Dieser Ansicht ist auch Jürg Kretzer von Coop-Mineralöl, die Anfang November 2007 den 150. Pronto-Shop eröffnet hat. Obwohl durchgehende Öffnungszeiten unter gewissen Bedingungen vielerorts möglich wären, gebe es nur einen Coop-Pronto-Shop, der 24 Stunden, sieben Tage die Woche geöffnet sei. Sonst aber sind die Shops, die oft bei Tankstellen untergebracht sind, in der Zeit von 6 bis 22 Uhr geöffnet. Dies entspricht auch den arbeitsgesetzlichen Vorgaben bei Beschäftigung von Personal (6 bis 23 Uhr).
Mobil und flexibel
Die Ladenöffnungszeiten sind kantonal und kommunal sehr unterschiedlich geregelt. Doch der Trend ist eindeutig: Die Bürgerinnen und Bürger fordern immer längere Öffnungszeiten, wie das Beispiel Aargau zeigt, wo für die Streichung des Ladenschlussgesetzes per Anfang 2006 gestimmt wurde. Im Kanton Basel-Stadt wurden überdies die Ladenöffnungszeiten auf 6 bis 23 Uhr ausgedehnt. Convenience-Shops wie Avec, Aperto, Pronto usw. spriessen wie Pilze aus dem Boden. Laut Max Baumgartner, Sprecher von Avia, die an 100 von total 700 Tankstellen einen Shop betreibt, ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Interessanterweise sieht er einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bäckereisterben auf dem Land und dem sonntäglichen Run auf die Tankstellen-Gipfeli. Auch die RailCity-Shops in den sieben Bahnhöfen verzeichnen seit Jahren enorme Umsatzsprünge trotz allgemeiner Konsum-flaute. Im laufenden Jahr wird der RailCity-Umsatz voraussichtlich über fünf Prozent auf 850 Mio. Franken ansteigen – notabene ohne Flächenexpansion.
Zur erhöhten Mobilität, von denen die Läden an Pendlerpassagen profitieren, kommt der Anstieg von «atypischen Arbeitsformen» hinzu. Darunter sind Jahresarbeitszeitmodelle (5 % der Beschäftigten), Arbeit auf Abruf (4 %), Heimarbeit (1,7 %), Schicht (9,1 %) oder freie Wahl der Arbeitszeit (8 %). Noch 58 Prozent der Beschäftigten arbeiten nach wie vor nach festem Stundenplan. 354 000 Personen erledigen zu Hause bezahlte Arbeit für den Arbeitgeber. 256 000 Angestellte machen alternierende Telearbeit via Mobilephone, E-Mail und PC.
«Horrorvision unrealistisch»
Trotz zunehmender Flexibilisierung gibt es auch Grenzen der Liberalisierung. Diese Grenzen ergäben sich auch auf ganz natürliche Art und Weise, sagt Thomas Bornhauser, Leiter Kommunikation und Kulturelles Migros Aare. «Kein einziges Geschäft kann und wird es sich leisten, den Laden offen zu halten, bloss weil man gesetzlich darf. Diese absichtlich konstruierte Horrorvision gewisser Kreise, dass in der Schweiz künftig Läden 24 Stunden und sieben Tage offen sein werden, ist bewusste Taktik, fern ab jeder Realität.»
Nachtschicht für Zürichs 24-Stunden-Gesellschaft
Sie flicken Strassen, wischen Bahnhöfe oder legen Platten in verrauchten Clubs auf. Ihre Brötchen kaufen sie auf dem Nachhauseweg und gehen nach dem Frühstück schlafen. Nachtarbeit. Wer Glück dabei hat, kann sich mit einem saftigen Zuschlag darüber hinwegtrösten, am Wochenende nicht mehr auf dem Flohmarkt stöbern zu gehen. Nicht einfach auch, sich vor der Sonne verbergen zu müssen, um Schlaf zu finden – wenn einen die Nachbarn denn lassen und das Telefon abgestellt ist. Früher arbeiteten fast ausschliesslich die Notfallorganisationen rund um die Uhr. Heute ist dies anders. Wir begegnen ihnen, wenn wir unsicheren Schrittes aus einem Kino kommend auf den Nachtbus warten oder ein Taxi heranwinken. Wir gehen an ihnen vorüber, wie an diesem Bauarbeiter am Central. Wann denkt der eigentlich an Party? Auch der Pförtner, an dem der Schreibende allabendlich vorbeikommt, schaut stets mit dem gleichen ungerührten Blick kurz von seinem «Blick» auf und ist dann wieder allein. Wenn am Morgen die Welle des Berufsverkehrs anrollt, fällt er ins Bett.