«Wir müssen uns fokussieren», so tönt es oft auf Betriebsversammlungen, auf Führungskräftetagungen, auf Strategieklausuren. Selten gibt es Widerspruch, ja natürlich kommt mitunter die Grundsatzdiskussion auf, ob man sich als Spezialist oder als Generalist aufstellen soll, ob man nicht doch besser damit bedient ist, zu diversifizieren, um eine vermeintliche Risikostreuung zu erreichen. Für diese Diskussion wurde irgendwann der Begriff des «Multispezialisten» erfunden. Er befriedet die Lager, kann man doch nun getrost davon ausgehen, dass man überall tätig sein darf. Man ist dann eben ein Multispezialist.
Im Mittelstand ein Multispezialist zu sein, ist nicht zu empfehlen
Ich möchte keine Grundsatzdiskussion führen, halte aber den Begriff des Multispezialisten und das dahinter liegende gedankliche Konstrukt für etwas, das mindestens den Mittelstand heillos überfordert. Mag es aus Sicht einer Investment-Holding noch möglich sein, die einzelnen Portfolio-Unternehmen als Spezialisten aufzubauen und als Holding auf der höchsten Aggregationsebene dann ein Multispezialist zu sein, oder mag das vielleicht auch in manchen Mischkonzernen funktionieren, die spezialisierte Sparten führen, ist der Versuch, im Mittelstand ein Multispezialist zu sein, nicht zu empfehlen. Kunden werden damit eher verwirrt als geleitet. Mehr noch: Wird in einer Tagung, einer Führungsrunde, einer Klausur gefordert, sich auf zahlreiche Felder gleichzeitig zu konzentrieren, erscheint es mir immer wieder als schwacher Versuch, eine Ausrede zu erhalten, nichts verändern zu müssen und sich auch nicht strategisch und taktisch entscheiden zu müssen. Nein, mindestens mittelständische Unternehmen (und auch die meisten Konzerne, die ich kenne) sind gut beraten, sich zu fokussieren, zu konzentrieren, ihre Kräfte zu bündeln, die Energie im Unternehmen dafür zu nutzen, Sichtbarkeit zu erzeugen, statt in der Beliebigkeit aufzugehen.
Fokus geht so: Man stelle sich eine Konzerthalle vor, der Star des Abends ist noch nicht auf der Bühne, die Zuschauer gehen auf ihre Plätze, das helle Streulicht, sei es grossflächiges LED-Licht oder seien es Leuchtstoffröhren, ermöglicht es allen Anwesenden, alles zu sehen. Einzelheiten aber, Dinge, an denen man seinen Blick festmachen könnte, werden nicht erkannt. Selbst wenn jetzt der Star des Abends auf die Bühne träte, würde man ihn in dem hoch erleuchteten Raum wohl nicht wahrnehmen, zumindest nicht hinreichend. Dann, das Licht geht aus, alles ist für Sekunden im Dunkeln. Plötzlich geht ein Spot auf der Bühne an, der Star ist für alle sichtbar, die Show kann beginnen.
Der Fokus muss stets auf Bedürfnisse erfolgen
Das ist die Kraft des Fokus. Fokus erlaubt eine wirkungsvolle Inszenierung, Fokus bedeutet Bündelung von Kräften statt Zerstreuung in der Beliebigkeit. Der Fehler, der in Bezug auf gezielte strategische und inhaltliche Fokussierung begangen wird, ist oft, dass man annimmt, man begebe sich in eine mögliche Sackgasse, dass das Risiko zu hoch würde, die Leistungen und Produkte, auf die man sich mutig fokussiert hat, würden irgendwann nicht mehr nachgefragt.