Wie organisieren Sie diese Weiterbildung?
Wir bilden Anlagenführer und Produktionsmechaniker berufsbegleitend aus. 20 Personen haben diese Ausbildung bei uns im Erwachsenenalter schon absolviert und das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis erlangt. Der Kanton Solothurn handelt vorbildlich, man bietet Erwachsenenklassen an. Diese finden an Randzeiten statt und man kann innerhalb von zwei Jahren die Abschlussprüfung absolvieren. Mittelfristig haben wir das Ziel, jeden Mitarbeiter, gleich wie alt er ist, ausgebildet zu haben.
Wie reagieren die betroffenen Angestellten darauf?
Für die Leute ist diese Weiterbildung oft ungewohnt und anstrengend, weil sie manchmal seit Jahrzehnten keine Schule mehr besucht haben. Häufig müssen sie auch die sprachlichen Voraussetzungen für eine Ausbildung erwerben, weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um dem Unterricht zu folgen. Dafür bieten wir Deutschkurse an. Wir müssen die Leute wieder ans Lernen heranführen und ihnen positive Erlebnisse vermitteln, sodass sie ihr eigenes Potenzial erkennen.
Wie erreichen Sie das?
Die Grundidee ist, dass wir die «Go-Next»-Ausbildung in einer Abteilung durchführen, die in zwei bis drei Jahren automatisiert werden soll. Die Berufsschule unterstützt uns. Berufsschullehrer analysieren das Können der einzelnen Mitarbeitenden und welche Kenntnisse sie brauchen, um mit den neuen Techniken richtig umzugehen. Wir haben das in einer Abteilung mit zwölf Personen durchgeführt, die nach ihren individuellen Voraussetzungen in drei Leistungsgruppen eingeteilt wurden. Diese Gruppen wurden für spezielle Kompetenzen und bestimmte Computersysteme ausgebildet, und zwar für ihre konkrete Arbeitssituation. Idealerweise werden alle zwölf Mitarbeitenden nach den neuen, positiven Lernerfahrungen mittelfristig eine berufsbegleitende Ausbildung mit Abschluss Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis in Angriff nehmen.
Müssen sich nicht alle Mitarbeiter bei Ihnen weiterbilden?
Um eine vernünftig bezahlte Arbeit zu bekommen, wird man in Zukunft unbedingt eine Ausbildung brauchen. Es ist aber selbstverständlich, dass auch Leute mit einer Ausbildung sich ständig weiterbilden müssen. Es ist eine unternehmerische und gesellschaftliche Aufgabe, alle Mitarbeitenden zu qualifizieren. Für diese hat Fraisa auch Anerkennung erhalten, nämlich 2014 die Auszeichnung als bester Ausbildungsbetrieb im Kanton Solothurn und 2016 den Family Business Award.
Ist es heute so, dass man zu viel Gewicht auf Universitäten legt und zu wenig auf die handwerkliche und technische Ausbildung?
Hier in Solothurn haben wir bei den 19-Jährigen eine Maturaquote von 15 Prozent, in Basel oder Genf sind es 29. In unserer Region ist das duale Berufsbildungssystem also ausgesprochen stark, jeder kennt hier Leute in Spitzenpositionen, die mit einer Lehre angefangen haben. Das duale Berufssystem fördert auch die Umsetzung von Innovationen, bei denen die Schweiz bekanntlich weltführend ist. Es ist also nach wie vor eine Stärke der Schweiz, gute Universitäten, daneben aber auch mit dem dualen Berufsbildungssystem, den höheren Fachschulen und den Fachhochschulen eines der praxisorientiertesten Ausbildungssysteme der gesamten Welt zu haben.
Bei Fraisa trifft man offensichtlich langfristige Entscheide. Wir beurteilen Sie das Problem, dass man in der Wirtschaft oft zu kurzfristig denkt?
Kurzfristig kann man eigentlich nur Kosten reduzieren, aber kaum nachhaltige Entwicklung betreiben. Um einen neuen Markt aufzubauen und neue Produkte einzuführen, braucht man meist drei bis fünf Jahre, gelegentlich auch zehn. Andererseits muss man natürlich gegenüber Kapitalgebern, seien es die Aktionäre der börsenkotierten Gesellschaften oder auch Banken, jährlich vernünftige Ergebnisse liefern. Das steht auch nicht im Widerspruch. Massgeblich ist letztlich bei allen Entscheidungen, ob sie allen Stakeholdern oder nur den Shareholdern dienen.
Wie kommunizieren Sie Entscheidungen gegenüber den Mitarbeitenden?
Wir haben insgesamt 540 Angestellte. Das ist eine gute Unternehmensgrösse, die noch übersichtlich ist und dennoch eine gewisse Professionalität erlaubt. Viele Kolleginnen und Kollegen kenne ich persönlich, auch an den Standorten im Ausland. Der persönliche Bezug zu den Entscheidungsträgern ist auch für die Mitarbeitenden sehr wichtig. Das gibt ein Gefühl der Wertschätzung. Die Angestellten wissen, dass auch harte Entscheidungen – die ich ebenfalls treffen muss – nicht unpersönliche Direktiven sind, sondern dass ich die persönliche sowie auch familiäre Situation der Betroffenen kenne. Als vertrauensbildende Massnahme gegenüber den Beschäftigten legen wir auch alle Zahlen offen. Sie sollen unsere Entscheidungen stets selbst vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation werten können.
Herr Maushart, Sie sind auch politisch aktiv. Welche Ziele haben Sie als Kantonsrat?
Mein politischer Ansatz ist ein gesamtgesellschaftlicher und dabei denke ich pragmatisch. Die heutigen Herausforderungen betreffen die ganze Bevölkerung. Wir haben wie erwähnt viele Menschen ohne Ausbildung, die Sozialhilfe benötigen, und Rentner, die an der Armutsgrenze leben. Die Schweiz ist ein reiches Land, das heisst aber nicht, dass hier nur reiche Menschen leben. Die Leute, die überhaupt keine Ausbildung haben, stehen im Moment unter dem höchsten Druck, darum müssen wir uns um diese besonders bemühen, damit sie nicht ohne Stelle dastehen und die Sozialsysteme belasten. Das Ziel ist, den Wohlstand für breite Kreise der Bevölkerung dauerhaft zu sichern.