Herr Merkle, Sie sind seit September 2014 Mitbesitzer der Agathon AG und seit dem 15. Januar 2015 deren CEO. Am gleichen Tag hob die SNB den Euro-Mindestkurs auf. Wie haben Sie in die ungemütliche Lage hineingefunden?
Mein Einstand gestaltete sich in der Tat recht stürmisch, denn wir waren zum sofortigen Handeln gezwungen, schnürten ein Massnahmenpaket. Noch am gleichen Tag wurde eine Mitarbeiterkonferenz einberufen, an welcher über die grundsätzlich neue Situation informiert wurde. Alle waren nun im Bild, wohin die Reise geht. Die Mitarbeitenden haben die beschlossenen Massnahmen mit viel Verständnis aufgenommen. Und, entscheidend, sie zeigten sehr viel Einsatz bei der Umsetzung. Es entwickelte sich so etwas wie ein «Sense of Urgency». Das schweisste uns zusammen. Denn Agathon stand gesund und erfolgreich im Markt. Weil wir gemeinsam die nächste Erfolgsstufe erklimmen wollten, bewegte sich unser Massnahmenpaket auf der Handlungsachse «Kostenmanagement» sowie «Investieren in Entwicklung, Portfolio und Marktbearbeitung».
Zusammengefasst: Welche Massnahmen wurden seither umgesetzt?
Investiert hat Agathon in die Entwicklung, in Produktionsprozesse mit gesteigertem Automationsgrad und in Vertrieb sowie Marketing. Wir investierten in alle unsere Entwicklungskapazitäten. Einmal in die Wendeschneideplatten, um hier führend zu sein. Dann aber auch in die Normalien und in die Führungselemente, wo wir ebenfalls einen grossen Namen tragen. Das Produkte-Portfolio wurde gestrafft. Der Sektor Umfangschleifmaschinen zum Schleifen von Wendeschneideplatten erfuhr eine Verstärkung. Die Spitzenlos-Schleifmaschinen werden dagegen nicht mehr angeboten. Der Frankenschock hat diese Bereinigung beschleunigt. Um schlanker und mit weniger Kosten produzieren zu können, wurde die Lean-Produktion eingeführt. Das Lean-Management kommt flott voran, die Mitarbeitenden erkennen den Nutzen dieser Initiative. Meine Erfahrungen aus früheren Tätigkeiten waren dienlich, um die Hürden solcher Vorhaben richtig einzuschätzen. Wichtig ist in jedem Fall, Etappenziele zu setzen und Ängste zu nehmen. Massgebend ist nicht nur die Art, wie produziert wird, sondern auch mit welcher Kultur. Auf der Beschaffungsseite haben wir mit Lieferanten Frankenrabatte verhandelt. Und wir haben mit dem Natural Hedging begonnen. Hier wird versucht, das Material in jenen Währungen zu kaufen, in denen das Material auch verkauft wird. Das gelingt jetzt gut. Rund 50 Prozent des Volumens im Einkauf erfolgt in Euro. Das macht uns weniger abhängig von Währungsschwankungen. Wichtig ist dabei: Der Preis der Währung ist nicht nach dem Tageskurs festgeschrieben, sondern es ist ein fixer Europreis. Also heisst das: Ein Teil kostet zum Beispiel 100 Euro, egal, wo der Schweizer Franken steht. Ursprünglich in einem Verkäufermarkt unterwegs, suchen wir jetzt zügig die Nähe zum Kunden.
Wie gelingt Ihnen das?
Die Massnahmen: ein neuer Marketingauftritt und eine neue Vertriebsorganisation mit aktiver Präsenz vor Ort. Aufgebaut wurde eine neue Marktstruktur in Europa und in den USA, in Indien und in China. Dort besteht in Shanghai eine eigene Niederlassung mit Chinesen. Chinesen kaufen von Chinesen, das hat sich bewährt. Wichtig für die Zusammenarbeit ist allerdings der ständige gegenseitige kulturelle Austausch. Der Standort Connecticut in den USA wird ebenfalls mit Leuten vor Ort betrieben – von einer Crew mit Amerikanern und Schweizern, die schon lange in den USA leben. Die Bearbeitung von Europa erfolgt durch die Equipe aus Bellach.