Ich sprach vor Kurzem mit dem Sprecher des Vorstandes eines bekannten Unternehmens, das – nach einer strategischen, operativen und wirtschaftlichen Delle vor vielen Jahren – einen ganz bemerkenswerten Wachstumsweg aufweist. Die Zahlen haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, teilweise sogar über die Erwartungen und über die Planungen hinaus, und das nicht nur auf niedrigem Niveau, sondern wir sprechen hier über hohe Zuwächse. Diese Zuwächse haben natürlich das Anforderungsniveau an das Unternehmen, an die Mannschaft, an die Führung wesentlich erhöht. Das Unternehmen, das heute international in vielen Märkten gut vertreten ist, musste sich in eine neue Leistungsliga kämpfen. Es hat geklappt.
Das grösste Bedenken, das jener Vorstandssprecher hat, ist, dass ihm sein Unternehmen zu erfolgsverwöhnt vorkommt. Wachstum? Das wird schon kommen, so scheint die allgemeine Haltung im Unternehmen zu sein. Schliesslich waren die vergangenen Jahre auch von Erfolg gekrönt. Ihm fehle ein «sense of urgency», wie der Vorstandssprecher es mir beschrieb, das Gefühl dafür, dass der Erfolg der Vergangenheit nicht automatisch auch für den zukünftigen sorgen werde.
Erfolg darf nicht satt machen
Ich habe diesem Vorstandssprecher seine Sorgen nicht signifikant nehmen können, denn als Berater haben mein Team und ich häufig exakt diese Beobachtung gemacht: Ein Unternehmen ist nicht erfolgreich, es wendet alle verfügbare Kraft und Intelligenz auf, um wieder erfolgreich zu werden, es erfindet sich in Teilen neu, erschliesst und schafft neue Märkte, innoviert, was das Zeug hält und ist plötzlich wieder im Spiel. Das ist natürlich keine Hau-Ruck-Aktion, sondern ein Prozess, der des Dranbleibens, der Disziplin, des geschickten Umgangs mit Teil- und Misserfolgen bedarf und der, wenn er belohnt wird, ein gutes Ende nimmt. Viele der Unternehmen mit einer solchen Historie aber lehnen sich dann zurück und gehen davon aus, dass der nun erreichte Erfolg nahtlos fortgeschrieben werden kann – ein oft folgenschwerer Irrtum. Noch bedeutender wird dieser Irrtum dann, wenn der Erfolg tatsächlich über mehrere Jahre eintritt und sich sogar noch steigert. Die handelnden Personen fühlen sich bestätigt und manche der Protagonisten neigen mitunter dazu, sich ab einem gewissen Zeitpunkt zurückzunehmen und davon auszugehen, dass nun eigentlich nur noch justiert werden müsse.
Ein fataler Fehler. Natürlich macht Erfolg froh. Natürlich zieht Erfolg oft Erfolg nach sich. Und natürlich verlockt Erfolg auch dazu, Annahmen zu treffen, die diesen hart erkämpften Erfolg bereits als Basis, als gegeben, annehmen. Aber genau hier liegt die Tücke, denn die Fähigkeiten, Vorgehensweisen, Innovationen, Prozesse, Einstellungen, Kunden, Produkte, Leistungen, die ein Unternehmen zum Erfolg geführt haben, sind mitnichten ein Garant dafür, dass der Erfolg auch in die Zukunft reicht. Im Gegenteil: Erfolg kann satt machen, und ein voller Bauch studiert nicht gern, heisst es. Ist aber erst eine gewisse Lethargie im Unternehmen eingetreten, läuft jenes Unternehmen Gefahr, ein Plateau zu erreichen, das sich nicht nur auf die wirtschaftlichen Eckdaten bezieht, sondern sich – was wesentlich bedeutender ist – in der Einstellung der Mitarbeiter und Führungskräfte wiederfinden kann.
Den «sense of urgency» wecken
Wir treffen in der Beratung häufig auf solche Situationen und unsere Klienten erwarten von uns berechtigterweise Unterstützung dabei, wie sie die Wachstumsgeschichte fortschreiben können, wie sie eine etwas eingerostete Mannschaft wieder aktivieren können beziehungsweise wie sie idealerweise verhindern können, dass dieses Einrosten entsteht – je nach Phase, in der sich das Unternehmen befindet.