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Internationalisierung

Der thailändische Tiger ist zurück

Auch wenn Thailand mit der nach wie vor und schon als traditionell zu bezeichnenden, instabilen politischen Lage zu kämpfen hat, finden Schweizer KMU hier gute Voraussetzungen für lohnende Investments. Warum sich das unternehmerische Engagement in Thailand lohnt, zeigt dieser Beitrag.
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Lange kämpfte das Land mit dem Ruf, der Verursacher der Asienkrise 1997 gewesen zu sein. Richtig ist, dass die Asien­krise – auch «Tom Yum Kung Krise», nach einem thailändischen Nationalgericht benannt – ihren Anfang in Thailand hatte. Viel spekulatives Geld traf auf Leistungsbilanzdefizite und kurzfristig finanzierte Investoren. Als einige nervöse Spekulanten damit begannen, ihre südostasiatischen Positionen glattzustellen, brach der Boom in Thailand und seinen Nachbarländern in sich zusammen mit entsprechenden Schockwellen in die westlichen Volkswirtschaften hinein.

Die Wirtschaftslage

Thailand und die meisten anderen südostasiatischen Länder haben aus der Krise 1997 ihre Lektion gelernt und die Weltbank hat Thailand 2011 zugehörig zum Club der Länder mit «gehobenen mittlerem Einkommen» erklärt. Die gut kapitalisierten Banken Thailands haben sich von spekulativen Geschäften weitgehend ferngehalten und auch der aktuell zu bewundernde Immobilienboom scheint unter strenger Kontrolle der Aufsichtsbehörden zu sein. Offiziellen Statistiken zufolge trägt der Landwirtschaftssektor nur noch mit 8,3 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Auch der Tourismus-Sektor ist mit seinen knapp zehn Prozent an der Wirtschaftsleistung nicht so bedeutend wie gemeinhin unterstellt. Gesamthaft dominieren mit 40 Prozent (Industrie) und 50 Prozent (Dienstleistungen) der sekundäre und tertiäre Wirtschaftsbereich das Sozialprodukt des südostasiatischen Landes. Zudem verzeichnet Thailand in den zurückliegenden Jahren meist einen soliden Überschuss der Handelsbilanz und die Wirtschaft hängt nicht mehr von einigen wenigen Ländern beziehungsweise Investoren ab: ASEAN-Staaten (25,9 Prozent), gefolgt von China (11,9 Prozent), den USA (10,05 Prozent), der EU (9,8 Prozent) und Japan (10,2 Prozent).

Die politische Lage

Trotzdem hat das Land unter der nach wie vor, und schon als traditionell zu bezeichnenden, instabilen politischen Lage zu kämpfen. Infolge der neuerlichen Machtübernahme durch das Militär ging beispielsweise der für Thailand zwar nicht existenzielle, aber doch als Devisenbringer wichtige Tourismus nach dem Rekordjahr 2013 deutlich zurück (1. Halbjahr 2014 = - 6 Prozent). Doch mit der politischen Stabilisierung kommen auch das Vertrauen und das Wachstum zurück, aktuelle Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum 2015 gehen von 3,5 Prozent bis 4,5 Prozent (AHK, Weltbank) beziehungsweise 5,5 Prozent (Bank of Thailand) Wachstum aus. Die Ratingagentur Moody’s hat für Thailand – die Staatsverschuldung lag im 1. Halbjahr 2014 bei moderaten 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – kürzlich erst eine stabile Prognose abgegeben und die Bewertung mit «Baa1» trotz der politischen Fragezeichen beibehalten.

Freihandel im Fokus

Stellt sich nun die Frage, was die «Story» hinter Thailand ist und warum man gerade als KMU diesen Standort als asia­tische Alternative oder Ergänzung für China in Betracht ziehen sollte. Zunächst gilt es zu erwähnen, dass Thailand sich als Handelsnation und Gründungsmitglied des ASEAN-Wirtschaftsraums seit jeher dem Freihandel verschrieben hat. Für jede Regierung, egal ob zivil oder vom Militär gestellt, steht die Integration mit den ASEAN-Partnern und die vertiefte wirtschaftliche Kooperation mit Ländern im Asien-Pazifik-Raum (China, Japan, Indien) im Vordergrund. Doch auch die EU-Kommission und Thailand haben sich Ende 2012 auf die Aufnahme von Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen geeinigt und die ersten vier Verhandlungsrunden fanden bis Mai 2014 statt. Interessant für kleine und mittelgrosse Unternehmen ist Thailand insbesondere als Handels- und Produktionshub aufgrund seiner Lage im Zentrum des ASEAN-Wirtschaftsblocks.

Seit 2009 hat Thailand seine bereits bestehenden Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland erweitert und sich dem Abkommen ASEAN-Korea angeschlossen. Die Fertigstellung eines (zweiten) Freihandelsabkommens mit Indien steht bevor. Aber insbesondere die ASEAN- beziehungsweise die AEC-Abkommen können in ihrer Wirkung nicht überschätzt werden.

Stufenweise besteht seit 2010 Zollfreiheit für fast alle Handelsprodukte zwischen den ASEAN+6-Ländern (ASEAN plus China, Indien, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland). Ab Ende 2015 treten weitere Erleichterungen nach Vorbild der EU im ASEAN-Raum in Kraft. Die Trumpfkarten dieses riesigen Binnenmarktes sind unter anderem die Mitgliedschaft und Nähe zu China sowie die Demografie der ASEAN-Länder. Während China beginnt, an den Folgen der langjährigen Ein-Kind-Politik zu leiden und sich bereits eine Überalterung der Bevöl­kerung abzeichnet (Median-Alter 37 Jahre), offerieren die ASEAN-Länder den investitionswilligen Unternehmern eine überdurchschnittlich junge und überwiegend gut gebildete Bevölkerung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Konsum in der Region auch zukünftig stark wachsen kann.

Kaufkräftiger Mittelstand

In Thailand, aber auch Indonesien, den Philippinen, in Vietnam sowie in Malaysia – fünf Länder mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 500 Millionen und einem kaufkräftigen Mittelstand – ist die Nachfrage der privaten Haushalte zu einer tragenden Stütze geworden. Die Chancen für KMU ruhen damit auf zwei Pfeilern, der ASEAN-eigenen konsumwilligen und -fähigen Bevölkerung und der komparativen Export- bzw. Wettbewerbsfähigkeit von Thailand. Wie in der Schweiz stellen in Thailand die kleinen und mittelständischen Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft dar.

Schweizer KMU in Bangkok

Das Board of Investment (BoI) – die thailändische Wirtschaftsförderung hat sich aus diesem Grund auch explizit der Ansiedlung von KMU in Bangkok und anderen Städten verschrieben. Auslandsinvestitionen sind besonders in techno­logieorientierten Sektoren willkommen und werden vom BoI unter anderem durch Steuerermässigungen, beschleunigte Genehmigungsverfahren, reduzierte Importzölle sowie weitreichende Eigentumsrechte gefördert. Die derzeitige Investitionsstrategie des BoI fokussiert stärker als zuvor auf Hochtechnologie und Investitionen mit hoher Wertschöpfung oder einem besonderen Augenmerk auf Nachhaltigkeitsaspekte. Gerade hier können Schweizer KMU mit Sicherheit punkten und so in den Genuss der Wirtschaftsförderung Thailands kommen.

Die Schweiz und Thailand schauen auf eine jahrzehntelange wirtschaftliche Zusammenarbeit zurück und haben unter anderem bilaterale Abkommen über den gegenseitigen Schutz von Investitionen und die Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossen. Dabei nimmt die Schweiz als Handelspartner unter den nicht-asiatischen Ländern eine Spitzenposition ein und bewegt sich bei Im- wie Exporten in etwa auf dem Volumen von jeweils 1 Mrd. CHF, mit leichten Vorteilen für die Exporte nach Thailand. Die Zusammenarbeit der Länder ist einstudiert und die Schweiz ist seit 2012 aus thailändischer Sicht der elftwichtigste Handelspartner weltweit und der wichtigste unter den europäischen Ländern.

Schweizer Konsum- und hochwertige Luxusgüter erfreuen sich in Thailand gros­ser Beliebtheit unter den wohlhabenderen Konsumenten Bangkoks. Aber auch Schweizer Arbeitgeber sind bei den vermehrt westlich ausgebildeten, hoch qualifizierten Arbeitnehmern erste Wahl. Umgekehrt erweist sich Thailand als Land, das bei Expads ganz oben auf der Beliebtheitsskala liegt. Das liegt unter anderem auch an der sprichwörtlichen Gastfreundschaft der thailändischen Kultur, aber auch am breiten Angebot an internationalen Schulen und dem erstklassig entwickelten Gesundheitssektor. Schweizer KMU sollten demzufolge keine Probleme haben, ihr Personal für eine gewisse Zeit nach Thailand zu entsenden.

Chancen nutzen

Der vorliegende Beitrag soll helfen, dass bei aller China-Euphorie die Schweizer KMU den Blick auf die Länder in Südostasien und insbesondere auf Thailand nicht verschliessen. Die anstehende Vertiefung des ASEAN-Binnenmarktes und Thailand in der geografischen Mitte dieses Riesenmarktes lassen eine Dekade des Wachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung erwarten. Für die durch die Eurokrise arg gebeutelten kleinen sowie mittelgrossen Unternehmen kann Thailand als Produktions- und Handelsstandort eine ideale Diversifizierung darstellen. Und die Chance eines zusätzlichen  Standorts in Thailand als auch die des neuen Superbinnenmarktes gilt es zu nutzen. Schweizer KMU sollten nicht an der Seitenlinie stehen.

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