Branchen & Märkte

Branchenstudie: Einkauf

Die Digitalisierung des Einkaufs als Chance für KMU

Seit der letzten Studie «Mitarbeiter- und Gehaltsentwicklung im Einkauf» des Fachverbandes «procure.ch» und der ETH Zürich aus dem Jahr 2014 stellt die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft den Einkauf und seine Strukturen vor neue Herausforderungen. Was hat sich aus Sicht der Unternehmen verändert, und was bedeutet dies für KMU?
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In Industrie-, Handels- und den meisten Dienstleistungsbetrieben ist der Einkauf eine Kernfunktion des Unternehmens. Angetrieben von globalen Märkten, nachhaltigen Beschaffungskonzepten und digitalem Wandel gilt der Einkauf zu Recht auch als Innovationstreiber. Gerade für KMU bietet die Digitalisierung eine gros-se Chance: Prozesse können effizienter gestaltet und neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Im digitalen Zeitalter ist der Mangel an jungen und gut ausgebildeten Mitarbeitern eine der grössten Herausforderungen für KMU.

Strukturen und Märkte

An der Umfrage zur Studie «Mitarbeiter- und Gehaltsentwicklung im Einkauf 2018» des Fachverbandes «procure.ch» und der ETH Zürich haben 964 im Einkauf tätige Personen teilgenommen. Die meisten Einkäufer sind im mittleren Alter. Die Gruppe der 41- bis 50-Jährigen (33 %) ist die grösste, beinahe gleichauf mit den 31- bis 40-Jährigen (32 %). In KMU, Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern, liegt der Altersschnitt allerdings etwas höher. Die Teilnehmer arbeiten auch etwas häufiger in grösseren Unternehmen (55 %) als in KMU. Die grösste Gruppe bilden Unternehmen mit 100 bis 250 Mitarbeitern (24 %). Der Jahresumsatz der teilnehmenden Unternehmen liegt im Mittel zwischen 100 Millionen CHF und 250 Millionen CHF.

Das Beschaffungsvolumen der teilnehmenden Schweizer Unternehmen liegt am häufigsten (27 %) zwischen 10 Millionen CHF und 50 Millionen CHF. 40 Prozent der KMU liegen in dieser Gruppe. Im Durchschnitt kommen zwischen 40 und 50 Prozent des Beschaffungsvolumens der Schweizer Unternehmen aus dem Ausland. Die wichtigsten Handelspartner sind weiterhin die europäischen Nachbarländer Deutschland (78 %) sowie Italien (58 %) und Frankreich (45 %). Jedoch sinkt der Anteil der Unternehmen, die in diesen Ländern einkaufen, im Vergleich zur letzten Studie im Jahr 2014. Eine mögliche Folge der Frankenkrise, zunehmender Globalisierung und der fortschreitenden Digitalisierung.

Osteuropäische (46 %) sowie asiatische (41 %) Beschaffungsländer sind hingegen häufiger vertreten als noch 2014. Dies deutet darauf hin, dass der international zunehmende Kostendruck auch an Schweizer Unternehmen nicht spurlos vorübergeht. Für KMU scheint gerade die Kundennähe ein wichtiger Aspekt im Beschaffungswesen zu sein, daher liegt der Fokus stärker auf den direkten Nachbarn Deutschland und Italien. Nordamerika ist nur für sehr grosse Unternehmen ein relevanter Beschaffungsmarkt. Ausschliesslich im Schweizer Inland kaufen rund fünf Prozent der Studienteilnehmer ein.

Grundgehälter und Boni

Die Grundgehälter und Bonuszahlungen bleiben stabil. Das Grundgehalt der befragten Einkäufer liegt im Mittel bei 112 000 CHF und steigt somit im Vergleich zu den 108 300 CHF im Jahre 2014 leicht an. Der Anteil der Personen in höheren Lohngruppen (12 %), mit einem Grundgehalt über 151 000 CHF, nimmt geringfügig zu. Die Höhe der ausgezahlten Boni liegt im Schnitt bei 7300 CHF, etwas mehr als 7200 CHF im Jahr 2014. Allerdings erhalten nur etwa 66 Prozent der Einkäufer überhaupt Bonuszahlungen, was einen leichten Rückgang darstellt. Deutliche Gehaltsunterschiede werden zwischen den Funktionen Sachbearbeiter/-in (74 800 CHF), Einkaufsfachmann/-frau (95 800 CHF), Einkaufsleiter/-in (124 800 CHF), und Chief Procurement Officer (151 100 CHF) sichtbar.

Das Grundgehalt ist bei Männern (116 100 CHF) höher als bei Frauen (93 750 CHF), aber die Lücke scheint sich langsam zu schliessen. Im Jahr 2014 betrug der Unterscheid zwischen den Geschlechtern noch 25 800 CHF. Im Jahr 2014 war das mittlere Einkommen in der Westschweiz geringfügig höher als in der Deutschschweiz. Dieses Verhältnis hat sich in diesem Jahr umgekehrt. In der Deutschschweiz liegt das durchschnittliche Grundgehalt mit 112 700 CHF etwa 6,5 Prozent über der Westschweiz (105 700 CHF). Die besten Löhne werden in Genf (133 800 CHF) und Basel (124 100 CHF) gezahlt.

Das Unternehmen und seine Eigenschaften haben natürlich auch Einfluss auf das Gehalt seiner Mitarbeiter. Die Grundgehälter steigen mit der Unternehmensgrösse. Alle Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern zahlen im Schnitt 105 600 CHF. Dies sind zehn Prozent weniger als bei grossen Unternehmen, wo man mit etwa 117 000 CHF rechnen kann. Gehälter über 175 000 CHF werden in grossen Unternehmen deutlich häufiger gezahlt. Bei den Bonuszahlungen wird der Unterschied zwischen grossen Unternehmen (8200 CHF) und KMU (6200 CHF) noch deutlicher. Im Vergleich zum Jahr 2014 ist jedoch die Gehaltslücke kleiner geworden. Kleine sowie mittelständische Unternehmen scheinen zu erkennen, dass der Einkauf eine wichtige Funktion im Unternehmen darstellt und qualifizierte Fachkräfte ihren Preis haben.

Das meiste Geld lässt sich im Dienstleistungssektor verdienen, mit einem Durchschnittseinkommen von etwa 122 000 CHF, während der Handel deutlich zurückliegt, mit vergleichsweise geringen 105 300 CHF. Einige Branchen bezahlen deutlich höhere Grundgehälter als andere. Beliebt sind hier insbesondere «Finanz- und Versicherungsdienstleistungen» (135 100 CHF) und «Informationstechnologie und Telekommunikation, Rundfunk» (132 200 CHF); der «Automobilbau und sonstiger Fahrzeugbau» liegen abgeschlagen bei durchschnittlich 97 400 CHF. Dies gilt sowohl für KMU als auch für grosse Unternehmen.

Digitalisierung

Die Digitalisierung des Einkaufs stellt die Schweizer Unternehmen vor neue Herausforderungen. Grundsätzlich sehen über 65 Prozent aller befragten Unternehmen grosses Potenzial in einem Übergang zum «Einkauf 4.0», bei KMU sind es 57 Prozent. Bei den KMU planen 37 Prozent konkrete Projekte, 11 Prozent haben bereits erste Investitionen getätigt und etwa 9 Prozent weisen schon erfolgreich abgeschlossene Projekte vor. Digitalisierung im Einkauf und «Einkauf 4.0» bieteenzahlreiche Optimierungsmöglich-keiten. Aus Projekten wissen wir, dass Unternehmen – insbesondere die KMU – sich zunächst hauptsächlich mit der weiterenDigitalisierung einzelner Prozesse und Abläufe beschäftigen, um beispielweise die Transparenz in der Beschaffung zu verbessern, den Datenaustausch mit Lieferanten effizienter zu gestalten oder die Datenerfassung und -verarbeitung zu automatisieren.

Ein wichtiger Schritt ist dabei die zunehmende Integration von Lieferanten und Kunden in die Einkaufsprozesse. In diesen Bereichen lassen sich schnell erste Kosteneinsparungen erzielen. In einem nächsten Schritt eröffnen innovative Ansätze des «Einkaufs 4.0» weitere Möglichkeiten. Methoden und Technologien wie Big Data Analytics, Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Blockchain oder Smart Contracts, um nur einige zu nennen, werden in den kommenden Jahren verstärkt im Einkauf zu finden sein. Hier besteht bei KMU – aber auch bei vielen grösseren Unternehmen – noch viel Potenzial und damit eine grosse Chance.

Anforderungen im Einkauf

Das Anforderungsprofil des Einkäufers verändert sich, sowohl in kleinen wie in grossen Unternehmen. Angesichts der oben skizzierten Ansätze des «Einkaufs 4.0» geht der Trend hin zu mehr IT-Kenntnissen und analytischen Fähigkeiten. Richtigerweise erkennen 96 Prozent der Teilnehmer deutliche Veränderungen im Anforderungsprofil des Einkäufers, sicherlich auch angesichts der fortschreitenden Digitalisierung.

Die Schweizer Unternehmen halten weiterhin zuverlässiges und eigenverantwortliches Arbeiten (98 %), gute Kommunikationsfähigkeiten (97 %), speziell in höheren Positionen, sowie Teamfähigkeit (91 %) für die Kernkompetenzen im Einkauf. Lösungsorientiertes Arbeiten (97 %) und analytisches Denkvermögen (94 %) sind im Vergleich zu 2014 wichtiger geworden. Konkret werden mehr spezielle IT-Kenntnisse (54 %) sowie technisches Fach- und Branchenwissen (53 %) vorausgesetzt. Einkäufer kommen ohne ein gutes Verständnis für die Digitalisierung beruflich nicht mehr voran.

Weiterbildung

Folglich legen auch über 80 Prozent der Unternehmen viel Wert auf Weiterbildungen im Einkauf. Für die meisten Einkäufer (88 %) zahlen sich Weiterbildungen aus, beispielsweise durch eine Gehaltserhöhung, bessere Aufstiegschancen oder einfach die Sicherung des Arbeitsplatzes.

Der Einkauf ist ein attraktives Berufsfeld mit spannenden Herausforderungen. Ungeachtet – oder vielleicht gerade aufgrund – der Entwicklungen im Schweizer Einkaufswesen sehen 66 Prozent der Teilnehmer den Einkauf als Karriere-sprungbrett.

Einen akuten Fachkräftemangel sehen sogar 42 Prozent der Unternehmen in der Schweiz. Bei KMU scheint der Fachkräftemangel derzeit noch weniger akut zu sein (37 %). Dennoch bleibt der Einkauf, auch dank des digitalen Wandels, ein attraktives Berufsfeld und bietet interessante Aufgaben für den Einkäufer als Digitalisierungsexperten, zunehmend auch in KMU.

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