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Gezieltes Outsourcing mit sozialen Institutionen

Den Frankenschock haben viele Unternehmen nicht vergessen, auch wenn sich die Situa­tion zuletzt etwas entspannt hat. Verlagerungen ins Ausland sollen die Produktionskosten weiter senken. Die mögliche Alternative dazu: soziale Institutionen in der Schweiz, die ganze Produktionsketten übernehmen und damit Fachkräfte entlasten.
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Schluss mit dem Euro-Mindest-Kurs von 1.20 Franken. Von einem Tag auf den anderen. Das war im Januar 2015. Der Schock bei den Unternehmen sitzt tief und wirkt bis heute nach. Alleine in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie fielen gemäss dem Branchenverband Swissmem seither 12 600 Stellen den Sparmassnahmen zum Opfer.

Trend zu Outsourcing

So stehen auf der Agenda vieler Unternehmer und Manager vor allem zwei Punkte: Kosten senken und Effizienz steigern. Dies soll unter anderem mit Verlagerungen von Produktionen und Prozessen ins Ausland erreicht werden. Und der Trend von Outsourcing nimmt weiter zu, wie die Global Outsourcing Survey 2016 zeigt. Interessant dabei ist: Der Fokus liegt inzwischen weniger auf Kostensenkungen, sondern stärker auf Wertsteigerungen. Unternehmen erhoffen sich durch die Serviceprovider neue Impulse für Innovationen oder Qualitätsverbesserungen. Dazu kann auch das Optimieren von einfachen Fertigungsprozessen gehören. Doch ist eine Auslagerung von Prozessen und Produktionsschritten ins Ausland das Allerheilmittel? Ein solcher Entscheid ist mit viel Aufwand und Risiken verbunden. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Unternehmen nicht bereits über einen Standort im Ausland verfügt. Der Nutzen einer Auslagerung ins Ausland ist auch dann fraglich, wenn es sich nur um wenige Arbeitsschritte oder sporadische Aufträge handelt, um die Spitzen zu brechen.

Für solche Fälle bietet sich eine alternative Lösung an: einzelne Prozesse oder ganze Produktionsketten an soziale Institutionen in der Schweiz auszulagern – beispielsweise an die Stiftung Brändi, die eine der grössten Institutionen im Schweizer Sozialmarkt ist.

Stiftung als Dienstleister

Die Stiftung Brändi bietet Menschen mit Behinderung in 14 Branchen rund 1100 Arbeitsplätze an. Permanent sind über 220 Lernende in einer Ausbildung. Das mache die Stiftung Brändi zu einem leistungsfähigen Industrieunternehmen und auch einem gefragten Partner, sagt Roger Aeschlimann, Leiter Fachstelle Kommunikation: «Verschiedene Firmen, auch solche die stark exportorientiert sind, haben ihre gesamte Produktion an die Stiftung Brändi ausgelagert. So können sich ihre Fachkräfte auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Das hilft, Kosten zu senken, und steigert die Effizienz.»

Die Stiftung Brändi ist daran interessiert, dass Serienproduktionen von mittlerer Grösse in der Schweiz bleiben und es in Produktionsketten weiterhin vor- und nachgelagerte Arbeiten gibt, welche zwar Handarbeit, aber keine Fachkräfte erfordern. «Bei uns sind die Mitarbeitenden die fixe Grösse», erklärt Roger Aeschlimann. «Jeden Morgen stehen unsere 1100 Mitarbeitenden auf und wollen arbeiten. Bei anderen Unternehmen steht die Produktion im Zentrum, gekoppelt an die Frage, wie das Volumen bewältigt werden kann und welche Mitarbeitenden für welche Arbeiten eingesetzt werden.» Eine Zusammenarbeit nützt beiden Unternehmen, wie das Beispiel Schindler zeigt.

Praxisbeispiele

Die Stiftung Brändi und die Schindler Aufzüge AG haben aus ihrer 47-jährigen Zusammenarbeit heraus das Integrationsprojekt «Brändi Integra» entwickelt. Dieses Modell ermöglicht es, Menschen mit Behinderung direkt in ein Industrieunternehmen zu integrieren und damit gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Das Brändi-Team mit elf Mitarbeitenden wird von einem Gruppenleiter geführt und hatte sich nach kurzer Zeit in die Belegschaft von Schindler integriert.

Die Mitarbeitenden verrichten einfachere Arbeiten innerhalb von vorgegebenen Produktionsprozessen, beispielsweise die Vormontage von Baugruppen. Die Spezialisten von Schindler gewinnen dadurch Kapazität, die sie für komplexe Tätigkeiten einsetzen können. Franz Steiner, Produktionsleiter Schindler Aufzüge AG: «Wir haben das Brändi-Team nach Ebikon genom­men als Firma in der Firma. Die Zusammenarbeit hat sich sehr positiv entwickelt und wir wundern uns, dass andere Unternehmen dieses Modell nicht längst kopiert haben.»

Ein weiteres Beispiel einer langjährigen Zusammenarbeit ist die Firma Medela AG mit Sitz in Baar. Medela ist ein Unternehmen der Medizintechnik, das als international führender Anbieter unter anderem medizinische Absaugtechnik entwickelt, produziert und vertreibt. Sie beliefert 13 Niederlassungen in Nordamerika, Europa und Asien. Mit Medela arbeitet die Stiftung Brändi bereits seit über 30 Jahren zusammen. Die heutige umfangreiche Partnerschaft ist aus Einzelaufträgen entstanden.

«Aus Platzgründen lagerte die Firma Medela die Produktion und Lagerung von Baugruppen zu einem grossen Teil an die Stiftung Brändi aus. So konnte die Stiftung Brändi mit den Medela-Aufträgen wachsen», sagt Roger Aeschlimann. Die Stiftung Brändi montiert einerseits Baugruppen für Brustpumpen sowie ganze Geräte. Ein weiteres Auftragsvolumen besteht aus dem Konfektionieren von Grundkomponenten für Zubehörsets, welche danach bei Medela nach verschiedenen Sprachvarianten verkaufsfertig verpackt werden. Zudem disponiert die Stiftung Brändi die Einzelteile und kauft diese bei den Lieferanten von Medela ein. Die Stiftung Brändi prüft die Ware bei Eingang und lagert die Teile bei sich ein, bis sie in der Produktion verbaut werden. Heute sind rund 120 Arbeitsplätze bei der Stiftung Brändi mit Medela-Aufträgen ausgelastet.

Arbeitskräfte auf Zeit

Für die Partnerfirmen sind vollständig integrierte Brändi-Teams und die Übernahme ganzer Produktionsketten ebenso interessant wie Einsätze auf Zeit. Damit lassen sich Spitzenauslastungen brechen. Je nach Einsatzgebiet werden Personen mit passendem Fachwissen eingesetzt. Durch diese Partnerschaften entsteht ein Gewinn für beide Seiten, wie Roger Aeschlimann sagt: «Unternehmen profitieren von unserer Erfahrung, Flexibilität und Professionalität. Dazu gehört selbstverständlich auch das Einhalten von Qualitätsnormen. Für Menschen mit Behinderung ist der Einsatz im Personalverleih eine willkommene Chance, um sich im ersten Arbeitsmarkt zu behaupten.»

Wenn sich Unternehmen für eine Zusammenarbeit mit der Stiftung Brändi entscheiden, stehen aber nicht nur wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Eine Kundenbefragung von Value Quest von 2016 zeigt, dass sich die Kunden mit dem Hauptziel der Stiftung Brändi – der Integration von Menschen mit Behinderung – stark identifizieren. Besonders aufgefallen ist die sehr hohe Weiterempfehlungsrate von 72 Prozent. Die Auslagerung der Produktion innerhalb der Schweiz an eine soziale Institution ist folglich kein Experiment, sondern eine nachhaltige Lösung, die den Praxistest längst bestanden hat.

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