25 Jahre «KMU-Magazin»

Meilensteine im Rückblick

Euro – Auf falschem Kurs?

1999 Bei der Geburt des Euro – er wurde am 1. Januar 1999 zuerst als Buchwährung eingeführt, bevor er drei Jahre später, am 1. Januar 2002, auch in Form von Münzen und ­Noten in Umlauf kam – waren die Hoffnungen gross. Der Euro sollte die wirtschaftliche Konvergenz zwischen den ­EU-Ländern fördern – das heisst nationale Wohlstandsdifferenzen tendenziell ausgleichen – und überdies die politische Integration der EU vorantreiben. Er sollte, mit anderen Worten, das Mittel sein, Europa zu einen. 


Euro-Skepsis

Viele namhafte Ökonomen äusserten sich vor der Schaffung des Euro skeptisch zu dem Projekt, da der Euro-Zone ihrer Meinung nach wesentliche Voraussetzungen zu einem optimalen Währungsraum fehlten. Die einzelnen Volkswirtschaften seien zu unterschiedlich in ihrer Entwicklung, als dass eine einzige Währungspolitik für alle passend wäre; eine Währungspolitik für starke Länder, so argumentierten sie, müsse notgedrungen die schwachen Länder noch weiter schwächen, oder umgekehrt. Denn in einer Währungsunion haben die einzelnen Länder keine Möglichkeit mehr, eine eigene Währungspolitik zu gestalten und als Extremlösung zum Beispiel ihre eigene Währung abzuwerten, um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft wieder zu verbessern.

Eine Währungsunion erfordere, so die ­damaligen Einwände weiter, nebst einem einheitlichen Finanzmarkt zwingend auch eine Fiskalunion, das heisst eine zentrale Instanz mit eigenem Budget und mit der Möglichkeit von Ausgleichs­zahlungen an strukturschwache Mitgliedsländer. 


Ohne Sanktionsmechanismen

Nun ist der Euro aber – vor allem auf Druck Deutschlands – gerade mit der Auflage entstanden, dass keine derartigen Transferzahlungen erfolgen dürfen und es keine Beistandspflicht gegenüber anderen Mitgliedern gibt («no bail-out»). Die als Ersatz vorgesehene Verpflichtung aller Euro-Länder auf Konvergenzkri­terien (zum Beispiel die Einhaltung von Haushaltsdisziplin) ist nicht durchsetzbar, wie die Erfahrung zeigt, da es an glaubwürdigen Sanktionsmechanismen fehlt. Diese warnenden Gegenstimmen ignorierte man: Letztlich wurde der Euro primär aus politischen Gründen und aus politischem Willen geschaffen.


Die EZB-Politik

Folgt man Ashoka Mody, Ökonom und Autor des Buches «Eurotragedy. A Drama in Nine Acts» (Oxford University Press, 2018), gibt es [daher] bisher wenig Grund zum Feiern. Mody ist nicht nur insgesamt skeptisch in Bezug auf den Euro, sondern insbesondere auch sehr kritisch gegenüber der Art und Weise, wie die EU, die Euro-Gruppe (das heisst die Euro-Zonen-Länder) sowie die Europäische Zentralbank (EZB) die Finanzkrise des Jahres 2008 bewältigt haben. Seine Kritik betrifft unter anderem das Mandat der EZB, die allein auf die Währungsstabilität verpflichtet ist und nicht wie namentlich das amerikanische Federal Reserve System (Fed) auch auf die Beschäftigungslage.

Im Vergleich zum Fed habe die EZB immer «too little, too late» gehandelt, dadurch die Rezession in Europa verschärft und verlängert – und den betroffenen Ländern so einen nachhaltigen Schaden zugefügt. Die EZB-Politik trage eine wesentliche Mitschuld an der Wachstumsschwäche Europas.

Als Ausweg plädiert Mody offen für eine Auflösung des Euro beziehungsweise für einen Austritt einzelner Länder, wobei er vorschlägt, dass nicht Italien oder andere schwache Länder austreten sollten, sondern Deutschland, da es sich dies leisten könne. Seine Währung würde sofort ­aufgewertet, womit es dem Land leichtfallen würde, die in Euro denominierten Verbindlichkeiten zu begleichen.

Ist eine geordnete Auflösung des Euro denkbar? Kaum – es ist undenkbar, dass die EU einen solchen Entscheid freiwillig fällen würde. Die praktischen Probleme wären immens und anspruchsvoll. Nicht zuletzt: Was sollte dann z. B. aus jenen Euro werden, die rund 20 % der welt­weiten Währungsreserven ausmachen?


Euro und Franken

Jenseits der Diskussion über Für und ­Wider den Euro ist auch ein Blick auf das Verhältnis zwischen den Währungen Euro und Schweizer Franken interessant.

Der Euro sank gegenüber dem Schweizer Franken von 1,60 Euro Anfang 2020 auf 1,05 Mitte 2020. Dadurch hat die Gemeinschaftswährung etwas mehr als ein Drittel (–34,4 %) ihres Wertes verloren. Bis Herbst 2007 lag der Euro im Plus. Es folgten erdrutschartige Verluste. Beim Ausblick bis 2025 gibt es etwas Licht und viel Schatten.

2000–2007: Die Kursentwicklung Schweizer Franken–Euro lief so, wie sich das die Gründungsväter des Euros vorstellten. Es ging sukzessive nach oben. Die junge Währung gewann an Vertrauen und brachte sich bereits wenige Jahre nach ihrer Einführung in Stellung, die Leitwährung US-Dollar herauszufordern.

Im Okt./Nov. 2007 gab es für 1 Euro 1.68 Franken. Möglich war das auch, weil in Deutschland und Österreich das Geschäft mit Franken-Krediten boomte. In Österreich waren es vor allem private Haushalte in Vorarlberg, welche Anfang der 2000er-Jahre die hohen Euro-Zinsen ­abschreckten. Wenig später erfasste ein Franken-Kreditboom das ganze Land.

Auch unzählige deutsche Kommunen flüchteten in die Schweiz. Hier waren die Zinsen merklich niedriger. Es war eine Zeit, in der die junge Europäische Zentralbank (EZB) eine Geldpolitik nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank betrieb.

2008 brach die Weltfinanzkrise aus. Ab 2010 kam die Euro-Schuldenkrise hinzu. Von diesem Doppelschlag konnte sich die Kursentwicklung Euro–Schweizer Franken nie wieder erholen. Es stellte sich heraus, dass in den Euro-Südstaaten vieles nur auf Sand gebaut war.

Bis 2007 sah es danach aus, dass Spanien, Portugal und Griechenland den grossen Abstand zu den Euro-Nordstaaten Deutschland, Österreich und den Niederlanden verkleinern könnten. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Die Europäische Zentralbank (EZB) schlüpfte in die Rolle als Geldverleiher letzter Instanz und machte die Leitzinsen sogar ­negativ. Die stabilitätsorientierten Vorsätze der Deutschen Bundesbank wurden über Bord geworfen. Der französische EZB-Chef Jean-Claude Trichet brach ein Tabu und kaufte Staatsanleihen. Sein Nachfolger, der Italiener Mario Draghi, versprach mit «Whatever it takes», un­begrenzt Euros zu drucken. Er baute die EZB zu einer südeuropäischen Notenbank um. Ein bemerkenswerter Vorgang, als Spanier und Italiener einst unbedingt den Euro wollten, weil sie ihre nationalen Weichwährungen satt hatten.


Der Frankenschock

Der Gegenwind von der EZB-Notenpresse wurde so stark, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine von ihr 2011 eingeführte Euro-Stützgrenze bei 1.20 Franken aufgeben musste. Die Kursentwicklung krachte Anfang 2015 auf 1 Euro = 1 Franken.

Von diesem Schock konnte sich der Euro wider Erwarten recht schnell erholen. Dank eines kräftigen Konjunkturaufschwungs in der Eurozone kletterte der Euro-Franken-Kurs bis April/Mai 2018 auf 1.20. Dann stellte sich heraus, dass auch diesem Aufschwung ein solides Fundament fehlte.

Zu allem Überfluss aus der Sicht des Euros kam dann noch die Corona-Pandemie. Sie beherrscht die Kursentwicklung seit 2020. Wie geht es bis 2025 weiter? Es gibt zwei Möglichkeiten:

Euro-Comeback
Die Eurozonen-Wirtschaft erholt sich dank des vielen Geldes aus der EZB-Notenpresse so wie zwischen 2016 und 2019. Dies würde dem Eurokurs ermöglichen, auf 1.10 bis 1.20 Franken zu steigen.

Parität
Es gibt einen kleinen Post-Corona-Aufschwung. Danach geht es unmittelbar in die Stagnation. Geld aus der EZB-No­tenpresse ist nicht länger in der Lage, das Wachstum anzukurbeln. Die hohen Schuldenstände in Südeuropa bremsen. Der Euro-Franken-Kurs fällt auf eins.

Es muss immer mehr Geld aus dem Norden in den Süden geleitet werden. Vergleichbar ist das mit Deutschland nach der Wiedervereinigung. Transferzahlungen hielten das Wachstum 15 Jahre niedrig. Die innerdeutschen Transfers enden nun, der Solidaritätszuschlag wird abgeschafft.

Dafür geht es jetzt auf der Ebene des Euro-Währungsgebietes weiter. Deutschland, Österreich und die Niederlande müssen deutlich mehr Geld in den EU-Haushalt einschiessen. Dieses wird dann über Brüssel nach Griechenland, Italien, Spanien und Portugal weitergeleitet.