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Freihandelsabkommen

Mehr Abkommen für mehr Freihandel

Gemeinsam mit der EFTA sowie bilateral gibt es kein Land auf der Welt, das sich intensiver um Freihandelsabkommen (FHA) bemüht als die Schweiz. Welche Abkommen gibt es und wie ziehen kleine und mittlere Unternehmen den grössten Nutzen aus den teils komplexen Vertragswerken?
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Beide, die Schweiz wie die European Free Trade Association (EFTA, Liechtenstein, Norwegen und Island), haben in den letzten Jahren den Ausbau ihres mittlerweile schon weit gespannten Freihandelsnetzes mit Verve vorangetrieben. Das Resultat lässt sich sehen: Kein Land, keine Wirtschaftsgemeinschaft weltweit hat mehr Freihandelsabkommen abgeschlossen als die Schweiz und die EFTA.

Die Schweiz verfügt – neben der EFTA-Konvention und dem Freihandelsabkommen mit der EU – gegenwärtig über ein Netz von 28 Freihandelsabkommen mit 38 Partnern ausserhalb der Europäischen Union (EU). Die Abkommen werden
normalerweise im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) abgeschlossen. Dennoch hat die Schweiz die Möglichkeit, Freihandelsabkommen auch ausserhalb der EFTA abzuschliessen, wie beispielsweise im Fall Japans oder Chinas (siehe Abbildung).

Betrachtet man die statistische Entwicklung des Aussenhandels der Schweiz, lässt sich feststellen, dass der Handel – also Exporte und Importe – mit Frei­handelspartnern im Vergleich zu den Handelsströmen mit sämtlichen anderen Handelspartnern signifikant höhere Zuwachsraten aufweist. Begünstigt wird dies durch erhebliche Einsparungen von Zöllen für jedes einzelne exportierende Unternehmen: Hier liegt der geldwerte Vorteil für die KMU der Schweiz.

Hohe Zolleinsparungen

In einer Studie vom vergangenen Jahr, die Switzerland Global Enterprise (S-GE) in Auftrag gegeben hat, wurde ermittelt, dass die Freihandelsabkommen aktiv genutzt werden und höchstrelevant für die Exporttätigkeit der Schweizer Unternehmen sind. Alleine für die Ausfuhren in die Europäische Union (nach Deutschland, Österreich, Grossbritannien, Italien und Frankreich) werden jährlich Zolleinsparungen in der Höhe von mehr als einer Milliarde Franken realisiert. Dieses Abkommen, in Kraft seit 1973, ist im Vergleich sicher das bedeutendste für die Schweiz. Die FHA mit Kanada, Mexiko und Südkorea schlagen jährlich mit etwa 140 Millionen Franken Einsparungen zu Buche. Unter den neueren Ab­kommen sind etwa diejenigen mit China und dem Golfkooperationsrat von grosser Bedeutung.

Um in den Genuss von Zollbegünstigungen bzw. einer Zollbefreiung durch ein Freihandelsabkommen zu kommen, also präferenziell behandelt zu werden, müssen die zu exportierenden Waren sämtliche Bestimmungen des Abkommens erfüllen. Zudem müssen alle notwendigen Nachweise vorgelegt werden. Dies betrifft insbesondere den Ursprung der Ware. Ein Beispiel hierfür: Eine Ware, die aus den USA in die Schweiz importiert und unverändert (oder nur mit einer Minimalbehandlung) in die EU exportiert wird, kann kein Ursprungserzeugnis aus der Schweiz sein. Dabei hat die Bezeichnung «Swiss Made» auf einem Produkt nichts mit dem Ursprung im Sinne eines Freihandelsabkommens zu tun.

Erste und zweite Generation

Die verschiedenen Freihandelsabkommen lassen sich heute in zwei Kategorien unterteilen. Man spricht von sogenannten Abkommen der ersten und der zweiten Generation. Erstere beschränken sich in erster Linie auf Bestimmungen über den Warenverkehr und geistiges Eigentum. Die Abkommen der zweiten Generation, etwa dasjenige mit China, den GCC-Staaten oder mit Peru, enthalten darüber hinaus zusätzliche Bestimmungen. In der Regel sind das Ergänzungen für den Handel mit Dienstleistungen, für Investitionen oder für das öffentliche Beschaffungswesen, die das Wirtschaften zwischen zwei Ländern weiter erleichtern. Die Listenregeln der zweiten Generation sind häufig liberaler gestaltet. Die Ursprungsregeln einiger älterer FHA befinden sich derzeit in Revision, darunter das mit der EU oder Kanada.

Herausforderungen

Diese Vielfalt an Abkommen bildet einen fruchtbaren Humus für den Schweizer Freihandel. Viele kleinere und mittlere Unternehmen bauen ihre Wachstumsstrategien aktiv darauf auf. Doch beobachten wir bei vielen Firmen aber auch noch Potenzial, die einzelnen FHA-Bestimmungen effizienter anzuwenden und Einsparchancen umzusetzen. Dies betrifft zum einen neue Freihandelsabkommen, bei denen nach Inkrafttreten aus operativer Sicht noch nicht alles reibungslos funktioniert, dies sowohl bei unseren Exporteuren als auch auf Stufe der ausländischen Zollbehörden.

Wir wissen, dass zurzeit das Abkommen mit Südkorea einigen Schweizer Unternehmungen Kopfzerbrechen bereitet, hier wird etwa die Direktversandregel unterschiedlich interpretiert, was die zollbefreite oder zollreduzierte Einführung bestimmter Ware erschwert. Die Zollverwaltung und das Seco bemühen sich um gemeinsame Lösungen. Doch auch bereits etablierte Abkommen könnten unter kleinen und mittleren Unternehmen zum Teil noch stärker ausgenutzt werden.

Für Switzerland Global Enterprise (S-GE) hat das Thema deshalb eine hohe Relevanz. Gemeinsam mit unseren Partnern aus Branchenverbänden, Behörden und Spezialisten aus der Privatwirtschaft haben wir es zum Ziel gesetzt, die Nutzungsraten unter KMU durch Aufklärung und Vernetzung systematisch zu steigern. Denn diese Rate beeinflusst massgeblich, ob sich ein FHA volkswirtschaftlich lohnt. S-GE rechnet regelmässig durch, was sich damit sparen lässt – das Beispiel des jüngsten Abkommens mit China sieht dabei aus wie folgt:

Bei einer theoretischen maximalen Ausnutzung von 100 Prozent würde sich Einsparpotenzial im ersten Jahr nach Inkrafttreten (2015) für Schweizer Ex­port­eure auf über 166 Millionen Franken belaufen. Geht man von einer hypothetisch tie­fen Nutzungsrate von 35 Prozent aus, ergeben sich im ersten Jahr rund 58 Millionen an Zollreduktionen. Lässt sich die Nutzungsrate auf aus unserer Sicht realistische 60 Prozent steigern, sind Einsparungen bereits im ersten Jahr von knapp 100 Millionen Franken zu erwarten. Rechnet man hinzu, dass das Exportvolumen durch diese Erleichterungen insgesamt wachsen wird, fallen diese Werte nochmals höher aus.

Sich durch die auf den ersten Blick unübersichtlichen Regelungen der Abkommen der Schweiz und der EFTA zu arbeiten und sich dazu Rat zu holen, verspricht also mehr als nur individuelle Erträge für die Unternehmen in der Schweiz. Die Schweizer Volkswirtschaft als Ganzes profitiert durch die verschiedenen Handelserleichterungen der einzelnen Freihandelsabkommen.