Loyale Kunden durch herausragende Erlebnisqualität

Beispiele sind ein Hotelaufenthalt, der von Geschäftskunden verbunden wird mit einem «Gefühl wie zu Hause – nur noch besser, da man mehr Freiheiten hat»; der Aufenthalt in der Lounge eines Transportunternehmens führt zum «wohltuenden Gefühl der effizienten Zeitnutzung und damit letztlich zu einer besseren Work-Life-Balance» oder die Zeit, die Jugendliche mit Gleichgesinnten im Bekleidungsgeschäft (Outlet) verbringen, ist für sie ähnlich «cool» wie jene auf der anschliessenden Party. Während viele kleine Dienstleistungsunternehmen zu den natürlichen Erlebnisqualitätsexperten gehören, sind es bei Grossfirmen Namen wie «Starbucks» oder «Singapore Airlines», deren Fähigkeit zur Erlebnisinszenierung zum «Best Practice» gezählt wird.

Die Erlebnis-Toolbox

Bestehende Ansätze zur Planung von Kunden­erlebnissen stützen sich meist auf die klassischen Marketinginstrumente, d.h. die 4 P’s (Produkt, Preis, Place und Promotion) und versuchen so eine emotionale Anreicherung der Leistungsangebote des Unternehmens sicherzustellen. Gerade bei Dienstleistungsunternehmen greifen diese Instrumente aber zu kurz: Hier können Kontakte mit dem «Produkt» nicht eingegrenzt werden, stattdessen tragen sämtliche Unternehmenskontakte potenziell zum Kundenerlebnis bei. Daraus folgt, dass Kundenerlebnisse immer ganzheitlich auf strategischer und operativer Ebene sowie unter Berücksichtigung aller potenziellen Interaktionen zwischen dem Unternehmen bzw. den Mitarbeitenden und seinen Zielkunden geplant werden müssen. In dem oben genannten Projekt wurde eine praxisorientierte Anleitung zur erfolgreichen Gestaltung von Kundenerlebnissen in neun Schritten entwickelt, welche diesen Anforderungen gerecht wird. Vier der neun Schritte sollen nachfolgend vorgestellt werden und sind in Abbildung 1 zusammengefasst.

1. Kundenerlebnisgeschichte schreiben

Die Kundenerlebnisgeschichte ist der Dreh- und Angelpunkt der Toolbox, auf den sich die anderen Schritte jeweils beziehen. Die Geschäftsleitung selbst sollte die Geschichte verfassen, dabei aber konsequent die Kundenperspektive einnehmen. Das, was ein fiktiver oder realer Zielkunde nach einem Serviceereignis mit dem Unternehmen einer vertrauten Person erzählen sollte, wird dabei möglichst detailgetreu und facettenreich aus der «Ich-Perspektive» geschildert. Ähnlich wie bei einem Buch oder Film sollten alle Sequenzen des Serviceprozesses beschrieben werden, die vor dem geistigen Auge des Kunden ablaufen und die sie oder er während der Erzählung noch einmal nachfühlt: Was registriert der Kunde aus dem physischen Umfeld, in dem die Dienstleistung erbracht wird? Welche sozialen Interaktionen mit den Mitarbeitenden oder mit anderen Kunden bleiben im Gedächtnis? Was lösen diese Erinnerungen bei ihm aus, emotional, d.h. gefühlsbezogen und kognitiv, d.h. kopfbezogen? Sinnbildlich vergleichbar mit einem «Traumbild» bildet die entstehende Geschichte das visionäre Erlebnis, das das Unternehmen für seine Zielkunden realisieren möchte.

Die oben aufgeführte, beispielhafte Kundenerlebnisgeschichte wurde von der Partnerfirma Priora AG verfasst. Sie bezieht sich auf das Business Center der Priora, welches unter anderem zeitgemässe Büroinfrastruktur und Services an Firmen vermietet.

2. Strategische Kundenerlebnisleitwerte analysieren

Im zweiten Schritt müssen aus dem einzelnen, idealen Kundenerlebnis Gestaltungshinweise für alle weiteren, zu planenden Erlebnisse gewonnen werden. Dabei wird die Kundenerlebnisgeschichte zunächst im Hinblick auf die grundlegenden «Kundenerlebnisleitwerte» analysiert. Kundenerlebnisleitwerte umfassen die wichtigsten Motive, die der Kunde mit der Dienstleistung verfolgt und schliessen die damit verbundenen Gefühle und den wahrgenommenen Nutzen ein. Kundenleitwerte sind keine Unternehmens- oder Leistungsmerkmale. Sie beschreiben die für den Kunden bedeutsamen, emotionalen und funktionalen Nutzen, die er während oder nach dem Erlebnis erfährt. Dieses Verständnis macht das Erkennen und Formulieren von Kundenleitwerten zu einer interessanten Herausforderung für Unternehmen, denn auch hier bleiben sie in der Kundenperspektive. Die Analyse der Geschichte des Business Centers führte zur Formulierung des folgenden Kundenerlebnisleitwertes: «Persönliche und angenehme Unterstützung im beruflichen Alltag».

3. Drehbuch der operativen Kundenerlebnisinszenierung erarbeiten

Grundlage für die Realisierung des idealen Kundenerlebnisses, welches zudem den Kundenleitwerten entspricht, ist die Entwicklung des «Drehbuchs Kundenerlebnis». Analog zum Textbuch eines Films oder Theaterstücks sollten auch hier möglichst genaue Anweisungen für alle Einzelheiten und «Szenen» des erlebnisreichen Dienstleistungsprozesses erarbeitet werden. Dabei ist das «Fishbone-Diagramm» ein sinnvolles und einfaches Hilfs-mittel. Ursprünglich von dem Japaner Kaoru Ishikawa im Kontext des Qualitätsmanagements entwickelt, handelt es sich ganz allgemein um eine grafische Darstellung von Wirkungen, die zu einem Ergebnis führen. Da der identifizierte Kundenerlebnisleitwert das angestrebte Ergebnis bildet, wird dieses in den «Kopf» des Fishbone-Diagramms übertragen.

Die sechs Dimensionen (1) Mitarbeitende im Kundenkontakt, (2) Interaktionen mit weiteren Dienstleistungspartnern, (3) Interaktionen zwischen Kunden, (4) Physisches Angebot und Infrastruktur, (5) Informationsflüsse & IT sowie (6) Dramaturgie sind die vom Unternehmen zu gestaltenden Bereiche des Kundenerlebnisses. Was genau in welchen Bereichen geplant wird, kann in einem ersten Schritt wiederum aus der Kundenerlebnisgeschichte abgeleitet werden. Jene Textstellen, die Hinweise auf einen Handlungsbedarf in einem der sechs Bereiche geben, werden zunächst farblich markiert und anschliessend in das Fishbone-Diagramm übertragen. In einem zweiten Schritt kann über die Geschichte hinaus nach weiteren Möglichkeiten gesucht werden, die das Erlebnis noch eindrucksvoller machen. Dabei sind die sechs Bereiche wertvolle «Suchfelder», die jedoch je nach Kunden­erlebnis nicht zwingend alle berücksichtigt werden müssen.

4. Messung des geplanten Kundener-lebnisses

Bei der Messung des geplanten Kundenerlebnisses aus Kundensicht können grundsätzlich die gleichen Methoden angewendet werden wie bei der Messung der Kundenzufriedenheit, der -loyalität oder der Dienstleistungsqualität. Somit werden diese Messungen sinnvollerweise verbunden. Ob das geplante und realisierte Kundenerlebnis übereinstimmen, kann durch zusätzliche gezielte Aussagen geprüft werden. Dabei ermöglicht der Kunde durch das Ausmass seiner Zustimmung einen Vergleich. Die Aussagen sollten sich sowohl auf die Realisierung des Kundenerlebnisleitmotivs als auch auf die einzelnen Gestaltungsbereiche beziehen. Im Beispiel könnte die Aussage zum Leitmotiv wie folgt lauten: «Insgesamt fühle ich mich im Business Center auf eine persönlich angenehme Art in meinem Büroalltag unterstützt» (1 = trifft überhaupt nicht zu; 6 = trifft voll und ganz zu). Bei den einzelnen Wirkungsbeziehungen wird dann jeweils überprüft, in welchem Ausmass jeder Bereich zu diesem Gesamteindruck beiträgt.

Konklusion

Die Erlebnis-Toolbox will Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, aber auch Unternehmen aus anderen Branchen und Anwendungsfeldern eine praktische Anleitung für die Gestaltung und systematische Planung und Steuerung nachhaltiger Kundenerlebnisse geben. Zum Adressatenkreis dieser Erlebnis-Toolbox gehören in erster Linie KMU, aber auch Grossunternehmen können mithilfe der Toolbox praxisorientiert im Management von Kundenerlebnissen vorgehen.

Eine ausführliche Beschreibung aller neun Schritte mit begleitendem Arbeitsmaterial (CD) ist seit Januar 2012 im Compendio Verlag erhältlich.