Die Europäische Union und Japan haben sich im Juli 2017 auf ein Freihandelsabkommen geeinigt, im Jahr 2019 soll es in Kraft treten. Was bedeutet dieses neue Freihandelsabkommen für Schweizer Exporteure? Ein Vergleich von Professor Dr. Patrick Ziltener, Privatdozent für Soziologie an der Universität Zürich, im Auftrag von Switzerland Global Enterprise (S-GE) zeigt, dass die Konkurrenz aus der EU bei gewissen Produkten zwar tiefere Zölle bezahlen muss und bei öffentlichen Beschaffungen besseren Zugang hat, aber auch Schweizer Unternehmen von wirtschaftlichen Reformen in Japan profitieren.
Wesentliche Unterschiede
Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan ist noch ganz frisch, die Verhandlungen sind erst seit ein paar Monaten abgeschlossen. Etwas länger schon sind die Gespräche zwischen Japan und der Schweiz her. Die Schweiz war das erste europäische Land überhaupt, das mit Japan ein Abkommen unterzeichnete. Seit 2009 ist das Freihandelsabkommen zwischen diesen beiden Ländern in Kraft. Doch was hat sich in diesen fast zehn Jahren verändert? Professor Patrick Ziltener hat die beiden Freihandelsabkommen miteinander verglichen und zwei wesentliche Unterschiede festgestellt.
Günstigere Zolltarife in der Agrarwirtschaft und bei Industriegütern für die EU
Ein Unterschied betrifft die Agrarwirtschaft. In diesem Sektor haben sich die Schweiz und Japan gegenseitig nur auf Zollzugeständnisse für ausgewählte landwirtschaftliche Produkte geeinigt. Beim Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Europäischen Union nach Japan hingegen werden etwa 85 Prozent der Zölle nach und nach verschwinden. Die Produzenten aus der EU werden beispielsweise bei diesen Produktegruppen einen leichteren Zugang zum japanischen Markt erhalten: Rindfleisch (ausser bei Trockenfleisch wie zum Beispiel Bündnerfleisch), Schweinefleisch, Milch, Joghurt, Butter, (verarbeiteter) Käse, Backwaren oder Ketchup. Bei den Industriegütern haben sowohl die Europäische Union wie auch die Schweiz im Abkommen mit Japan die Zölle auf die allermeisten Produkte abgeschafft. Nur bei wenigen und für die Schweizer Exportwirtschaft unbedeutenden Gütern haben Exporteure aus den EU-Ländern bessere Bedingungen: bei Salz, bei einigen wenigen organischen Chemikalien, bei einigen Lederprodukten, bei Ski- sowie Sportschuhen und bei Hausschuhen.
Unternehmen aus der EU werden bei öffentlichen Beschaffungen mehr berücksichtigt
Die Schweiz und Japan haben beide das Abkommen zum Öffentlichen Beschaffungswesen (GPA) unterzeichnet, damit sichern sie sich gegenseitig Zugang zu öffentlichen Beschaffungen. Die Europäische Union hat im Rahmen des Freihandelsabkommens mit Japan allerdings bedeutende zusätzliche Konzessionen erhalten, wie der Vergleich von Patrick Ziltener zeigt. Beispielsweise bei Städteprojekten, Krankenhäusern oder akademischen Einrichtungen können Unternehmen aus der EU ebenfalls eine Offerte unterbreiten, genauso wie bei Gütern sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem (Bahn-)Transport. Im gleichen Masse dürfen die japanischen Unternehmen auch im Beschaffungswesen in der EU mitmischen.
Auch wenn die Firmen aus EU-Ländern mit dem Abkommen teilweise tiefere Zölle haben werden und im Beschaffungswesen mitwirken dürfen: Japan hat im Kontext der Verhandlungen über Freihandelsabkommen verschiedene nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut. Von diesen profitieren auch Schweizer Unternehmen. So wurden etwa die Kosten für die Zertifizierung von Medizinprodukten gesenkt oder das internationale Textilkennzeichensystem übernommen. Zudem behandelt Japan die Zulassungsprüfung für innovative Medizinprodukte und Medizingeräte prioritär und auch das Meldesystem, welches die Vermarktung vieler Arzneimittel, Medizinprodukte und Kosmetika behindern konnte, wurde abgeschafft.
«Japan hat sich in den letzten Jahren verändert», erklärt Patrick Ziltener. «Es haben Reformen und Liberalisierungsschritte stattgefunden, wovon Schweizer Unternehmen profitieren.» Nicht nur das, Ziltener ist überzeugt, dass die Situation in Zukunft noch besser werden wird: «Mein Vergleich zeigt zwar, dass die EU mehr Konzessionen bekommen hat. Das ist aber nicht eine Frage der Grösse oder der Macht, sondern des Zeitpunktes der Verhandlungen. Diese liegen aber schon einige Jahre zurück. Ich bin überzeugt, dass Japan uns dieselben Konzessionen wie der EU gewähren wird. Die Schweiz und Japan haben im Freihandelsabkommen eine Evolutivklausel, Nachverhandlungen sind also vorgesehen.»