exzellenz» umfasst als Herzstück die beiden Führungsprinzipien «ROFO» und «Continuous Learning». ROFO baut auf die vier Elemente «Responsability», «Ownership», «Focus» und «On-time-corrective-action». Es ist eigentlich eine Erweiterung der Philosophie des Total Quality Management. Mit ROFO werden alle Mitarbeitenden dazu verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen und nicht nachzulassen, bis das angestrebte Resultat erreicht ist.

Und wie sieht diese Verpflichtung in der praktischen Umsetzung aus?

ROFO wird bei jeder Gelegenheit an praktischen Fällen trainiert. Dabei stehen nicht nur das Was und das Wie einer Tätigkeit im Zentrum, sondern auch das Warum. ROFO ist «Bottom-up» ausgelegt, erzieht zur Selbstständigkeit. Anderseits ist der «Top-down approach» da, weil Prozessverantwortung besteht. Beides ist wichtig. «Continuous Learning» fordert alle Mitarbeitenden auf, sich laufend neues Wissen und neue Kompetenzen anzueignen, damit die wachsenden Anforderungen der Kunden erfüllt werden können. Schaffner unterstützt diesen Approach in Trainings-Seminaren und On the job unter anderem mit einer Fehler-Datenbank, welche «Learnings» ermöglicht und allen zugänglich macht.

Auf welche Weise steuern Sie diesen Prozess?

Die Steuerung erfolgt über ein global ausgelegtes, vereinheitlichtes Qualitätsmanagement-System – SQS-zertifiziert nach ISO 9001, ISO TS für Automotive und IRIS für Power Magnetics. Lokal können im System eigene Dokumente hinterlegt werden. Das Controlling wird durch das globale Qualitäts-Management-Team in Luterbach vorgenommen. Lokal sind die entsprechenden Qualitätsmanager verantwortlich; sie rapportieren direkt ihrem lokalen Linienchef. Monatlich findet eine Webkonferenz mit dem Headquarter in Luterbach statt.

Ein permanenter Austausch als Bestandteil des Qualitätsmanagements. Welche Faktoren greifen überdies ineinander, die letztlich eine «Operative Exzellenz» gewährleisten?

Dieser Austausch ist sehr wertvoll, ermöglicht er doch das Weitergeben von Erfahrungen und unterstützt die «Learning Organization». Hinzukommt ein globales Fehlermeldesystem, das Kundenreklamationen sowie interne Erkenntnisse aus Fehlermeldungen aller Produktions- und Verkaufsgesellschaften aufnimmt. So lernen wir kontinuierlich über die Grenzen hinweg aus Best Practice und aus Fehlern. Das zentrale Qualitätsmanagement auditiert überdies die Werke vor Ort. Operative Exzellenz ist ein ständiges Geschäftsleitungs-Traktandum. Als Mitglied der Geschäftsleitung rapportiert der Leiter Quality Management monatlich über Qualitätsthemen aus den drei Divisionen in den vier Werken: Zudem berichtet jeder Divisionsleiter, was er bezüglich Qualität unternimmt. Es werden auch Dinge offen hinterfragt. Das Ganze ist ein Lernprozess für alle.

Kommen die verschiedenen Kulturen denn mit der Strategie zurecht?

Beim Aufbau von Standorten sind zur Sicherung der Qualität erst einmal zweifelsfreie Prozesse ein absolutes Muss. Die Lean-Zellen müssen einfach sowie klar konzipiert sein. Eine Arbeitsmatrix sorgt dafür, dass die richtigen Leute für die richtigen Arbeiten eingesetzt werden. Aber das Personal braucht Betreuung. Vor allem die Standorte Ungarn, Thailand und China erweisen sich als sehr anpassungsfähig. Wesentliche kulturelle Unterschiede spürt man in Europa und China bezüglich Arbeitsplanung und Arbeitstechnik. Der Europäer will die Arbeit gleich zu Beginn richtigmachen, der Chinese macht erst einmal und verbessert nachher sehr schnell. Unsere Führungsprinzipien unterstützen wirkungsvoll die Durchsetzung unserer Qualitätsleitsätze. Wir kommunizieren diese nicht nur unsern Mitarbeitenden, sondern auch unsern Kunden. Schliesslich ist das Niveau der Mitarbeitenden in den unterschiedlichen Kulturen am Anfang naturgemäss unterschiedlich. Dessen Anhebung und Weiterentwicklung ist deshalb kardinal wichtig. Die gesammelten Erfahrungen an unseren Standorten sind po­sitiv. In Thailand zum Beispiel startete Schaffner vor 25 Jahren mit starker Schweizer Präsenz; heute ist nur noch ein Schweizer dort. Die Thailand-Crew erbringt beste Qualität. Aber der Aufbau der Schaffner-Arbeitsmentalität sowie des Rollenverständnisses der Chefs brauchte Zeit. In China geht die Entwicklung schneller. Vor zehn Jahren bauten fünf Schweizer den Standort auf. Heute geht es ohne Schweizer, und das Qualitätsverständnis ist trotzdem hoch.

Herr Köppel, wie lautet Ihr Fazit aus heutiger Sicht?

Schaffners «Operative Exzellenz» ist global so konzipiert, dass sie an allen Standorten Wirkung zeigt. Denn: Exzellenz entsteht an der Front, nicht im Head Office. Dieses Denken ist bei allen unsern Mitarbeitenden angekommen.

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