Die Plattform zählt heute zu den 20 beliebtesten Websites der Welt und bleibt ohne kommerzielle Absichten. Wales verfasste damals einen ersten englischsprachigen Eintrag und begrüsste – wie für Programmierer üblich – die Leserschaft mit «Hello World».
«Schnelles Nachschlagewerk»
Allein die deutschsprachige Wikipedia umfasst inzwischen über 2,5 Millionen enzyklopädische Artikel und belegt Platz vier aller Sprachausgaben. Als erste weitere Sprachausgabe ging sie zwei Monate nach der englischen Wikipedia im März 2001 an den Start. Die deutschsprachigen Seiten werden täglich im Durchschnitt etwa 15 Millionen Mal aufgerufen. Die älteste noch erhaltene Version eines Artikels in der deutschsprachigen Wikipedia befasst sich übrigens mit etwas, das derzeit durch die Corona-Pandemie in aller Munde ist: es ging um die «Polymerase-Kettenreaktion» – ein molekularbiologisches Verfahren, das auch unter der Kurzform PCR bekannt ist. Wikipedia setzt sich aus zwei Begriffen zusammen. «Wiki» heisst auf Hawaiisch «schnell». «Encyclopedia» ist das englische Wort für «Enzyklopädie», was ein umfangreiches Nachschlagewerk meint. Dem Begriff nach soll man also in der «Wikipedia» schnell gesuchte Informationen nachschlagen können.
Das Wikipedia-Prinzip
Heute versteht man unter einem «Wiki» ein Webangebot, das sich ohne Vorkenntnisse benutzen lässt. Laut entsprechendem Wikipedia-Eintrag verbirgt sich dahinter «eine Website, deren Inhalte von den Besuchern nicht nur gelesen, sondern auch direkt im Webbrowser bearbeitet und geändert werden können (Web-2.0-Anwendung). Das Ziel ist häufig, Erfahrung und Wissen gemeinschaftlich zu sammeln (kollektive Intelligenz) und in für die Zielgruppe verständlicher Form zu dokumentieren.» Und so lautet auch das Wikipedia-Prinzip, denn jede und jeder kann mitmachen. In der Regel verfassen ehrenamtliche «Wikipedianer» die Beiträge. Allein zur Mitarbeit an der deutschsprachigen Ausgabe sind 3,6 Millionen Menschen angemeldet, als aktiv gelten aber nur knapp 20 000. Viele Schreibende sagen jedoch noch nichts über die Qualität aus. Das Verfahren, wie die Artikel zu kontrollieren sind, wurde daher laufend weiterentwickelt. Die Regeln der deutschsprachigen Community gelten als besonders strikt.
Kein gutes Klima
Allerdings gibt es immer weniger neue Willige, die ehrenamtlich mitarbeiten möchten. Kritik macht die Runde, wonach der Ton unter den Mitwirkenden – Administratoren wie Editoren – eher rau sein soll. Johannes Weberling, Anwalt für Medienrecht und Honorarprofessor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, nennt ihn gegenüber dem NDR «unterirdisch». Weberling ist Mitbegründer von «Wiki-Watch», einer Arbeitsgruppe, die sich zur Aufgabe gemacht hat, die Qualität des Online-Lexikons kritisch zu prüfen. Hinter der Wikipedia steht die Wikimedia Foundation, der Wales die Enzyklopädie einst schenkte. Werbefrei und allein aus Spenden finanziert sie die Infrastruktur des Online-Lexikons und bezahlt die Programmierer. Zuletzt hat die Stiftung jährlich an die 120 Millionen Dollar eingenommen. Laut Wikipedia-eigener Statistik würde allein die deutschsprachige Wikipedia in gedruckter Form – ohne Bilder, wohlgemerkt – 1471 Bände umfassen. Man bräuchte also acht Bücherregale, wenn in jedes Regal auf die verschiedenen Regalböden verteilt 200 Bücher passten. Das letzte würde nur noch knapp zur Hälfte belegt sein.
Kein Bücherersatz
Gedruckte Wissenssammlungen verschwinden nach und nach. 2012 gab die «Encyclopaedia Britannica» bekannt, fortan nur noch digital erscheinen zu wollen, und auch der im deutschsprachigen Raum bedeutsame «Brockhaus» zog 2014 ins Digitale um. Wales sagt, die Britannica habe nicht ausschliesslich durch Wikipedia, sondern auch durch das Microsoft-Lexikon «Encarta» Probleme bekommen und sich nicht zeitgemäss entwickelt.
Er bedauere dennoch, dass derartige Institutionen verschwänden, sagte er 2017 in einem Deutsche-Welle-Interview. Allerdings glaube er nicht, «dass Wikipedia Bücher oder tiefgreifende Texte ersetzt. Es ergänzt sie. Genau so, wie die Britannica oder der Brockhaus niemals Shakespeare ersetzen könnten. Es bleibt eine Sache, Hintergrundinfos über Shakespeare zu lesen, aber den Text muss man schon selber anpacken.» Ausserdem erklärt er, dass Bücher und Wikipedia eine gemeinsames Ziel verfolgten: die Aufklärung.
«Tummelplatz für Manipulation»
Wikipedia hat sich den Zusatz «Die freie Enzyklopädie» gegeben. Doch wie frei im Sinne von unabhängig ist das Mitmach-Lexikon und wie neutral können die Artikel ausfallen? Martin Rulsch, Mitarbeiter bei der deutschen Wikimedia, der Organisation, die hinter Wikipedia steckt, und zudem ehrenamtlich schon viele Jahre für das Online-Lexikon tätig, sagte gegenüber der DW: «Ich glaube, es gibt keine Wahrheit und Neutralität. Aber das Ziel von Wikipedia ist es ja, sich dem möglichst anzunähern und danach zu streben. Und wenn es nicht einen neutralen Standpunkt gibt, dann mehrere Standpunkte darzustellen.»
Dass die Wikipedia nicht frei von Einflussnahmen unterschiedlicher Akteure ist, bemängelt Thomas Spahn aus der DW-Wirtschaftsredaktion. In diesem Video-Kommentar nennt er sie sogar einen «Tummelplatz für Manipulateure». Spahn nutzt als Beleg die Beispiele von über Artikel-Bilder eingeschmuggelten Werbebotschaften und von der Beeinflussung der Darstellung gewisser Themen durch einen Branchenriesen. Nebenbei: Wer schon von der mit mehr als 50 Millionen Beiträgen bestückten Online-Bibliothek beeindruckt ist, für den lohnt vielleicht auch ein Blick auf die Liste der grössten Bibliotheken der Erde. Die British Library etwa, die Nationalbibliothek des Vereinigten Königreichs in London, beherbergt mit über 170 Millionen Werken den weltweit grössten Medienbestand aller Bibliotheken.
Quellenhinweis:
Deutsche Welle (https://www.dw.com/de/20-jahre-wikipedia-acht-dinge-die-es-zu-wissen-lohnt/a-56209000)
(15.1.2021, Verena Greb)
de.wikipedia.org