Ganz wichtig ist die Einschätzung, in welchem Stadium sich das Machtspiel befindet: Meistens überwiegt zunächst der spielerische Charakter, dann gibt es Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten, die sich noch in einem akzeptablen Rahmen bewegen. Schliesslich artet es aus, die Beteiligten überschreiten die Grenzen des Anstands und der Fairness. Das Machtspiel eskaliert – die Beteiligten wollen sich auf einer sehr persönlichen Ebene nur noch gegenseitig verletzen.
Das Gespräch suchen
Nach der Analyse kann entschieden werden, ob das Machtspiel rigoros beendet werden muss: Das ist notwendig, wenn die Eskalation droht und der Betriebsfrieden ernsthaft in Gefahr gerät. Eine Alternative ist: Die Führungspersönlichkeit sucht das Gespräch mit den Beteiligten und berücksichtigt dabei die spezifische Motivation der Machtspieler. So gibt es zum Beispiel das Machtspiel mit Beziehungsaspekt: Beziehungskonflikte haben ihre Ursache darin, dass sich die Machtspieler «nicht riechen können» – der sachliche Mitarbeiter und der eher visionär denkende Kollege finden aufgrund ihrer unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster einfach nicht zusammen.
Oder nehmen wir das Machtspiel mit Beurteilungsaspekt: Ein Beurteilungskonflikt entbrennt, wenn zwei Machtspieler dasselbe Ziel verfolgen, aber bezüglich der Strategien zur Zielerreichung unterschiedlicher Auffassung sind. Das kommt vor, wenn Mitarbeiter gemeinsam an einer Teamaufgabe arbeiten. Eine weitere Variante ist das Machtspiel mit Verteilungsaspekt: Verteilungskonflikte entstehen durch Neid und Missgunst. Klassisches Beispiel: Ein Mitarbeiter neidet der Kollegin die Anerkennung, die diese vom Chef erhält – und zettelt darum ein Machtspiel an. Bleibt das Machtspiel mit Zielaspekt: Der klassische Zielkonflikt droht, wenn Mitarbeiter konkurrierende Interessen, Absichten und Ziele verfolgen. Jetzt hat die Führungspersönlichkeit die Möglichkeit, Interessen auszubalancieren und eine Situation herzustellen, die die Kontrahenten veranlasst, das Spielchen zu beenden.
Differenzierte Vorgehensweise
Häufig verhält es sich im Machtspiel so, dass der eine Machtspieler fordernd und aggressiv agiert und der andere eher reagiert, mithin ein aktiver und ein passiver Mitarbeiter aufeinandertreffen. Eine Option besteht darin, mit dem Aktiveren ein Gespräch zu führen, indem die Führungspersönlichkeit diesen zu mehr Zurückhaltung auffordert, und mit dem passiveren Machtspieler ein Stärkengespräch anzuberaumen.
Nehmen wir an, zwei Mitarbeiter bewerben sich darum, als Teamleiter mehr Verantwortung zu übernehmen. Der Chef möchte sich seine Entscheidung gut überlegen – und nun beginnen sich die Mitarbeiter zu «bekriegen» und zetteln ein Machtspiel an. Mitarbeiter Müller hält den aggressiveren Part inne. Mitarbeiter Schmitt ist fachlich nicht ungeeigneter, im Gegenteil. Aber er verfügt nicht über ein so ausgeprägtes Selbstwertgefühl wie der Kollege.
Nachdem die Führungspersönlichkeit die Fakten analysiert hat, kommt sie zu der Bewertung, es biete mehr Vor- als Nachteile, das Machtspiel nicht zu beenden und weiterlaufen zu lassen. Sie greift aber lenkend ein, indem sie dem aktiveren Part im Machtspiel quasi Fesseln anlegt und ihn auffordert, sich zurückzuhalten und sich jeder verbalen Aggression zu enthalten. Mehr Zeit investiert die Führungspersönlichkeit in das Gespräch mit dem passiveren Machtspieler. Mit Herrn Schmitt führt sie ein Stärkengespräch, damit dieser aus seiner eher erduldenden Haltung herausfindet, «nicht alles mit sich machen lässt» und selbstbewusster seine Ziele verfolgt.
Natürlich: Diese Art der Vermittlung gleicht dem Tanz auf dem Vulkan. Denn der Chef will das Machtspiel zwar beeinflussen, ihm geht es dabei aber nicht um einseitige Parteinahme. Er möchte Chancengleichheit herstellen und verhindern, dass die aggressivere Durchsetzungskraft des aktiveren und machtbewussteren Mitarbeiters allein den Ausschlag gibt.
Verbindliche Leitlinien
Es gibt also durchaus Situationen, in denen es besser ist, das Machtspiel nicht zu beenden. Es sollte aber verbindliche Spielregeln geben, also einen Rahmen, innerhalb dessen das Machtspiel erlaubt ist. Diese Grundsätze könnten aus den Unternehmenswerten abgeleitet und in konkrete Leitlinien oder Handlungsprinzipien gegossen werden. Die Führungspersönlichkeit sollte die Machtspieler dann so ansprechen: «Wir haben im Konsens festgelegt, dass ein Machtspiel nie so weit führen darf, dass die Erreichung unserer Ziele in Frage gestellt wird. Euer Vorgehen aber schränkt nachweislich die Arbeitsproduktivität ein und gefährdet das Betriebsklima.» Vielleicht kehren die Kontrahenten nun zurück in den festgelegten Machtspiel-Rahmen. Wenn nicht, kann die Führungspersönlichkeit das Machtspiel immer noch beenden.