Südamerika ist bekannt für seine unglaublichen Landschaften, freundlichen Menschen, mitreissende Lebenslust und nicht zuletzt für sein gutes Essen. Weniger beliebt ist der Kontinent hingegen bei Schweizer KMU mit grossem Exportanteil. Zu hoch waren bisher die Zölle, um das volle Potenzial der in der Schweiz hergestellten Produkte und Dienstleistungen für die Märkte Südamerikas auszuschöpfen. Im Durchschnitt betragen diese Zölle sieben Prozent, können aber bei spezifischen Exporten von Industriegütern nach Brasilien bis zu 35 Prozent betragen. Hinzu kommen weitere Handelshemmnisse und Vorschriften.
Überschaubarer Export
In der Folge wurden Schweizer Produkte für die Käufer in Südamerika teurer und sind deshalb heute weniger konkurrenzfähig. Aus Sicht eines KMU gab es darauf eigentlich nur zwei Antworten: Entweder man wollte und konnte sich eine Präsenz in den dortigen Ländern leisten, was aber im Falle eines Schweizer KMU-Produktionsbetriebes logistisch und operativ einer Meisterleistung gleichkam. Oder man verzichtete auf die intensive Bearbeitung der Märkte und liess dadurch wertvolles Potenzial liegen.
Die Zahlen belegen dies: Im Jahr 2018 betrug der gesamte Export der Schweiz nach ganz Südamerika lediglich 3,6 Milliarden Franken. Das tönt nach viel, ist aber wenig, wenn man bedenkt, dass allein der Export der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Branche) nach Deutschland 18,5 Milliarden Franken betrug. Umso mehr sticht ins Auge, dass bei diesem Vergleich die Einwohnerzahl in Lateinamerika bei selbstredend kleinerer Wirtschaftskraft mehr als doppelt so gross ist. Das durch wegfallende Zölle erreichbare Einsparpotenzial für die Schweizer Wirtschaft beträgt sodann über 180 Millionen Franken – eine stattliche Zahl.
Abkommen sind notwendig
Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, den Handel mit Südamerika zu vereinfachen. Deshalb hat die Schweiz im letzten Sommer die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit der Freihandelszone Mercosur grundsätzlich abgeschlossen. Dazu gehören Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Damit kommt die Schweiz keine Minute zu früh, denn die Konkurrenz schläft nicht.
So konnte die EU kürzlich ebenfalls einen Freihandelsvertrag mit den Mercosur-Staaten auf den Weg bringen. Damit geniessen die Unternehmen der EU nach dem Inkrafttreten die Vorteile von deutlich reduzierten Zöllen und dem Abbau von Handelshemmnissen. Die Schweizer Firmen, die in Konkurrenz zu den Unternehmen im europäischen Ausland stehen, gerieten ohne ähnlichen Vertrag ins Hintertreffen.
Für den verantwortlichen Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin ist denn auch klar, dass ein Handlungsbedarf besteht. Er fasst die Situation folgendermassen zusammen: «Stellen Sie sich vor, die EU hat einen Vertrag und wir nicht, dann zahlen die null Zoll und wir im Schnitt sieben Prozent, teilweise bis zu 35 Prozent. Somit hat ein Unternehmen aus der Schweiz keine Chance mehr gegenüber der Konkurrenz aus Baden-Württemberg.» (Zitat aus der «Sonntagszeitung»). Der Status quo ohne Freihandel ist aus diesem Grund für die Schweiz kaum mehr aufrechtzuerhalten. Die heute bescheidenen Umsätze von Schweizer KMU mit Südamerika gingen mit grosser Wahrscheinlichkeit in die EU, weil sich eine Preisdifferenz von sieben bis 35 Prozent auch bei den innovativsten Produkten kaum ausgleichen lässt. Gewonnen wäre dadurch aus Schweizer Sicht überhaupt nichts.
Die Schweizer Aussenpolitik hat dies verstanden und glücklicherweise zügig vorwärtsgemacht. Deshalb wird das Abkommen voraussichtlich noch dieses Jahr ins Parlament kommen. Von links-grüner Seite wurde jedoch bereits das Referendum angekündigt, was zu einer Volksabstimmung gegen Ende 2020 oder im Jahr 2021 führen würde. Im Raum steht dabei nicht die Senkung der Handelshürden per se, sondern hauptsächlich die Frage der Nachhaltigkeit. Ich werde deshalb im Folgenden darauf eingehen, inwiefern das Freihandelsabkommen dahingehend einen positiven Beitrag leisten kann.