Variante 2: Optimierung der strategischen Ausrichtung
Die zweite Variante der Optimierung sollte dann eingeschlagen werden, wenn es nicht um eine nur punktuelle Verbesserung der Wertschöpfung geht, sondern die Strategie als Ganzes auf den Prüfstand gestellt wird. Vor diesem Schritt scheuen Unternehmer und Führungskräfte in KMU häufig zurück, da «hierzu jetzt wirklich keine Zeit vorhanden» sei, wie häufig bekundet wird. Eine Reaktion, die gefährlich ist und die Unternehmenswertschöpfung häufig auch negativ beeinflusst. Eine Alternative wäre, wenn es sich Unternehmensverantwortliche kontinuierlich zur Aufgabe machen würden, die eingeschlagene Strategie routinemässig kritisch zu hinterfragen und zusätzliche strategische Optionen zu prüfen.
Denken in Horizonten und Optionen
Übernehmen KMU-Verantwortliche konsequent ein «Denken in Horizonten und Optionen», d.h. die Grundeinstellung in mehreren zeitlichen Horizonten über ihr Geschäft nachzudenken, ergeben sich verschiedene Vorteile. Zum einen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass man vor den Konkurrenten vielversprechende Marktpositionen erkennen und besetzen kann. Zum anderen hilft es aber auch zu verhindern, dass man von anderen Marktakteuren überrascht wird. Die unerwartete Einführung einer neuen Technologie durch einen direkten Konkurrenten oder der überraschende Markteintritt eines neuen Anbieters können zur Folge haben, dass Umsätze kurz- und mittelfristig verloren gehen, die eigene Reputation im Markt und bei den Kunden leidet, die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wird und letztlich die ökonomische Wertschöpfung in Gefahr gerät.
KMU-Verantwortliche, die in Optionen denken, fokussieren nicht nur auf die Verteidigung und den Ausbau des heutigen Kerngeschäfts, sondern richten sich immer auch auf den Aufbau künftiger, dem Kerngeschäft naheliegende, Wachstumsgeschäfte aus. Zusätzlich beschäftigen sie sich auch mit längerfristig möglichen Zukunftsgeschäften. Sie integrieren also drei Zeithorizonte möglichst gleichzeitig und systematisch in ihre Überlegungen zur Weiterentwicklung des Unternehmens (Quelle: in Anlehnung an Baghai et al., 2000).
Um diese Überlegungen zu dokumentieren und kontinuierlich weiterzuführen, kann die Horizonte-Optionen-Matrix (vgl. Abbildung 4) eingesetzt werden. In der einen Dimension werden die wesentlichen Elemente des heutigen Geschäfts(-modells) in ihren Ist-Ausprägungen aufgeführt, wie z.B. die zurzeit bedienten Zielkunden, das aktuelle Leistungsversprechen oder die zugrunde liegende aktuelle Wertschöpfungsarchitektur. In der anderen Dimension werden die drei Zeithorizonte, d.h. das heutige Kerngeschäft, künftige Wachstumsgeschäfte und mögliche Zukunftsgeschäfte – im Sinne von Keimzellen für zukünftige Geschäfte, die heute gesät werden müssen – aufgeführt.
Ausgehend von der Darstellung der Ist-Situation dient die Matrix dazu, im Management-Team des KMU zu überlegen, welche Optionen bzw. Alternativen zur heutigen Ausprägung entlang der drei Horizonte möglich sind. Wie könnte zum Beispiel im gegenwärtigen Kerngeschäft mit neuen/anderen Partnern die Wertschöpfungskette des Unternehmens kostengünstiger und flexibler gestaltet werden? Welche anderen Kundengruppen könnten unter dem Horizont «Wachstumsgeschäft» angesprochen werden? Könnte man zum Beispiel über die Zusammenarbeit mit Hochschulen im Bereich F&E heute schon erste Grundlagen für das Zukunftsgeschäft legen?
Nehmen sich KMU-Verantwortliche vor, quartalsweise zwei bis drei Stunden mögliche Optionen im Kerngeschäft und in den beiden anderen Zeithorizonten – Wachstums- und Zukunftsgeschäft – zu entwickeln und diese auch kurz zu dokumentieren, entsteht über die Zeit hinweg ein wertvoller Ideenpool, auf den das Unternehmen zurückgreifen kann.
Um auf eine vernünftige Anzahl robuster und realisierbarer Optionen zu kommen, sollten die einzelnen Optionen entlang von drei Kriterien beurteilt werden:
Gibt die Option eine passende Antwort auf Herausforderungen, mit denen sich das Unternehmen in seinem Wettbewerbsumfeld konfrontiert sieht (Kriterium: Übereinstimmung mit Herausforderungen)?
Verbessert die Verfolgung der Option das Risiko-/Ertragsprofil im Sinne der Eigentümer (Kriterium: Risiko-/Ertragswirkung)?
Kann der Investitionsbedarf, der mit der Option verbunden ist, aus dem aktuellen Geschäft finanziert werden und verfügt das Unternehmen über die notwendigen Fähigkeiten (Kriterium: Machbarkeit)?
In der Folge können diese Optionen dann priorisiert oder auch verworfen werden, weil z.B. die notwendigen Investitionen nicht realisierbar sind oder das Risiko schlichtweg zu hoch wäre.