Branchen & Märkte

Energieversorgung

Europäische und nationale Energiestrategien

Europa und die Schweiz stehen vor richtungsweisenden Energieentscheiden: Die EU arbeitet an der gemeinsamen und langfristigen Versorgungssicherheit. Die Energiestrategie 2050 des Bundesrates steht derzeit in der politischen Diskussion. Welchen Beitrag zum nachhaltigeren Ressourcen-Umgang leisten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft?
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«Wir leben heute im Energiebereich in der grössten Unsicherheit», schätzt Christoph Frei, Secretary General, World Energy Council, die Lage ein. Und er sagt weiter: «Bis vor 20 Jahren sah die Energiewelt relativ einfach aus. Es gab eigentlich nur eine für Investoren wichtige Zielgrösse: der Ölpreis.»

Politische Rahmenbedingungen

Heute gibt es weitere Zielgrössen wie den Preis für Erdgas, Solar- oder Windenergie oder den CO₂-Preis, und die entsprechenden Preisentwicklungen haben sich beschleunigt. Darum müssen die Rahmenbedingungen von Regierungsseite her rasch verbindlich geklärt werden – sei dies in einzelnen Ländern oder international. Sonst ist das Investitionsrisiko zu hoch und die Investitionen fliessen zu langsam. Man darf nicht vergessen, dass die Hälfte des globalen Gesamtkapitalaufwandes für Energie eingesetzt wird. Um dieses Geld in den nächsten Jahren fliessen zu lassen, braucht es politische Sicherheit, basierend auf einem Gleichgewicht.» Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP, Berlin, erläutert die EU-Massnahmen zur längerfristigen Sicherung des Energiebedarfs: «Mit einem klassischen Formelkompromiss haben sich die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedsstaaten auf einen Weg verständigt, der die Verminderung des Energiebedarfs mit dem Ausbau von erneuerbaren Energieträgern, einer Diversifizierung der Erdgaslieferungen und der Förderung der Kernenergie kombiniert. Die Prioritätensetzung aber ist nie geklärt worden und deshalb permanent umkämpft. Nord- und Westeuropäer setzen eher auf erneuerbare Energie und Energieeinsparungen.  Süd- und Osteuropäer gewichten die Sicherung fossiler Energielieferungen stärker. Die Kernenergie gilt in Ländern wie Deutschland oder Belgien als Auslaufmodell, in Grossbritannien oder Tschechien als fester Bestandteil des zukünftigen Energiesystems.»

Zu den Energieeffizienz-Massnahmen der EU sagt Geden: «In der europäischen Zieltrias aus Emissionsreduktionen, Ausbau von erneuerbarer Energie und Steigerung der Energieeffizienz hat der letzte Punkt faktisch die geringste Priorität. Dennoch verbessert sich die Energieeffizienz der EU immer noch kontinuierlich. Nicht zuletzt, weil der Nachholbedarf der osteuropäischen Volkswirtschaften sehr hoch ist. Die direkten Massnahmen der EU adressieren derzeit vor allem stromverbrauchende Haushaltsendgeräte, das zusätzliche Einsparpotenzial ist dort aber recht begrenzt.»

Lösungen für die Schweiz

Auch in der Schweiz wird derzeit breit über den Ausbau von erneuerbarer Energie, Energieeffizienzsteigerungs-Massnahmen sowie die CO₂-Abgabebefreiung mit entsprechenden Reduktionsbemühungen diskutiert. In diesem Markt bewegt sich Energie 360 Grad als innovativer Energiedienstleister geschickt. Kurt Lüscher, CEO Energie 360 Grad, erläutert die Firmenstrategie: «Wir haben bereits vor sieben Jahren erkannt, dass wir unser traditionell starkes Erdgasgeschäft modernisieren und zusätzliche Geschäfts­felder aufbauen müssen.

Heute verkaufen wir grossen Industriekunden in der ganzen Schweiz Erdgas und Biogas. Zudem haben wir mit erneuerbaren Energien wie Biogas, Holzpellets und Erdwärme sowie Energiedienstleistungen im Contracting-Bereich zwei zukunftsorientierte Bereiche aufgebaut. Aber auch mit Smart Energy Services wollen wir uns positionieren. Die Digitalisierung der Energiebranche wird sowohl die heute bereits bekannten Prozesse und Produkte erfassen, als auch völlig neue Themenkreise betreffen. Smart Home, Smart Mobility, Smart City, beziehungsweise es wird das Internet der Dinge sein, welches uns auch bezüglich Ökologisierung der Energiebranche um Welten voranbringen wird.»

Holzpellet-Bauaustrocknung

Ein Beispiel im Baubereich zeigt neue Formen der Energiezukunft: die mobile Holzpellet-Bauaustrocknung. Seit 2014 bietet Energie 360 Grad die ökologische und effiziente Alternative zur herkömmlichen Bauaustrocknung mit Heizöl an. Denn die Terminpläne für die Realisierung grösserer Bauprojekte werden immer enger.

Schon kleinste Verzögerungen können dazu führen, dass die Bauaustrocknung durch den Einsatz von Warmluftöfen forciert werden muss. Diese werden immer noch überwiegend mit Heizöl betrieben. Gleichzeitig steigt die Nachfrage von Investoren und Bauherren nach einer umweltfreundlichen Wärmeversorgung.

Nachhaltigkeit lohnt sich

Mit den mobilen Holzpellet-Heizungen zur Bautrocknung wird ein CO₂-neutraler Energieträger aus naturbelassenem Restholz eingesetzt, der erst noch erneuerbar ist. Zudem gefährden Holzpellets das Grundwasser nicht, und das Bewilligungsverfahren für mobile Öltanks entfällt.Dass sich nachhaltiges Energiemanagement auch konkret lohnt, beweist die Ernst Schweizer AG, Metallbau aus Hedingen. Hans Ruedi Schweizer, Unternehmensleiter und VR-Präsident, erläutert: «Wir verfolgen seit 1978 eine konsequent auf Effizienz ausgerichtete Energiestrategie. Als Pionierin in nachhaltiger Unternehmensführung erfassen wir seither vergleichbare Nachhaltigkeitskennzahlen zu den Themen Wirtschaftlichkeit, Soziales und Umwelt. Wir haben die Entkoppelung des Energieverbrauchs vom Unternehmenswachstum mit verschiedenen Energieeffizienz-Massnahmen geschafft. Unter anderem haben wir die Infrastruktur optimiert, die Anlagen auf Energieeffizienz getrimmt und die Benutzerinnen und Benutzer für Energieeffizienz sensibilisiert. 2014 brauchte die Ernst Schweizer AG weniger Energie als 1978, obwohl Umsatz und Arbeitsplätze in dieser Zeit verdoppelt wurden.»

Lernende sensibilisiert

Wie die künftige Generation für Energieeffizienz und Energiesparen motiviert und sensibilisiert werden kann, zeigt ein Praxisbeispiel der Ernst Schweizer AG. Im Oktober 2013 fand das Lehrlingslager in Luzern im Rahmen einer Klimawerkstatt statt. 45 Lernende aus zehn verschiedenen Berufen nahmen daran teil. Impulsreferate von Fachpersonen brachten die Gespräche in den einzelnen Gruppen in Gang. Am zweiten Tag wurde mit vertiefenden Gruppenarbeiten intensiv über den Strom-, Papier- und Wasserverbrauch diskutiert. Am Schluss definierte jede Gruppe ihr Projektthema, das sie in den Folgemonaten an je fünf Arbeitstagen bearbeitete, welche das Unternehmen zur Verfügung stellte.

Neben einer nachhaltigen Sensibilisierung der Lernenden für das Thema sind in Eigenregie Projekte wie ein nachhaltiges Kochbuch, spezielle Wasserspender oder 15 Tipps zur Klimaverbesserung, die Broschüre mit Energiespartipps für Haushalt & Konsum, ein Entsorgungskonzept für die fachgerechte Entsorgung von Spraydosen, ein Planungsprojekt für den Ersatz der Beleuchtung mittels LED sowie für den Ersatz der Pausenraumfenster durch energieeffiziente Isolierverglasung entstanden.

Politik entscheidet

Für Hans Ruedi Schweizer ist die Energiestrategie des Bundes für den Werkplatz Schweiz matchentscheidend: «Wir erachten den Umbau von nicht erneuerbaren Energien (fossile und Kernbrennstoffe) hin zu Cleantech und intelligenten Lösungen als grosse Chance für den Schweizer Werkplatz.

Stand der Wissenschaft

Forschung und Wissenschaft sagen, der Weg hin zu erneuerbarer Energie und Energieeffizienz-Steigerung sei richtig. Die ETH in Zürich kommt zum Schluss, dass ein Energiemix mit einem hohen Anteil an erneuerbarer Energie anspruchsvoll, aber durchaus machbar sei. «Wir haben eine technologische Herausforderung in Teilbereichen wie der Energiespeicherung, wir verfügen aber auch über die besten Fachhochschulen und Universi­täten, und wir sind vor allem eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Die Schweiz und mit ihr ihre Wirtschaft werden von diesem Jahrhundertprojekt profitieren. Davon bin ich als Unternehmer überzeugt.