4. Ökosozial statt marktradikal
Als Perspektive erscheint einzig der ökosoziale und im Kern ordoliberale Ansatz regulierter Märkte, wie er für Europa (soziale Marktwirtschaft) und die asiatischen Volkswirtschaften (Netzwerkökonomien) typisch ist. Für dieses Modell gilt in Sicht des Autors in einer weltweiten Perspektive die Gleichung:
Marktwirtschaft + nachhaltige Entwicklung = ökosoziale Marktwirtschaft
Dieses Modell wäre im Rahmen der Weltökonomie fortzuentwickeln und würde letztlich im Rahmen eines Weltvertrages Forderungen eines Weltethos und des interkulturellen Humanismus übersetzen in eine Form von Weltinnenpolitik mit weltdemokratischem Charakter, wie sie von C. F. von Weizsäcker immer wieder thematisiert wurde. Einen aktuellen Ansatz, einen solchen Weg weltweit zu befördern, stellt ein Global Marshall Plan dar, der Strukturbildung und Durchsetzung von Standards mit der Co-Finanzierung von Entwicklung verknüpft. Dies wird weiter unten beschrieben. Die Europäische Union beweist in ihren Ausdehnungsprozessen permanent die Leistungsfähigkeit dieses Ansatzes. International sei ebenso auch auf das erfolgreiche Montrealer Protokoll verwiesen, das nach derselben Logik vereinbart wurde. Das europäische Modell ist in dieser Logik der wohl einzige erfolgversprechende Ansatz für Friedensfähigkeit und eine nachhaltige Entwicklung und steht in scharfem Kontrast zu dem marktradikalen Modell der Entfesselung der Ökonomie (Turbokapitalismus), ohne die weltweit verbindliche Durchsetzung einer Verantwortung für die Umwelt und das Soziale. Dabei ist zu beachten, dass es den Marktfundamentalisten gelungen ist, ihre Position über manipulierte Bilder tief in den Gehirnen vieler Menschen zu verankern.
Begründungen für die Überlegenheit einer ökosozialen Marktwirtschaft gegenüber Marktfundamentalismus werden offensichtlich, wenn man die systemischen Voraussetzungen von Wohlstand herausarbeitet. Dies gibt eine Orientierung, worauf weltweit zu achten ist. Weltweit muss man tun, was in guten Staaten funktioniert, nicht, was noch nie in einem Staat funktioniert hat. Die Welt könnte viel reicher sein. Verwiesen sei hierzu auf die Zukunftsformel 10 ~> 4:34 des Autors. Sie besagt im Wesentlichen, dass die Welt bei richtiger Vorgehensweise in etwa 70 Jahren 10-mal so reich sein kann wie heute, wobei die heute reiche Welt etwa 4-mal so reich und die sich heute entwickelnden Länder etwa 34-mal so reich sein können. Die Bevölkerung in den ärmeren Teilen wächst dabei fast auf das Doppelte. Die soziale Balance auf dem Globus entspricht dann in etwa derjenigen heute in Europa. Die Ressourcenknappheit wird durch entsprechende Rechtezuordnungen, Preisentwicklungen, neue Technologien und andere Lebensstile bewältigt. Der zukünftige Lebensstil wäre dann viel weniger ressourcenintensiv als heute. Hochwertige, kreative Dienstleistungen werden im Gegenzug viel preiswerter.
5. Situatives Vorgehen
Der beschriebene Hintergrund einer globalen marktradikalen Entfesselung hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Möglichkeiten von Politik in Europa und ebenso die Möglichkeit von Unternehmen im weltweiten Wettkampf um Kunden und Märkte. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas unter den bestehenden weltweiten Rahmenbedingungen zwingt auch die Europäer immer stärker dazu, sich der Logik des marktradikalen, entfesselten Wirtschaftsmodells zu unterwerfen, auch weit über einen sicher ebenfalls erforderlichen, vernünftigen Umfang an Deregulierung hinaus. Das vielleicht grösste Problem besteht darin, dass globale Akteure unter dem Aspekt der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auch bei uns nicht mehr adäquat besteuert werden können. Dies gilt übrigens auch für viele gut verdienende Steuerzahler. Anders betrachtet muss eingesetztes Eigenkapital mit überzogenen Renditen bedient werden, da dieses sonst an andere Standorte ausweicht. Steueroasen, Offshore-Bankplätze und manche Sonderentwicklungszonen sind Teil des Problems. Hier ist eine weltweite Koordination zwischen den entwickelten Staaten erforderlich, um diese Missstände ein für alle Mal auszuschalten. Dies ist ein Thema, auf das im Februar 2007 der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt in «Die Zeit» nachdrücklich hingewiesen hat und dessen sich mittlerweile auch der G20-Prozess zur Bewältigung der Weltfinanzkrise angenommen hat. Die Folgen dieser Prozesse sind in Europa zunehmend zu beobachten, und zwar in Form des Rückbaus der Sozialsysteme, der Privatisierung von Gemeingütern, des Rückbaus im Gesundheitsbereich sowie des Rückbaus der breiten Ausbildung der gesamten Bevölkerung, die bisher noch auf das Ziel der vollen Entfaltung aller humanen Potenziale ausgerichtet ist.
In der beschriebenen Situation ist ein situatives Handeln, eine Doppelstrategie erforderlich. Ein solches Handeln besteht darin, einerseits gegenüber den Bürgern deutlich zu machen, wie aktuelle Globalisierungsprozesse sozialen Rückbau und zunehmende Unterlaufung ökologischer Standards zur Folge haben, und anderseits konsequent an besseren weltweiten Rahmenbedingungen zu arbeiten, um diese inakzeptable Situation baldmöglichst durch internationale Abkommen zu überwinden. Eine «intelligente doppelstrategische Verteidigungslinie» in Europa zur Bewältigung der aktuellen Probleme vor dem Hintergrund der Globalisierung ist aufgrund des Gesagten das Ziel. Dies erfordert:
- Anstrengungen für ein vernünftiges Design der globalen Ökonomie (aktive Globalisierungsgestaltung. Zu denken ist hier unter anderem an einen Global Marshall Plan. Hierauf wird noch eingegangen.
- Organisation intelligenter Verteidigungsprozesse in Deutschland und Europa, solange ein vernünftiges weltweites Ordnungsregime noch nicht implementiert ist (vgl. ergänzend auch www.bwa-deutschland.de).