Die Entwicklung des Qualitätsstrebens in der Bauwirtschaft geht weiter

Eine Bemerkung vorweg: Grundsätzlich ist jeder Bauunternehmer bestrebt, ein qualitativ einwandfreies Bauwerk zu erstellen. Die meisten Bauten könnten im Prinzip durch jeden Bauunternehmer realisiert werden. Weil eine Differenzierung vom Mitbewerber aber schwierig ist, läuft vieles über den Preis. Das Offerieren wird folglich zur Gratwanderung, denn der Kostendruck steht dauernd im Raum. Und überdies haben sich die Anforderungen an das Bauen enorm gewandelt.

Der Wandel schreitet voran

Die Bauten sind komplexer geworden. Ausdruck dafür sind etwa die gegenüber früher veränderte Haltung im Umgang mit der Ressource Energie, die anspruchsvollere Haustechnik, der Einsatz der Elektronik, die komplexere Projektorganisation und die heutigen Bedürfnisse seitens der Besteller. Weiter hat der Zeitdruck massiv zugenommen. Diese Konstellation fordert die Branche extrem stark. Früher musste ein Bauunternehmer die Ressourcen selber stellen. Heute können selbst Kleinstunternehmen grössere Vorhaben realisieren, indem sie Ressourcen extern beziehen durch Leasing, Miete, Vergabe von Aufträgen an Subunternehmer, Akkordanten usw. Beleg für diese Entwicklung ist, dass in den vergangenen Jahren eine Abwanderung der Beschäftigten vom Bauhaupt- ins Baunebengewerbe zu registrieren ist.

Ein Wandel ist auch in der Breite der eingesetzten Qualitätsnormen festzustellen. Zusätzlich zur Qualitätsmanagement-Norm ISO 9001 kommen vermehrt sowohl die Normen «Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz OHSAS 18001» und «Umweltmanagement ISO 14001» als auch Bauprodukt-spezifische Zulassungsnormen wie SN EN 206-1 «Beton» zum Zug. In die Prozesse einzubauen sind überdies mehr und mehr die durch die Schweiz übernommenen europäischen Standards.

Wohin weist die Zukunft?

Die Entwicklung des Qualitätsstrebens wird weitergehen. Man wird sich wohl vermehrt mit industriellem Bauen auseinandersetzen. Man wird etwa weiter versuchen, die Zeitachse zu verkürzen, bei der Nutzung von Ressourcen zu rationalisieren und das Wissen der nachgelagerten Ausführungspartner bereits in die Planung zu integrieren. Möglicherweise wird dies zu einer stärkeren Triage zwischen industriellem Bauen und gewerblichem Bauen führen. Zu denken ist hier an die Projekt­abwicklungen von Totalunternehmern, die anders getrieben sind als die klassische Abwicklung. Kurz: Generell wird die Bedeutung des umfassenden Projektmanagements deutlich zunehmen.

Zertifizierte gut aufgestellt

Vorab wichtig zu erkennen ist, dass die Zertifizierung im Baubereich naturgemäss einer anderen Charakteristik unterliegt als etwa im industriellen Sektor, denn jede Baustelle präsentiert sich anders, stellt in sich ein Unikat dar. Der Druck zur Zertifizierung kommt schwergewichtig aus dem internen Bereich, aus innerer Überzeugung, weniger vom Markt her als zum Beispiel in der Export- oder Lebensmittelindustrie. Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, wirkt auch gegen aussen überzeugend und professionell. Im Übrigen gilt: Nur mit zufriedenen Mitarbeitern kann man zufriedene Kunden generieren.

Der zentrale Vorteil, den der Zertifizierungsprozess auslöst, ist ja, dass sich die Unternehmung mit sich selbst auseinandersetzen muss. Es ist schlicht Arbeit an der Unternehmung selbst. Man stellt sich systematisch Fragen wie: Wo kann ich vereinfachen? Wo kann ich optimieren? Mache ich das Richtige richtig? Aus der Erfahrung des Autors sind drei Aspekte besonders wichtig: Erstens setzt man sich konkret und fundiert mit der Wettbewerbsfähigkeit auseinander. Damit verknüpft ist, zweitens, der Anspruch an die Beherrschung der Prozesse. Drittens geht es auch um die Sicherung der Rechtsfestigkeit, der Nachweisführung im Streitfall also, denn die Freude am Klagen hat in den vergangenen Jahren auch in der Schweiz deutlich zugenommen. Zu beobachten ist vorab bei Submissionen, dass nach klagbaren Fehlern gesucht wird. Saubere Nachweisführung heisst beispielsweise auch, wie mit Änderungen im Bauprozess umgegangen wird (richtig definiert, bestellt, entschieden, abgewickelt und dokumentiert?).

Handfeste Q-Argumente

Die Praxis zeigt, dass zertifizierte Unternehmen der Baubranche häufig die nachstehenden fünf Vorteile aus einer Zertifizierung besonders gewichten:

1. Klarer Bauprozess, organisierte Sicherheit
2. Kostenreduktion durch kontinuierliche Verbesserung und Fehlerabbau
3. Motivierende Zusammenarbeit und Beherrschung von Schnittstellen
4. Umsetzen von Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch und sozial)
5. Management des internen Know-how und der Aus- und Weiterbildung

Und der Preis dafür?

Der Zertifizierungsprozess ist deshalb so wertvoll, weil man ein vertieftes Verständnis für die Sache erhält. Und das mit moderierter externer Unterstützung. Eine Zahl dazu: Bisher hat die SQS 1930 Zertifikate im Baubereich ausgegeben. An sich könnte man ein System einfach einkaufen, aber es würde intern nicht mitgetragen. Der Hauptaufwand fällt intern an. Der externe Aufwand für Beratung und Zertifizierung ist gemessen am Erkenntnisgewinn aus dem angestossenen Verbesserungsprozess recht unbedeutend. Der Passepartout für die eigene Zukunft heisst Qualität.