Branchen & Märkte

Energieversorgung

«Energie ist für uns Produktionsmittel, kein Konsumartikel»

Die Energiestrategie 2050 wirft im Zusammenhang mit Wachstumszielen und internationaler Wettbewerbsfähigkeit Fragen auf. Frank R. Ruepp, CEO der Unternehmensgruppe Von Roll Infratec und Präsident der Interessengemeinschaft der energieintensiven Branchen (IGEB), spricht im Interview über die Herausforderungen für die Branche.
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Die Energiewende verlangt einen verminderten Energieverbrauch. Wie sieht die Zukunft energieintensiver Unternehmen aus, wenn weniger Energie verbraucht werden darf? Ist Wachstum so noch möglich?

Bei den energieintensiven Unternehmen sind oft die Energiekosten höher als die Personalkosten. Die Energiekosten sind für uns also existenziell und man ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen stets daran, die Prozesse zu verbessern, um spezifisch weniger Energie pro Output-Einheit zu verbrauchen. Dafür brauchen wir keine Gesetze und Verordnungen. Wenn nun der absolute Energieverbrauch verringert werden soll, ist dies natürlich klar wachstumshemmend und nicht akzeptabel. Diesen Fehler hat man übrigens schon im CO2-Gesetz gemacht und den CO2-Ausstoss von 2010 für die Jahre 2011 und 2012 festgeschrieben. Ein völliger Blödsinn.

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen Handlungsbedarf und Chancen bezüglich Energieeffizienz?

Es gibt immer Verbesserungs- und Optimierungsmöglichkeiten im Energieverbrauch und auch in der Wärmerückgewinnung. Am einfachsten ist es, immer die Energieeffizienz zu verbessern, wenn in eine Fabrik investiert wird. Neue Motoren, Pumpen, etc. sind immer effizienter als alte Anlagen und Aggregate. Für Investitionen benötigt man aber die entsprechenden Mittel. Leider sind zurzeit aber vor allem das konjunkturelle Umfeld und der Eurokurs so, dass diese Mittel kaum erwirtschaftet noch extern beschafft werden können. Die Basis-Industrie hat in der Politik und bei den Medien leider keine Lobby. Oft wird vergessen, dass diese Industrien unter anderem eine wichtige Recyclingfunktion übernehmen (Altglas-, Altmetall-, Altpapier-Verarbeitung) und sich mit unseren strengen Umweltauflagen im internationalen Vergleich schon «cleantech» repräsentieren. In diesem Umfeld sind Investoren sehr zurückhaltend.

Welche Auswirkungen haben die Ziele der Energiestrategie 2050 auf die Wachstumschancen?

Sie betreffen alle energieintensiven Unternehmen in der Schweiz. Entscheidend sind die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz. Wenn die Energiestrategie vor allem durch erhöhte Netzkosten, Steuern und Abgaben den Energiepreis einseitig nur in der Schweiz erhöht, verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit. Es geht also darum, alle Massnahmen der Energiestrategie 2050 unter diesem Aspekt zu prüfen. Ansonsten werden Arbeitsplätze verlagert und in der Schweiz abgebaut. Im Ausland wird zum Teil eine Industriepolitik betrieben, welche unsere Mitbewerber massiv bevorteilt, zum Beispiel mit tiefen Industrietarifen für Energie, reduzierten oder keinen Netzkosten und Abgaben. Die Entwicklungen in Nordamerika im Bereich von Schieferöl und -gas werden den Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas weiter erhöhen und auch Verlagerungen nach Nordamerika zur Folge haben.

Wie reagiert Ihr Unternehmen auf die Energiestrategie?

Wir arbeiten aktiv direkt und über Verbände und Vereine im politischen Prozess mit, um auf unsere Anliegen hinzuweisen und die Gesetzgebung entsprechend mitzugestalten. Energie ist für uns ein wichtiges Produktionsmittel und kein «Konsumartikel» wie im privaten Haushalt. Ein Rappen Preiserhöhung pro Kilowattstunde beim Strom bedeutet für einen Haushalt Mehrkosten von 45 Franken pro Jahr. Für eine Papierfabrik oder ein Stahlwerk sind dies Mehrkosten von mehreren Millionen Franken pro Jahr. Leider sind diese Diskussionen aber vermehrt ideologisch, parteipolitisch und egoistisch geprägt. Zudem wollen sich Politiker und die Verwaltung profilieren, ihren Einfluss ausbauen und sich ein Denkmal setzen! Dabei bleiben oft die Fakten und der gesunde Menschenverstand auf der Stre­cke. Die Leidtragenden sind dann vor allem Unternehmen der energieintensiven Industrien, da sie am stärksten betroffen sind. Als Beispiel sei hier der überstürzte Entscheid des Bundesrats und des Parlaments zum Kernkraftausstieg nach Fu­kushima erwähnt. Übrigens hat unser Nachbar Frankreich immer noch 58 Kernreaktoren in Betrieb und macht keine Anstalten, dies zu reduzieren.

Nach dem Volksentscheid zur Begrenzung der Zuwanderung hat die EU-Kommission die Gespräche über einen grenzüberschreitenden Stromhandel ausgesetzt. Welche Vorteile würden sich für energieintensive Unternehmungen mit dem Stromabkommen ergeben?

Im Stromabkommen geht es vor allem um die Verminderung von Netzkapazitäts-Engpässen an den Grenzen, den freien Energieverkehr sowie um den diskriminierungsfreien Marktzugang. Es ergeben sich dann Vorteile für uns, wenn diese von den Energieversorgungsunternehmen an die Kunden weitergegeben werden und nicht zur Gewinnoptimierung der Stromversorger und aufgrund der Eigentumsverhältnisse in der Energiebranche, zu Mehreinnahmen für die Kantone und die Gemeinden, also der öffentlichen Hand führen.

Würden sich aus dem Stromabkommen auch Risiken ergeben?

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wichtig ist, dass das Verhandlungsmandat nicht auf andere Themen erweitert wird und sinnvolle Ausnahme- und Übergangsbestimmungen ausgehandelt werden. Wie bei allen anderen Dossiers ist es wichtig, dass die Schweiz selbstbewusst verhandelt und nicht schon mit dem Kompromiss in die Verhandlung geht. Unsere Trümpfe wie die zentrale Lage in Europa als Drehscheibe und die Pumpspeicherseen als Batterie Europas müssen wir erfolgreich ausspielen. Offen ist ja noch immer der zweite Schritt der Marktöffnung, welcher dem fakultativen Referendum untersteht. Wenn das Stromabkommen zu Mehrkosten für die Industrie führt, werden wir uns entsprechend engagieren. Zuerst müssen wir aber die genauen Inhalte kennen.

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