Noch vor wenigen Jahren war Saudi-Arabien ein für den Westen verschlossenes Land. Ölreichtum und archaische islamische Regeln waren die wenigen Dinge, die man mit dem Land in Verbindung brachte. Heute können westliche Touristen das Land bereisen, Frauen fahren Auto und Superstars aus Sport und Musik geben sich dort die Hand. Das Land ist gerade dabei, sich neu zu erfinden.
Saudi-Arabien im Umbruch
Saudi-Arabien will vor allem wirtschaftlich ganz oben mitspielen. Was heute noch importiert wird, soll in Zukunft möglichst aus eigenen Fabriken kommen. Das Königreich will zum Innovationsstandort werden. Dazu braucht es Maschinen, Spitzentechnologie und Know-how, was es für Schweizer Exporteure besonders interessant macht. Die wirtschaftlichen Eckdaten Saudi-Arabiens sind vielversprechend: Für 2025 prognostiziert der Internationale Währungsfonds ein Wachstum von 4,7 Prozent; die Inflation lag im Mai 2024 bei 1,6 Prozent. Geld für staatliche Vorzeigeprojekte ist dank der Ölgeschäfte reichlich vorhanden – bis zu einer Billion Euro.
Der 39-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman will sein künftiges Königreich im Rekordtempo umbauen. Im Westen ist er vor allem durch die brutale Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi und das Wegsperren von Kritikern bekanntgeworden. Im eigenen Land aber geniesst er grossen Rückhalt, vor allem bei den Frauen, denn er war es, der die einst gefürchtete Religionspolizei abschaffte. Inzwischen wird das neue Saudi-Arabien auch auf politischer Ebene sichtbar. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 treten die arabischen Golfstaaten (siehe Abbildung) als besonnene Vermittler auf. Sie sehen sich als stabilisierende Kraft in einer äusserst fragilen Region – was die Märkte durchaus positiv registrieren. Als Anfang Oktober 2024 iranische Raketen auf Israel abgefeuert wurden, stieg der Ölpreis – für viele überraschend – nur leicht an.
Die Spielregeln des Welthandels haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Zuerst wurden die globalen Lieferketten während der Corona-Pandemie unterbrochen, dann kamen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Die USA und Europa greifen wieder zu Zöllen, um ihre eigene Wirtschaft zu schützen. Chinas Wirtschaftsdaten sind nur noch ein Schatten der Vergangenheit. Die Spannungen zwischen China und Taiwan können sich jederzeit entladen – mit gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft. Diese veränderten Rahmenbedingungen treffen gerade Exporteure, die auf Asien gesetzt haben und sich nun nach zusätzlichen Märkten umsehen müssen.
Die «Vision 2030»
Die Auswirkungen des Klimawandels verändern weltweit die Einstellung zu fossilen Brennstoffen. Vor allem in Europa will die Industrie ihre Produktion nach und nach dekarbonisieren. Die Golfstaaten müssen sich also darauf einstellen, dass die Einnahmen aus Öl und Gas keine ewige Rente sind. Zudem müssen sie für ihre stark wachsende junge Bevölkerung Arbeitsplätze und Wohnraum schaffen. In Saudi-Arabien ist 49 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt, während dieser Anteil in der Schweiz bei 31 Prozent liegt. Darüber hinaus hat die Region mit gravierenden Umweltproblemen zu kämpfen: Wasserknappheit, Wüstenbildung und Industrieabfälle.
Saudi-Arabien hat konkrete Pläne, wie es all dies in den nächsten Jahren angehen will und hat dafür die «Vision 2030» erarbeiten lassen. Neue Sektoren wie der Tourismus sollen Gäste ins Land bringen. Historische Stätten, die lange brach lagen, werden für westliche Touristen herausgeputzt. Tauchresorts und ein künstlich beschneites Skigebiet («Trojena») sollen im Eiltempo realisiert werden.
Vorzeigeprojekt ist «Neom» an der Küste des Roten Meeres. Auf einer Fläche fast so gross wie Belgien soll ein möglichst klimaneutraler Forschungs- und Technologie-Hub entstehen, mit angeschlossenen Smart Cities und «The Line», einer 170 Kilometer langen Linearstadt für eine Million Menschen. Im Sommer 2024 berichteten Medien, dass die Errichtung von «Neom» bis zu 1,5 Billionen Dollar kosten könnte. Viel Geld also, das in Form von Aufträgen auch an Schweizer Exporteure fliessen kann, vor allem in den Bereichen Bauzulieferindustrie, erneuerbare Energien, Umwelttechnologie und Medizintechnik.