Die digitale Transformation lässt sich nicht mehr aufhalten. Davor können auch klassische Unternehmen, die nach wie vor erfolgreich sind, die Augen nicht länger verschliessen. Zusätzlich zur Arbeitserleichterung, die die Digitalisierung interner Prozesse mit sich bringt, und der Möglichkeit, mit digitalen Mitteln die Kundenbedürfnisse noch besser zu verstehen, entstehen auch neue digitale Geschäftsmodelle. Dass in diesem neuen, digitalisierten Umfeld die alten Entwicklungsmethoden zu schwerfällig und langsam sind, liegt auf der Hand. Es müssen neue her – und hier kommt Agilität ins Spiel.
Radikal umdenken
Die agile Transformation kann als eine Art Untermenge der digitalen Transformation betrachtet werden und fokussiert primär auf die IT und die Produktentwicklung. Ihre Grundprinzipien sind neben einer wesentlich grösseren Kundennähe, verbunden mit schnellem Feedback, auch sehr kurze Entwicklungszyklen mit schnell vorzeigbaren Prototypen und Produkten. Dabei wird die Entscheidungsgewalt hin zum Wissen verlagert, also zu denjenigen, die in die Entwicklung eingebunden sind.
Die Vorteile dieser Methode machen sich schnell auch in klassischen Unternehmen bemerkbar: Projekte werden zuverlässiger «in time, in quality, in budget» abgewickelt – mit hoher Qualität, pünktlich und im Budgetrahmen.
Doch bevor Unternehmen von diesen Benefits profitieren können, ist ein radikales Umdenken erforderlich. Agile Methoden greifen nur in einem Umfeld des ganzheitlichen Denkens und Betrachtens. In Firmenkulturen mit althergebrachten Wertesystemen sowie Strukturen, die hierarchisch und nach dem Prinzip Command & Control funktionieren, würden sie nicht zum Erfolg führen.
Auch hat Innovation mittlerweile einen wesentlich höheren Stellenwert, als die gleichen Standardprodukte stetig weiter zu optimieren. Unternehmen, die zu sehr mit dieser Optimierung und der Vermeidung von Fehlern beschäftigt sind, übersehen schnell marktverändernde Innovationen – und sind bald nicht mehr wettbewerbsfähig.
Agilen Firmen fällt es wesentlich leichter, mit den schnellen Veränderungen in den Märkten Schritt zu halten. Ihr Wertesystem ist bedingungslos auf Kundenorientierung sowie Innovation ausgerichtet, gute Quartalszahlen sind nur mittelbare Ziele. Das bringt auch eine grössere Risikobereitschaft mit sich. Ausserdem gibt es in solchen Unternehmen ein anderes Führungsverständnis: Das Management hat die Aufgabe, für die Mitarbeiter ein Umfeld zu schaffen, welches Innovationen begünstigt.
Aufgaben neu verteilen
Auf den verschiedenen Führungsebenen machen sich die neuen Aufgabenverteilungen besonders bemerkbar – und können durchaus Probleme mit sich bringen. Dadurch, dass die Entscheidungsgewalt nun bei den Mitarbeitern liegt, die in die Entwicklung eingebunden sind, entsteht auf Seiten des Managements an vielen Stellen eine Art «Vakuum»: Bisher wichtige Funktionen und Aufgaben sind plötzlich nicht mehr gefragt. Besonders der psychologische Effekt dieses Wandels auf die Betroffenen sollte ernst genommen werden.
Erfahrungsgemäss macht sich nämlich bei Managern der alten Schule im agilen Umfeld ein gefühlter Kontrollverlust bemerkbar. Besonders Personen des mittleren Managements leiden darunter. Sie hatten immer den Überblick über alle zusammenlaufenden Projekte und Daten, haben diese Informationen kanalisiert und von ihrem Wissensvorsprung «gelebt».
Doch nun geht ihnen die Arbeit aus: Sie müssen keine Statusreports mehr schreiben, denn die Teams berichten selbstständig über ihre Fortschritte. Hier gilt es, neue Wege zu finden, um die wertvollen Erfahrungen des mittleren Managements wertestiftend in die Mannschaft zu bringen, ohne sie zu bevormunden. Das mittlere Management braucht neue Aufgaben.