Wie beurteilen Sie das allgemeine Qualitätsniveau im Baugewerbe?
Markus Meier Joos: Das Qualitätsniveau ist sehr unterschiedlich. Die planerische Qualität ist tendenziell sinkend. Für unsere teilweise sehr komplexen Bauvorhaben fehlen Fachleute auf jeder Stufe. Gute Fachpersonen mit entsprechender Ausbildung sind rar. Die hohe Auslastung in der Baubranche führt dazu, dass sich auch weniger qualifizierte Planungsbüros an Aufgaben versuchen, die sie eigentlich überfordern. In der Realisation ist ein ähnlicher Trend feststellbar. Versierte Unternehmungen haben Mühe, gute Qualität in der Ausführung zu verkaufen. Die Konkurrenz und der Preisdruck sind gross, die Margen klein. Auch dies führt dazu, dass fachlich nicht qualifizierte Personen in einer Unternehmung wichtige Arbeiten vornehmen, was dann sehr oft eine Einbusse in der gesamten Ausführungsqualität bedeutet.
Arthur Casagrande: Seit der Öffnung der Grenzen für ausländische Fachkräfte sowie für Hilfs- und Gelegenheitsarbeiter ist die Qualität in der Planung und Umsetzung schwieriger planbar und nur mit erhöhtem Aufwand kontrollierbar geworden. Erschwerend ist dabei, dass die Fachkenntnisse dieser Mitarbeitenden aufgrund der teilweise stark unterschiedlichen Ausbildungen im Voraus nicht leicht einzuschätzen sind. Bei komplett fehlenden Kompetenzen resultieren ungenügende Resultate in der Ausführung. Der Qualitätsschwund ist aber abgeflacht.
Jürg Mosimann: Im internationalen Vergleich ist das Qualitätsniveau in der Schweiz hoch. Grundsätzlich ist jeder Baudienstleister, jede Bauunternehmung bestrebt, ein qualitativ einwandfreies Bauwerk zu erstellen. Viele Bauten könnten im Prinzip durch jede Baufirma realisiert werden. Da eine Differenzierung vom Mitbewerber schwierig ist, läuft bekanntlich vieles über den Preis. Das Offerieren wird deshalb zur Gratwanderung, denn der Kostendruck steht dauernd im Raum.
Hans-Peter Domanig: Die Schweiz hat grundsätzlich ein sehr hohes Qualitätsniveau, da wir Schweizer auch ein hohes Qualitätsbewusstsein haben. Dies spiegelt sich sehr schön in unseren Infrastrukturbauten. Aber im Wohneigentumsbereich gibt es noch Potenzial, da wir es hier mit ganz vielen Bauherren, also verschiedenen Eigentümern mit ihren individuellen Wünschen zu tun haben. Beeinträchtigt wird die Qualität durch Planungslücken, Termin- und Kostendruck sowie fehlende Fachkräfte. Qualitätseinbussen entstehen weiter durch mehrfaches Weitergeben von Aufträgen von einem Sublieferanten zum anderen. Und generell gilt natürlich: Gebaut wird «Open Air», folglich wetterabhängig. Zudem ist jedes Bauwerk ein Unikat.
Christian Hunziker: Die Qualität nehmen wir als «schleichend sinkend» wahr. Da aber vermehrt Bauteile in Fabriken vorfabriziert werden, wird ein Teil der Qualitätseinbusse wieder kompensiert. Um komplexe Arbeiten mit innovativen Verfahren erbringen zu können, ist kontinuierliche Weiterbildung unabdingbar. Wir schulen unser Personal deshalb im Umfang von 50 bis70 Stunden pro Jahr in vielen Disziplinen. Ganz allgemein stelle ich fest: Das Baugewerbe hat in Sachen Aus- und Weiterbildung einen sehr hohen Nachholbedarf.
Wie schätzen Sie das Qualitätsbewusstsein der Besteller/Bauherren ein?
Jürg Mosimann: Das Qualitätsbewusstsein war und ist auch heute hoch. Veränderte Rahmenbedingungen in einer sich wandelnden Gesellschaft beeinflussen natürlich auch das Qualitätsverständnis. Im konkreten Fall stellt sich jeweils die Frage, ob ein Besteller seinem ursprünglichen Qualitätsempfinden treu bleibt, wenn es schlussendlich um den Preis geht, oder ob er davon abrückt im Glauben, die gleiche Qualität anderswo billiger erhalten zu können. Traditionsgemäss werden in der Schweiz Bauten erstellt, die mehreren Generationen dienen sollen. Die Nutzer haben ja ein Anrecht darauf, in einem intakten, gesunden Umfeld leben und wirken zu können. Diesen Qualitätsanspruch sollten wir hoch halten und deshalb Bauprojekte nachhaltig planen und realisieren, besonders, weil die Ressource Boden endlich ist.
Markus Meier Joos: Unser Qualitätsbewusstsein als Besteller in einem ganzheitlichen Sinn ist hoch. Trotzdem wird viel über die Höhe der Investitionskosten gesteuert. Auch den Lebenszykluskosten von Gebäuden räumen wir immer mehr Gewicht ein, im Wissen, dass die Berücksichtigung dieser Lebenszykluskosten die Möglichkeit schafft, ein gutes Verhältnis zwischen Nutzen/Kosten und Qualität/Leistung zu erreichen. Dem damit verknüpften Zusammenhang von Investitions- und Betriebskosten wird Rechnung getragen. Investitionskosten werden zulasten der Qualität oder der Nutzungskosten kompensiert. Die Lebenszykluskosten spielen dann nur noch eine untergeordnete Rolle.